Leserin Silvia Witzke über ihr neues Leben - nach der Geburt ihrer kleinen Julia

Im Januar 1982 begann der zweite Teil meines Lebens. Meine Tochter wurde geboren. In diesem Jahr wurde ich 30 Jahre alt. Und nichts war mehr so wie es vorher war.

Ich hatte jung geheiratet und neben Arbeit und Haushalt die Freiheiten genossen, die junge Menschen haben: Am Wochenende ausgelassen und lange feiern, mit Freunden zusammensitzen und quatschen, bis es hell wird. Am nächsten Morgen konnte man ja so lange schlafen bis es fast wieder dunkel wurde. Das war nun vorbei. Ein kleiner Mensch verlangte mindestens drei Mal in der Nacht etwas zu essen und mütterliche Zuwendung. Am Tage war es genauso. Total kaputt ging ich abends genauso früh ins Bett wie meine Tochter. Zwei Jahre - so kommt es mir vor - habe ich nicht mehr warm gegessen. Sobald das Essen auf dem Tisch stand, fing die Kleine an zu schreien: "Hunger, Hunger". Natürlich nicht wirklich, aber ich habe es ganz deutlich heraus gehört.

Der Schritt von einem kleinen flotten Auto zu einer Familienkutsche fiel mir noch etwas schwerer. Aber die unterzubringenden Utensilien für ein Baby und später für ein Kleinkind verlangten nach einem Kombi. Für spontane Besuche bei Freunden brauchte es früher einen Anruf - und los ging es. Mit unserem Julchen brauchte ich schon eine längere Vorbereitungszeit und obendrein die Überlegung, ob sich der Aufwand für zwei Stunden wirklich lohnte.

Auch die Urlaube gestalteten sich anders als Reisen zu zweit. Jetzt ging es nicht mehr mit dem Flieger in den Süden, sondern mit dem Auto nach Dänemark. Über die Aufbauten auf unserem Kombi könnte ich heute noch lachen. Freunde riefen gar nicht mehr an, weil wir nicht mehr spontan mit zum Zelten konnten, wenn unser Kind krank war.

Unser Freundeskreis veränderte sich. Ab und zu erhielt ich Hilfe von meiner Mutter, die bei uns einhütete, damit wir mal wieder so richtig feiern gehen konnten. Richtig feiern? Das konnte ich nicht mehr. Mein kleiner Wirbelwind war morgens putzmunter und ausgeruht. Der brauchte keine verschlafene Mutter die keine Lust auf Spiele hatte. Je älter meine Tochter wurde, je mehr änderte auch ich mich. Nicht mein Naturell, nicht mein Wesen. Aber was bis jetzt für mich wichtig gewesen war, trat in den Hintergrund. Hatte ich oftmals über die Gespräche von Müttern mit Kindern gelächelt, mischte ich jetzt kräftig mit. Welcher Kindergarten ist der richtige für mein Kind? Koche ich selbst oder nehme ich ein Gläschen? Ja, meine Prioritäten hatten sich ganz schön geändert.

Auch die Wohnung blieb davon nicht verschont. Wo früher zierliche Vasen standen, hielten Ernie und Bert Einzug. Meine kleinen, netten Handtäschchen wurden durch unergründbare Beutel ersetzt. Aber die Frage war doch: "Was ist schöner - ein Leben ohne oder mit Kindern?" Für mich ganz klar: Um nichts in der Welt möchte ich dieses Gefühl missen, wenn sich zwei kleine Ärmchen schlaftrunken um den Hals legen und das Glucksen eines lachenden, glücklichen Kindes zu hören ist.