Das Kirchenamt eröffnet im Ahrensburger Missbrauchsskandal ein Disziplinarverfahren gegen den Ruhestandsgeistlichen Friedrich H.

Ahrensburg. Die Vorwürfe gegen den Ahrensburger Pastor Friedrich H. wiegen offenbar doch schwerer als bisher angenommen. H. wird sich im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal vor der Disziplinarkammer des Kirchengerichts verantworten müssen. Das hat die Nordelbische Kirche gestern bekannt gegeben. Was dem Pastor genau vorgeworfen wird, blieb unklar. Entsprechende Fragen des Abendblatts mochte H. nicht beantworten. Das kirchliche Disziplinarverfahren findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Kirchenleitung ist aber offenbar der Ansicht, dass die Beweise ausreichen, um den 70-Jährigen aus dem Dienst zu entfernen.

H., der seit 2006 im Ruhestand ist, galt bislang als Mitwisser des Missbrauchsskandals. Dessen Hauptfigur ist Pastor Dieter Kohl. Der hatte sich vor knapp einem Jahr einem Verfahren vor dem Kirchengericht dadurch entzogen, dass er seine Entlassung aus dem Dienst beantragte. Zugleich hatte er gestanden, in seiner Zeit als Pastor im Kirchsaal Hagen in den 80er-Jahren Jugendliche und junge Erwachsene sexuell missbraucht zu haben. Damit bestätigte er letztlich die Aussage eines Opfers, das sich im März 2010 an die damalige Bischöfin Maria Jepsen gewandt und damit den größten Missbrauchsskandal in der Nordelbischen Kirche öffentlich gemacht hatte.

H. und Kohl waren über Jahrzehnte hinweg Kollegen im Kirchsaal Hagen. Im Mai 2010 hatte H. gegenüber dem Abendblatt zugegeben, schon seit 25 Jahren von den Missbrauchsvorwürfen gewusst zu haben. Er habe aber nur "vielleicht ein Fünftel dessen geahnt, was tatsächlich in unserer Gemeinde und auf Konfirmandenfreizeiten geschah". Nun sei "schonungslose Aufklärung" nötig. Nach dieser Aussage nahm das Kirchenamt die Ermittlungen gegen H. auf. Im August räumte der Pastor dann ein, in den Jahren zwischen 1982 bis 1984 "intime Beziehungen" zu zwei Frauen im Alter von 17 und 18 Jahren unterhalten zu haben. Zum Geschlechtsverkehr sei es aber nie gekommen.

Im Dezember kamen weitere Vorwürfe hinzu. Das Kirchenamt bestätigte die Existenz von "zwei neuen schriftlichen Erklärungen, in denen Pastor H. sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden". H., der sich mittlerweile einen Anwalt genommen hatte, ließ dementieren: Es sei Unsinn, dass er junge Mädchen missbraucht habe.

Die Kirchenleitung sieht das offenbar anders. Vor jedem Gang vor die Disziplinarkammer des Kirchengerichts muss sie abwägen, ob die Klage Aussicht auf Erfolg hat. Im Mai hatte sie sich schon einmal mit dieser Frage beschäftigen müssen - im Fall von Heide Emse. Sie hatte 1999 als Ahrensburger Pröpstin von den Vorwürfen gegen Kohl erfahren und dafür gesorgt, dass der Pastor versetzt wurde. Aber warum wurde damals kein Disziplinarverfahren eingeleitet? Die Ermittlungen der Kirche in dieser Frage ergaben, dass die Dienstaufsicht nicht so funktioniert habe, wie es hätte sein sollen. Dennoch musste Emse nicht vors Kirchengericht. Bischof Gerhard Ulrich fand, die Chancen für eine Verurteilung stünden zu schlecht.

Ulrich ist deshalb auch in Ahrensburg scharf kritisiert worden. Bei H. schlägt der Bischof nun einen anderen Weg ein - den Gang vors Kirchengericht. Es tagt in Hamburg-Altona, im Haus der Diakonie in der Königstraße. Vorsitzender ist ein Stormarner: Bernd Wrobel, hauptberuflich Leiter des Amtsgerichts Reinbek. Ihm zu Seite stehen zwei Pastoren, ein weiterer Jurist und ein Laie, der weder Jurist noch Pastor ist. Weil das Gericht ehrenamtlich tätig ist, ist mit einer schnellen Entscheidung nicht zu rechnen. Zudem gibt es für die im Verfahren unterlegene Seite die Möglichkeit, eine zweite Instanz anzurufen - den Kirchengerichtshof in Hannover.

H.'s Interesse könnte es sein, das Verfahren möglichst in die Länge zu ziehen. Sollte er nämlich am Ende tatsächlich aus dem Dienst entfernt werden, verlöre er auch seine Pensionsansprüche als Pastor und müsste in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert werden - was mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden wäre.

Mit dieser Verzögerungstaktik hat H. offenbar schon begonnen. Nach Informationen dieser Zeitung hat er sich per einstweiliger Verfügung dagegen wehren wollen, dass die Kirche den Gang vors Hamburger Kirchengericht per Pressemitteilung publik macht. Doch das Verwaltungsgericht in Schleswig soll den Antrag abgelehnt haben. Pastor Friedrich H., der unlängst noch "schonungslose Aufklärung" des Missbrauchsskandals gefordert hatte, mochte sich auch dazu nicht äußern.