Polizei-Einsatzzentrale “Südwind“ überlastet. Jeder siebte Anrufer hört eine Bandansage und landet für bis zu zwei Minuten in der Warteschleife.

Lübeck/Bad Oldesloe. Zwei Minuten können im Notfall eine sehr lange Zeit sein. Aufgrund technischer Probleme und wegen Personalmangels kommt es ausgerechnet in der neuen polizeilichen Regionalleitstelle "Südwind" mit Sitz in Lübeck immer wieder zu zeitlichen Verzögerungen. Die Einsatzzentrale ist für die Kreise Stormarn, Herzogtum Lauenburg, Ostholstein und die Hansestadt zuständig. Nach einer Statistik der Polizeidirektion Lübeck landen rund 15 Prozent der Anrufer, die die 110 wählen, für bis zu 120 Sekunden in der Warteschleife. Das sind durchschnittlich 75 Anrufer pro Tag.

Für Detlef Hardt, Leiter der Opferschutzorganisation Weißer Ring in Lübeck, ein unzumutbarer Zustand: "Die wichtigste Aufgabe der Polizei ist es, Verbrechen möglichst zu verhindern, Menschen zu schützen. Die sofortige Erreichbarkeit muss in Fällen von höchster Not gewährleistet sein." Es sei aber zu begrüßen, dass die Polizei selbst auf das Defizit aufmerksam mache. Nun müssten Innenminister und Polizeiführung handeln und vor allem mehr Beamte einsetzen.

Ziel ist es, dass die Mitarbeiter nach neun Sekunden am Hörer sind

Die Polizeidirektion Lübeck hat bereits reagiert. "Wir werden die Regionalleitstelle personell verstärken, um die Anrufzeiten zu verkürzen", sagt Sprecherin Carola Aßmann. Im Landespolizeiamt in Kiel ist das Problem offenbar auch bekannt. Dort heißt es, dass die Arbeitsabläufe und die Personalsituation in allen vier Regionalleitstellen im Land noch überprüft und die Stellenzahl neu berechnet werde. Neue Mitarbeiter werde es nächstes Jahr geben. "Die genaue Anzahl steht noch nicht fest", sagte ein Sprecher.

In der noch jungen Regionalleitstelle "Südwind", die im Februar ans Netz ging, gehen täglich rund 500 Anrufe ein. Etwa alle drei Minuten klingelt das Telefon, meldet jemand einen Unfall, einen Raub, eine Schlägerei oder andere Straftaten.

Laut Polizei ist vorgesehen, dass 52 Mitarbeiter in vier Schichten jeden eingehenden Notruf innerhalb von neun Sekunden annehmen sollen. Das selbst gesetzte Ziel erreicht "Südwind" bei Weitem nicht. Lediglich 60 Prozent der Anrufer haben in der vorgesehenen Zeit einen der acht bis zwölf Beamten (je nach Einsatzzeit) an der Strippe. 85 Prozent der Anrufer werden innerhalb von 20 Sekunden angenommen - doch in jedem siebten Fall verstreichen bis zu zwei Minuten. Zum Vergleich: Beim Notruf im Kreis Soest (Nordrhein-Westfalen) wartet der Anrufer durchschnittlich 7,3 Sekunden. Lediglich in 0,08 Prozent der Notrufe vergehen mehr als 60 Sekunden.

Bei der Leitstelle "Südwind" ist zu Stoßzeiten - an Freitagabenden oder bei schlechten Wetterverhältnissen - die Gefahr groß, in der Warteschleife zu landen. "Fast jeder hat heute ein Handy", sagt Polizeisprecherin Carola Aßmann, "passiert ein Unfall, bekommen wir zahlreiche Anrufe, die dasselbe melden wollen." Und jeder Notruf nehme eine gewisse Zeit in Anspruch. Meldet ein Anrufer zum Beispiel eine Straftat, muss der Mitarbeiter der Leitstelle alle wichtigen Daten aufnehmen, damit diese an die Polizisten im Ort weitergegeben werden können. So ein Telefonat könne mehrere Minuten andauern.

Bei Telefonaten vom Handy gibt es immer noch technische Probleme

Hinzu kommen häufig technische Probleme. Carola Aßmann: "Anrufe, die von Handys eingehen, müssen erst über den Netzanbieter zur Leitstelle übertragen werden. Auch das dauert einige Sekunden. Das Problem: Der Anrufer hört bereits das Freizeichen, doch in der Leitstelle klingelt erst bis zu zehn Sekunden später das Telefon." Ob die technischen Routerzeiten verkürzt und damit entscheidende Sekunden gewonnen werden können, soll jetzt mit den Telefonanbietern geklärt werden.

Das Vorgehen begrüßt auch Detlef Hardt vom Weißen Ring. Entscheidend aber sei auch der Einsatz von weiteren Beamten am Notruf. Hardt: "Wenn ein Mensch in Todesangst den Einbrecher vor seiner Schlafzimmertür bemerkt, eine Frau in Panik vor einem Vergewaltiger flieht, der Geschäftsinhaber beim Überfall die Polizei alarmiert, dann können zwei Minuten über Leben und Tod entscheiden. Eine Tonbandansage, bitte nicht aufzulegen, wird dann wie eine Bankrotterklärung des Staates empfunden."