Ihre Freunde müssen machtlos zusehen, wie ein Teufelskreis aus gescheiterten Beziehungen, Drogen und Alkohol in den Abgrund führt.

Hamburg. Jeden Tag sehen wir Jugendliche, die den Weg in eine Welt wählen, die geprägt ist von Drogen, Sex, Sucht und vielen anderen Problemen. Doch woran liegt das? Liegt es an der schwierigen Kindheit? An den sich ständig streitenden Eltern, der alkoholabhängigen Mutter oder dem gewalttätigen Vater? Oder sind es doch die erfolgreichen Eltern, die ihrem Kind das Gefühl vermitteln, unerreichbare Erwartungen erfüllen zu müssen? Aus den verschiedensten Gründen stürzen sich Jugendliche geradezu in Probleme. Manche von ihnen spüren auf diese Weise endlich einmal die Aufmerksamkeit ihrer Eltern und ihres Umfeldes.

Ich selbst habe einen solchen Absturz in meinem Umfeld miterlebt. Anfangs führte diese Freundin von mir ein normales Leben. Dazu gehörten sich liebende Eltern, zwei Brüder und ein Haus in der Nähe von Bad Segeberg.

Als erstes Problem kann man sicherlich die Depression ihrer Mutter bezeichnen. Plötzlich muss die Tochter für ihre Mutter sorgen, dabei sollte es doch eigentlich andersherum sein. Das Mädchen bekommt keine Aufmerksamkeit, keine Liebe mehr. Sie beginnt damit, sich selbst zu verletzen, um überhaupt noch irgendetwas zu spüren.

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Bereits in der sechsten Klasse geht sie ihre erste Beziehung ein. Endlich einmal hat sie das Gefühl, geliebt zu werden, wichtig zu sein und an erster Stelle zu stehen. Dieses Gefühl tut ihr so gut, dass sie alles zulässt und der Junge gegen ihren Willen mit ihr schläft. Danach trennt sie sich von ihm. Sie flüchtet sich von einer kurzen, belanglosen Beziehung in die nächste. Nichts davon macht sie glücklich, aber sie kann und will nicht mehr allein sein. Ständig braucht sie eine Person, von der sie ihr gesamtes Glück abhängig machen kann. Schließlich trifft sie jemanden, der ihr zum ersten Mal wirklich Halt zu geben scheint. Bis er sich mit der Begründung, er brauche Abwechslung, von ihr trennt.

Es folgt die nächste Beziehung, doch die sorgt dafür, dass zu Alkohol und Zigaretten, welche seit Jahren konsumiert werden, auch Marihuana hinzukommt. Sie ist den größten Teil ihrer Zeit bei ihrem Freund. Gemeinsam verbringen sie die Tage lieber mit Drogen als damit, zur Schule zu gehen. In dieser Beziehung entwickelt sich auch eine Essstörung.

Mit 15 wird sie schwanger. Sie weiß nicht, was sie tun soll, und sucht gemeinsam mit ihrem Freund, seinen und ihren Eltern nach einer Lösung. Ihr Freund möchte das Kind behalten. Er traut sich zu, Vater zu werden. Sie jedoch kann von Anfang an keine Bindung zu dem ungeborenen Menschen in ihrem Innern aufbauen, sie lässt ihm gegenüber keine Gefühle zu, außer Hass.

Sie entschließt sich zu einem Abbruch der Schwangerschaft. Kurz darauf folgt auch der Abbruch der Beziehung.

Als ihre Freunde machen wir uns Tag für Tag mehr Sorgen um sie, wollen ihr helfen, doch können es nicht, weil sie niemanden an sich heran lässt. Wir beobachten tatenlos, wie sie sich immer weiter in Drogen und ihre Essstörung flüchtet, wie ihre schulischen Leistungen und ihr Lebenswillen immer mehr nachlassen.

Erneut folgt eine Beziehung mit jemandem, der sie jedoch aufzubauen scheint, der ihr helfen kann. Für einen Außenstehenden wirkt es, als würde sie sich erholen. Dies stellt sich bald als Irrtum heraus. Sie schluckt eine Überdosis Schlaftabletten. Sofort wird sie in eine Klinik eingeliefert. Sie überlebt. Die Gründe für dieses Handeln aber verschwinden nicht so leicht. Sie ist 16 und kann auf Jahre voller verstörender Erlebnisse zurückblicken. Wir alle können nichts tun, wir müssen zusehen, wie sie sich einen Stein nach dem anderen in den Weg legt. (abendblatt.de)