Zwei Oldesloer Ärzte wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. 20-Jährige verlor viel Blut, bekam aber keine Transfusion. Mutter ist Nebenklägerin.

Ahrensburg. Als die Mutter von Hanna Berg (Name geändert) an diesem Morgen sah, dass der Freund ihrer Tochter in der Nacht auf ihrem Handy angerufen hatte, dachte sie, er wolle ihr sagen, dass ihr Enkelkind nun da ist. Ganz sicher dachte sie nicht daran, dass der Junge bei seinem Onkel aufwachsen würde und dass sie fast vier Jahre später im Ahrensburger Amtsgericht sitzen würde, als Nebenklägerin. Ihr gegenüber sitzen der Arzt und die Ärztin, die ihr Enkelkind auf die Welt brachten und die laut Anklage durch Unterlassung fahrlässig Schuld sind am Tod ihrer Tochter.

Hannas Schwangerschaft verlief normal, sie war so fit, wie man mit Babybauch sein konnte, sagt ihre Mutter gestern am ersten Verhandlungstag. Sie fuhr Hanna in die Asklepios-Klinik nach Bad Oldesloe, als ihre Tochter am Telefon berichtete, dass sie Fruchtwasser verloren hatte. Das war am Vormittag des 25. Januar 2008, einem Freitag, Hanna Berg war 20 Jahre alt. Ihr Tod, so die Anklageschrift, hätte verhindert werden können, wenn die Ärzte ihr früher Bluttransfusionen gegeben hätten. Ein Vorwurf ist, dass die Ärzte keinen Überblick hatten, wie viel Blut Hanna Berg nach dem Kaiserschnitt verlor, da sie die durchgebluteten Vorlagen, saugfähige Einlagen, nicht gewogen hätten. Hanna Berg sei sehr wahrscheinlich aufgrund des hohen Blutverlusts nach vier Tagen im Koma gestorben.

Die damals diensthabende Assistenzärztin möchte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Ihr damaliger Chef, der diensthabende leitende Oberarzt, möchte. Eingangs verliest er eine vorbereitete Erklärung. "Noch heute berührt es mich sehr. Ich habe bisher etwa 4500 Kinder zur Welt gebracht. Nicht jede Geburt ist einfach, aber wenn eine Mutter stirbt, ist es fürchterlich", sagt Dr. Wulfram H. Er habe Hanna Berg gegen 0.55 Uhr am Sonnabend im Kreißsaal kennengelernt. Ihr Muttermund sei weit geöffnet gewesen. "Die Patientin war schmerzgeplagt und unkooperativ. Der Versuch, sie zu einer normalen Geburt anzuleiten, scheiterte." Der Kaiserschnitt sei unproblematisch verlaufen, gegen 3.30 Uhr habe er sich daher in sein Dienstzimmer zurückgezogen. Auch der damals anwesende Anästhesist berichtet vor Gericht, dass die Patienten planmäßig wach wurde, ansprechbar war, die Schutzreflexe vorhanden waren, ihr Kreislauf stabil war.

Um 7.50 Uhr wurde Wulfram H. erneut zur Patientin gerufen, weil sie stark schmerzempfindlich gewesen sei. Er entfernte ein Koagel, eine gallertartige, geronnene Blutmasse, aus dem Unterleib. "Frau Berg hatte nach meinem damaligen Kenntnisstand beim Kaiserschnitt 500 Milliliter, durch den Blutklumpen 200 Milliliter und in den Vorlagen 600 Milliliter Blut verloren", sagt der Arzt. Beim Kaiserschnitt habe sich die Menge an einem Behälter ablesen lassen, das Koagel sei "frauenfaustgroß" gewesen, wie viel das etwa in Milliliter ergibt, sei Erfahrungswert. Und die Vorlagen seien "Strampelpeter Flockenwindeln" gewesen, eine davon fasse 200 Milliliter. "Ein wesentlicher Punkt ist, dass der Lebensgefährte von Hanna Berg auch selbst vollgeblutete Vorlagen gewechselt hat. Hätten wir das gewusst, hätten wir die Gabe von Bluttransfusionen angeordnet", sagt der Arzt. Nach ihrem damaligen Kenntnisstand hätten sie sich richtig verhalten.

Über Flockenwindeln wird viel geredet im Gerichtssaal. Warum fragt keine Krankenschwester nach, ob alles in Ordnung ist, wenn ein Angehöriger stets neue verlangt? Warum hat der Angehörige nicht von selbst gesagt, dass seine Freundin sehr viel Blut verliert? Er ist erst für kommende Woche als Zeuge geladen. Zum Prozessauftakt erzählt die Mutter. Hannas Lebensgefährte habe erzählt, dass er sogar die Bettwäsche wechseln hat müssen, weil diese durchgeblutet gewesen sei. Das hätte auffallen müssen, sagt Hannas Mutter.

Sie verbrachte die Nacht zu Hause. Die Wehen hatten den ganzen Tag gedauert, gegen Abend habe Hanna furchtbare Schmerzen gehabt. "Sie hat gesagt: Mama, ich glaube, ich bekomme nie wieder ein Kind." Am Morgen sah sie dann, dass der Lebensgefährte angerufen hatte. Und fuhr zurück in die Klinik, um ihren Enkel zu bewundern. "Ein süßer Junge", habe sie gedacht. Und dann gefragt, wo ihre Tochter sei. "Sie war leichenblass", sagt die Mutter. "Sie reagierte nicht auf mich, obwohl ihre Augen offen waren." Kurz darauf stand Hanna Bergs Herz still. Sie wurde wiederbelebt und kam auf die Intensivstation. Dort starb sie am 31. Januar.

Hannas Schwägerin ist ebenfalls als Zeugin geladen. Sie erzählt, einige Mitarbeiter des Krankenhauses hätten sich nach Hannas Tod mehrwürdig verhalten, hätten weggeguckt. "Eine Krankenschwester sagte: Es täte ihr sehr leid, ihr Beruf sei ihr Leben, das sollen wir ihr nicht kaputt machen." Und als sie Hannas Sohn aus dem Krankenhaus nach Hause holen wollte, habe sie um etwas Nahrung für ihn gebeten, diese sei ihr verweigert worden.

Darüber, dass so ein Verhalten unmöglich ist, herrscht Einigkeit im Gerichtssaal. Unstimmigkeiten gibt es bei der Frage, warum die Krankenakte als Dokumentation der Vorkommnisse nicht ausreicht, sondern sich das beteiligte Krankenhauspersonal nach dem Tod zusammensetzte, um ein gemeinsames Gedächtnisprotokoll zu verfassen. "Wenn jemand stirbt, geht man alles noch mal durch, um sicherzugehen, dass nichts vergessen wurde", sagt Tobias Z., damals Chefarzt für Frauenheilkunde in Bad Oldesloe. Er war damals im Urlaub, Wulfram H. sein Stellvertreter. Z. bezeichnet den Tod der Patientin als "schicksalhaftes Geschehen".