Kachelmann-Anwalt Johann Schwenn geht Zeugen im Prozess um den Tod einer jungen Mutter in der Oldesloer Asklepios-Klinik hart an.

Ahrensburg. In leicht gebückter Haltung sitzt sie da, hat ihre Hände zwischen die Knie geklemmt. Die Frau mit den schwarzen langen Haaren, die über ihr graues Wollkleid fallen, wirkt angespannt, als sie der Anwalt wieder und wieder befragt. Der Anwalt ist nicht irgendein Jurist. Es ist der Kachelmann-Anwalt Johann Schwenn. Er vertritt eine ehemalige Ärztin der Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe, die sich derzeit gemeinsam mit einem leitenden Oberarzt des Krankenhauses wegen fahrlässiger Tötung vor dem Ahrensburger Amtsgericht verantworten muss (wir berichteten).

Im Januar 2008 war eine junge Frau nach der Geburt ihres Sohnes ums Leben gekommen. Es hatte nach einem Kaiserschnitt Komplikationen gegeben, die 20-Jährige war vermutlich nach einem großen Blutverlust ins Koma gefallen und später gestorben. Ob es diesen Blutverlust gab, wie schwer der war, wer dafür verantwortlich zumachen ist und wer die Lage falsch eingeschätzt hatte, das soll nun vor Gericht geklärt werden.

Schwenn hat die Hebamme Carla F. (Namen von der Redaktion geändert) unter Beschuss. Die 44-jährige Reinfelderin im Wollkleid wirkt unsicher, lässt sich viel Zeit mit den Antworten. Immer wieder antwortet sie auf die Fragen von Schwenn, aber auch die von Richter Ulf Thiele und der Staatsanwaltschaft mit dem Satz: "Daran kann ich mich nicht mehr erinnern." F. hatte damals, vor fast vier Jahren, Dienst. Sie hatte die junge Frau, wir nennen sie Hanna Berg, betreut. Sie spricht im Gerichtssaal von einer "ganz normalen Geburt", bei der jedoch irgendwann "eine Verlängerung" zu sehen war. Dann habe sie auch einen Arzt informiert. Auch weil die junge Frau, die sich "gut leiten" ließ, irgendwann an ihre Grenzen gestoßen sei und um einen Kaiserschnitt gebeten hatte.

F., die mittlerweile nicht mehr als freie Hebamme für die Asklepios-Klinik tätig ist, kann sich daran aber eigentlich nicht mehr erinnern. Das alles könne sie nur noch aus ihrem Protokoll rekonstruieren. Auch daran, ob die Frau nach einem Kaiserschnitt mehr Blut als normal verloren hatte, könne sie sich nicht mehr von alleine erinnern. Auch nicht, ob es Probleme gegeben hatte. "Ich habe so viele Geburten betreut." Deswegen habe sie keine Details mehr im Kopf. Nicht nur einer der Gutachter, kann dies nicht nachvollziehen. Auch Anwalt Schwenn stellt immer wieder Nachfragen, stellt den Antrag, Unterlagen der Versicherung der Zeugin zu beschlagnahmen. Denn in der Beweisaufnahme nach dem Tod seien schwere Fehler gemacht wurden von der Staatsanwaltschaft. Die hätte die Zeugin viel eher zu einer Aussage bringen müssen.

Denn heute kann sie sich kaum erinnern. Auch Aussagen über mögliche Blutungen kann sie nicht machen.

Denn die soll es laut dem Freund der Verstorbenen gegeben haben. Sogar sehr stark. Nach einem Kaiserschnitt, für den sich die Mediziner erst nach vielen Stunden und mehrmaligen Bitten der Patientin entschlossen hätten, habe Hanna Berg sehr stark geblutet. Mehrmals hätten er und die Hebamme zusammen blutige Vorlagen und Binden gewechselt. Auch die Bettwäsche sei ausgetauscht worden, doch der Blutverlust sei normal, habe die Hebamme gesagt. Auch der Oberarzt, der später nach der Patientin gesehen habe, habe den Zustand als "normal" bezeichnet.

In der vergangenen Woche hatte der Arzt vor Gericht ausgesagt, dass der Blutverlust der Frau unter anderem nicht einschätzbar war, weil der Freund der Frau selbst mehrere Vorlagen und Binden gewechselt habe - ohne jemanden zu informieren. Die Aussagen des jungen Mannes standen dem jedoch gestern entgegen. "Ich habe auch mehrmals auf den Knopf gedrückt, weil sie weiter blutete." Lange sei niemand gekommen, da habe er selbst eine Vorlage gewechselt. Das aber dann auch der Hebamme mitgeteilt.

Der Freund der Verstorbenen wirkt gefasst. Anders als die Hebamme mit dem lückenhaften Gedächtnis erinnert er sich an fast jedes Detail der langen Nacht. In gebrochenem Deutsch erzählt der gebürtige Rumäne den Verlauf der Geburt, die er zunächst noch gefilmt hatte - "weil es doch ein schöner Moment werden sollte." Dass sie so enden würde, hätte er nicht gedacht. Erst sei ja alles gut gelaufen.

Doch dann sei eben alles irgendwann "ziemlich schlecht" gelaufen. Seine Freundin habe starke Schmerzen gehabt. Der Assistenzärztin, die jetzt neben Staranwalt Schwenn sitzt, macht er schwere Vorwürfe. Sie soll sich sehr ungeschickt bei der Periduralanästhesie (PDA) angestellt haben. "Sie war ein bisschen tollpatschig, meiner Meinung nach, hat beim ersten Mal ist ihr die Spritze aus der Hand gerutscht." Auch beim zweiten Versuch habe sie es nicht geschafft. "Das war ziemlich unprofessionell, das hat sie nicht im Griff gehabt", sagt der heute 29-Jährige. Das Schmerzmittel, das seine Freundin dann bekommen hatte, habe nicht gewirkt. Immer wieder hätte sie um einen Kaiserschnitt gebeten. Doch den Entschluss hätten Hebamme und Ärzte lange nicht umgesetzt. "Der Doktor ist sogar unfreundlich geworden."

Die Eltern der toten Mutter verfolgen die Aussagen aus der Mitte des Gerichtssaals. Sie sind Nebenkläger. Die Mutter knetet in ihrer rechten Hand immer wieder ein Taschentuch, mit dem sie sich hin und wieder die Augen trocken tupft. Ihr Gesicht wirkt so, als hätte sie tagelang nicht richtig geschlafen. Ihr Blick wirkt leer, dann und wann schüttelt sie den Kopf.

Das Verfahren wird Donnerstag mit weiteren Zeugen fortgesetzt.