Leserin Christa Liebold über das Wagnis, sich selbstständig zu machen

Der 2. Mai 1997 war mein Schicksalstag. Um nicht in die Arbeitslosigkeit zu fallen, beschloss ich, mich selbstständig zu machen. Den Anlass gab mein Chef, ein Abbruchunternehmer. Er heiratete eine Frau, die mich aus dem Betrieb drängte. Es fiel der Satz: Christa, du bist zu teuer! Ich war so empört, dass ich sofort sagte: Dann mache ich mich eben selbstständig. Gelernt hatte ich in den letzten 15 Jahren genug, und ein Auto hatte ich auch. Einen Hänger kaufte ich mit Unterstützung meines Mannes. Meine Kinder waren erwachsen, also stand all dem nichts im Wege. Unterstützung hatte ich durch den Stiefsohn meines früheren Chefs, den ich einstellte. Die erste Zeit war hart, aber wir haben uns durchgebissen.

Es meldete sich auch ein früherer Kollege meines ehemaligen Chefs, Ernst Schröter, der Aufträge hatte. Er war schon sehr betagt. Im November 1999 erlitt er einen Schlaganfall. Zum Glück konnte er nach dem Krankenhausaufenthalt wieder zurück in sein Haus. Jeden Tag habe ich ihn besucht, bin mit ihm spazieren gegangen, um ihm wieder auf die Beine zu helfen. Als die Kinder das Haus verkauften, durfte er weiter dort wohnen bleiben. So vergingen die Jahre.

Nun war mein Mann inzwischen arbeitslos geworden - und das nach 32 Jahren Betriebszugehörigkeit. Zur gleichen Zeit wurde seine Mutter sehr krank. Leukämie. Also betreute mein Mann seine Mutter und ich Ernst - und ich baute zugleich weiter die Firma aus. Inzwischen hatte ich meine Tochter eingestellt und meinen Sohn, der sonnabends half. Als er seinen Meister imElektro-Handwerk absolviert hatte, trat er ganz in die Firma ein und übernahm sie 2006. So hatte ich mehr Zeit für die Pflege von Ernst, der jetzt an Alzheimer litt. Zuletzt habe ich Tag und Nacht bei ihm verbracht, bis er im 96. Lebensjahr friedlich einschlief.

Mein Mann freute sich, weil ich nun wieder mehr Zeit für ihn hatte. Aber es sollte nur ein Jahr vergehen, da wurde auch er schwer krank: Hirnstamm-Schlaganfall mit Lähmungen der rechten Seite. Hinzu kam, dass er in der Reha mit dem Krankenhauskeim MRSA infiziert worden war. Er verlor ein Bein. Nun ist auch das andere befallen.

Inzwischen bin ich 68 Jahre alt, 42 Jahre verheiratet, habe zwei wunderbare Kinder und Schwiegertöchter und fünf reizende Enkel. Die Firma hat mein Sohn toll ausgebaut. Am 2. Mai dieses Jahres haben wir stolz unser 15-Jähriges gefeiert. Noch heute freue ich mich, wenn mein Sohn mit Aufträgen nach Hause kommt und sagt: Mama, rechne mal nach. Das Leben hat mich auf sonderbare Weise geprägt.