Unbekannter gibt sich als Familienmitglied aus und fragt nach Geld. 79-Jährige aus Ahrensburg wird misstrauisch und wehrte sich.

Ahrensburg. Gezielt suchen sie sich ihre Opfer aus. Es sind immer ältere Menschen, vor allem allein lebende Frauen, auf die es Trickbetrüger abgesehen haben. Ihre Masche ist immer die gleiche: Sie geben sich als Familienmitglied aus und täuschen eine Notlage vor.

Eine 79 Jahre alte Ahrensburgerin ist beinahe Opfer eines solchen Betrügers geworden. Doch sie wurde misstrauisch und schlug ihren vermeintlichen Neffen damit in die Flucht. Die Kriminalpolizei in Ahrensburg lobt das Verhalten der Rentnerin und warnt zugleich vor den dreisten Trickdieben, die offenbar auch nicht davor zurückschrecken, sich an der Haustür als Verwandter auszugeben.

So wie bei Dora W., die in einem Mehrfamilienhaus in der Ahrensburger Innenstadt lebt. "Nu' mach' endlich die Tür auf", dröhnt es um 10.30 Uhr aus der Gegensprechanlage. "Ich dachte, da hat jemand schwer zu tragen", erinnert sich die Frau. Sie öffnet die Tür. Vor ihr steht plötzlich ein junger Mann, etwa 1,65 Meter groß, leicht korpulent. Er hat helles Haar und trägt eine Brille sowie einen Hut. Er fragt: "Rate mal wer ich bin?" Die Ahrensburgerin ist irritiert, woraufhin der Mann sagt: "Du bist meine Tante. Erkennt du mich nicht?" Die Rentnerin hat Familienangehörige, die im Harz leben. Sie überlegt, ob es der Sohn einer Verwandten sein könnte, die sie lange nicht mehr gesehen hat. Während sie grübelt ist, fragt der junge Mann mit dem feinen Schnurrbart, ob er in die Wohnung kommen könne. "Tante, ich habe hier einen Umschlag mit viel Geld. Das möchte ich bei dir sicher hinterlegen. Wo versteckst du dein Geld vor Einbrechern?", möchte er wissen und holt einen weißen Umschlag aus der Innentasche seiner grau-blauen Windjacke.

Dora W. wird skeptisch. "So einen Blödsinn habe ich noch nie gehört", denkt sich die Rentnerin und stellt Fragen. Sie erkundigt sich nach ihrem Bruder Ernst, der im Harz lebt und nach Anja, seiner vermeintlichen Mutter. "Ernst hat Lungenkrebs. Im Herbst haben es die Ärzte diagnostiziert. Anja geht es gut", antwortet der Mann.

Wie sich später rausstellen wird, versucht der Betrüger, die Bestürztheit über die schwere Krankheit des Bruders auszunutzen. Doch Dora W. bleibt misstrauisch und sagt, sie habe kein Geld daheim. Der Kriminelle ändert seine Taktik. Er holt nun zwei 100-Euro-Scheine aus seiner Tasche und fragt, ob W. ihm das Geld in vier 50er wechseln könne. Doch die Ahrensburgerin betont erneut, dass sie daheim kein Geld habe. Kurz darauf verlässt der junge Mann die Wohnung der Seniorin.

"Die Frau hat sehr gut reagiert", sagt Michael Metzler, stellvertretender Leiter der Ahrensburger Kriminalpolizei. Denn der Beamte kennt die Tricks der Kriminellen. "Sie versuchen, gutgläubige Menschen in die Situation zu bringen, helfen zu müssen", sagt der Polizist: "Sind sich Betroffene unsicher, ob es sich um einen Verwandten handelt, sollten sie ein gesundes Maß an Misstrauen haben und beispielsweise wie Frau W. Fragen stellen." Wichtig sei es auch, niemals zu erkennen zu geben, dass Geld im Haus ist. "Am besten sollten Menschen, die sich nicht sicher sind, den Unbekannten gar nicht in die Wohnung lassen", sagt Metzler und fügt hinzu: "Betroffene sollten ihn freundlich bitten, vor der Tür zu warten, diese schließen und jemanden aus der Familie anrufen und fragen, ob dies ein Verwandter ist." Ist sich das Opfer sicher, einen Betrüger vor sich zu haben, sollte es genauso vorgehen, jedoch statt des Familienangehörigen die Polizei rufen.

Dora W. rief sofort bei ihrem Bruder Ernst in Bad Harzburg an, der sich allerdings bester Gesundheit erfreute. "Ich habe meiner Schwester gesagt, dass sie sofort bei der Polizei Anzeige erstatten soll", sagt Ernst W., der über die dreiste Masche des Trickbetrügers entsetzt ist: "Der wollte offenbar meiner Schwester mit der Krebsdiagnose einen Schock versetzen, damit sie dann leichtsinnig wird."

Dem Ahrensburger Kriminalbeamten ist diese Masche bekannt, wobei die meisten Trickbetrüger anders vorgehen. Sie blättern in Telefonbüchern nach Vornamen, die älteren Menschen zuzurechnen sind. Dort rufen sie an und stellen die Frage: "Na, weißt du wer ich bin." Das Opfer nennt einen Namen. Als dieses Familienmitglied gibt sich der Kriminelle nun aus. Er sagt, dass er in Not sei und dringend Geld bräuchte. Jedoch könne er das Geld selbst nicht abholen und einen Boten schicken.

Zahlreiche gutgläubige Menschen sind auf diese Weise schon um ihr Erspartes gebracht worden. Wie der Ahrensburger Fall nun belegt, spähen Kriminelle ihre Opfer offenbar auch an der Wohnungstür aus. (abendblatt.de)