Premiere: Stormarner Gemeinde und Bezirk Wandsbek reden über gemeinsame Fläche. Es läuft ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren.

Barsbüttel. In Barsbüttel könnte das erste grenzübergreifende Gewerbegebiet der beiden Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg entstehen. Über dieses Projekt wollen der Wandsbeker Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff und der Barsbütteler Bürgermeister Thomas Schreitmüller heute miteinander sprechen. Die Idee stammt von Schreitmüller. In seiner Gemeinde besteht seit Längerem der Wunsch, das Gewerbegebiet an der Autobahn 1 zu vergrößern. Doch die Landesplanungsbehörde in Kiel, die zusätzliche Gewerbeflächen genehmigen muss, stellt sich quer. Schreitmüller: "Man hat das Gefühl, dass die Landesplanung viel lieber im Norden oder an der Westküste Gewerbegebiete ausweisen würde - nur nicht hier im Speckgürtel, wo der Bedarf vorhanden ist."

Derzeit läuft ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren. In diesem Verfahren ermittelt die zentrale Planungsbehörde des Landes, ob das Barsbütteler Gewerbegebiet vergrößert werden darf. Es geht um eine Fläche von 15 Hektar im Nordwesten des Möbelhauses Höffner. "Wir wollten eigentlich 30 Hektar haben", sagt Thomas Schreitmüller. "Aber die Landesplanung hat das abgelehnt. Nur 15 Hektar seien möglich, hieß es, und auch nur dann, wenn nachgewiesen werden könne, dass die Firmen vor Ort diesen Platz benötigten."

Schreitmüller hält diese Beschränkung für falsch. "Wir liegen an der A 1 und grenzen an Hamburg", sagt er. "Wir haben ständig Anfragen von Firmen, zum Beispiel von Hamburger Unternehmen, die hier bauen wollen, weil sie die Lage attraktiv finden." Und den Gewerbesteuerhebesatz auch. Der liegt in Barsbüttel mit 360 Punkten deutlich unter dem Hamburger Satz (470).

Schreitmüller will nun den Hamburger Nachbarn davon überzeugen, eine weitere Fläche zum Gewerbegebiet zu machen. Sie grenzt an die erwähnten 15 Hektar an. Die Landesgrenze springt wie ein Keil in dieses Areal hinein. Will man ein praktisches Rechteck ausweisen, muss man Hamburger und Schleswig-Holsteiner Grund zusammenfügen.

An zusätzlichem Platz für Firmen dürfte auch der Bezirk Wandsbek Interesse haben. Der Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff wollte sich auf Anfrage zunächst nicht zu dem Barsbütteler Plan äußern - jedenfalls nicht vor dem heutigen Gespräch. Laut Handelskammer Hamburg besteht aber Bedarf an Gewerbeflächen. Die Kammer hat dem Bezirk soeben vorgeschlagen, dafür fünf Grundstücke näher zu prüfen. Das Barsbütteler Areal ist nicht darunter - was nur beweist, dass in der Kammer niemand auf die Idee gekommen ist, über Grenzen hinweg zu denken.

Bis der Plan verwirklicht werden kann, wären in beiden Bundesländern noch einige Hürden zu überwinden. Die Schleswig-Holsteiner Hürde wurde bereits erwähnt: die Landesplanung. Wieso sollte sie von der Position abweichen, in Barsbüttel höchstens die erwähnten 15 Hektar zu genehmigen, die Gegenstand des Zielabweichungsverfahrens sind? Bürgermeister Schreitmüller hofft da auf eine Umorganisation, die soeben in Kiel über die Bühne gegangen ist. Die Landesplanungsbehörde gehört nicht mehr zum Innenministerium, sondern ist jetzt der Staatskanzlei unterstellt, also direkt dem neuen Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD). Zudem steht ein personeller Wechsel an. Kurt Püstow, langjähriger Leiter der Landesplanung, geht in den Ruhestand. Schreitmüller: "Vielleicht führt das ja zu einem Umdenken. Schließlich profitiert auch das Land finanziell, wenn wir hier Firmen ansiedeln können."

Auch auf Hamburger Seite wäre einiges zu tun. Zunächst müsste der Flächennutzungsplan geändert werden. Dafür ist die Stadtentwicklungsbehörde zuständig. Danach müsste der Bezirk Wandsbek einen Bebauungsplan aufstellen. Dann müssten die Partner hüben und drüben der Grenze noch die Frage klären, wie die Erschließungskosten aufgeteilt werden. Sicher ist, dass das neue Gewerbegebiet nur von Barsbüttel aus angefahren werden kann. Eine Straßenverbindung über Hamburger Grund wäre zu aufwendig.

Ganz am Ende der Verhandlungen dürfte die Frage stehen, wie die Gewerbesteuereinnahmen aufgeteilt werden. Am einfachsten wäre folgende Lösung: Die Grundstücke werden so geschnitten, dass sie ganz oder überwiegend entweder in Schleswig-Holstein oder in Hamburg liegen. Die einen Firmenchefs dürfen sich dann über den niedrigeren Barsbütteler Hebesatz freuen, die anderen über den höheren Hansestädtischen ärgern.