Gericht stellt Verfahren wegen zu hoher Geschwindigkeit gegen den Fotografen Konrad Witt ein. Die Kosten trägt der Steuerzahler.

Bad Oldesloe. Das Amtsgericht Ahrensburg hat noch vor der Verhandlung das Strafverfahren gegen Konrad Witt eingestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Berliner vorgeworfen, im Februar auf der A 1 bei Siek mit Tempo 100 in eine Baustelle gefahren zu sein. Erlaubt waren dort nur 60 Kilometer pro Stunde. Wie berichtet, bestritt der 37-Jährige die Vorwürfe vehement, versuchte immer wieder seine Unschuld zu beweisen. Doch die Mitarbeiter der Stormarner Bußgeldstelle sind sich sicher: Konrad Witt ist der gesuchte Raser auf dem Foto, dass der Blitzer der Polizei gemacht hat.

Beide Fronten waren so verhärtet, dass ein Richter darüber entscheiden musste, ob der Fotograf der gesuchte BMW-Fahrer ist. Der Fall ging an das Amtsgericht in Ahrensburg und sollte am Freitag verhandelt werden. Doch daraus wurde nichts: "Bereits vor einigen Wochen hatte uns das Gericht angeboten, das Verfahren einzustellen, jedoch unter der Bedingung, dass mein Mandant die dadurch ihm entstandenen Kosten selbst trägt", sagt der Rechtsanwalt Volker Ramge. Doch darauf ließ sich Konrad Witt nicht ein. Nun kam erneut ein Schreiben des Amtsgerichts, mit dem Hinweis, dass das Verfahren eingestellt wird. Und: Alle Kosten trägt die Staatskasse. Eine Begründung lieferte die Justiz nicht - muss sie auch nicht. "Der Richter ist in solch einem Fall nicht verpflichtet, seine Entscheidung inhaltlich zu begründen", sagt Ulrich Fieber, Sprecher des Ahrensburger Amtsgerichts: "Auch könne ein Richter seine Meinung ändern, wie in diesem Fall."

Denn bei der Einstellung eines Verfahrens aus Opportunitätsgesichtspunkten, wie es in der Behördensprache heißt, wird dem Beschuldigten grundsätzlich die Schuld zugesprochen. Jedoch kommt er mit einem blauen Auge davon. "Er muss dann nur seine notwendigen Auslagen selbst tragen, beispielsweise Anwaltskosten", sagt Fieber. Jetzt werden die Kosten, die dem Berliner Fotografen entstanden sind, von der Staatskasse getragen, also kommt der Steuerzahler dafür auf.

+++ Dieses Foto soll die Identität eines Rasers nachweisen +++

Für Anwalt Ramge war das ganze Verfahren ein Farce. Alles begann am 2. Februar um 10.29 Uhr. Das Radar der Polizei erfasste auf der A 1 ein Firmenauto des Unternehmens Studioline aus Dänischenhagen. Neun Tage später bekam der Chef des Fotostudios Post von der Bußgeldstelle in Bad Oldesloe. Die Verwaltungsmitarbeiter forderten ihn auf, den Fahrer zu benennen. Dieser Bitte kam der Geschäftsführer auch nach. Er schickte den Anhörungsbogen mit dem Namen eines litauischen Fotografen zurück, den das Fotostudio zu dem Zeitpunkt gebucht hatte.

Der Kreis war jedoch skeptisch: "Es ist nichts Neues und offenbar beliebt, bei Firmenautos gerne Fahrer aus Ländern östlich von Deutschland anzugeben", sagt Anja Kühl, Leiterin des Kreisordnungsamtes. Denn in der Regel werde ein solches Verfahren dann eingestellt. Deswegen machte sich ein findiger Verwaltungsmitarbeiter selbst auf die Suche nach dem Verkehrssünder und wurde im Internet fündig.

Denn die 120 Mitarbeiter der bundesweit verteilten Fotostudios sind mit einem Bild auf der Homepage des Unternehmens zu finden. Der Verwaltungsmitarbeiter musste lediglich das Blitzerfoto mit den Porträts auf seinem Bildschirm vergleichen. Sofort war er sich sicher: Konrad Witt ist der gesuchte BMW-Fahrer. Die Stormarner Behörde verschickte einen Bußgeldbescheid in Höhe von 143,50 Euro an die Berliner Adresse der Fotografen. "Da war ich fassungslos", sagt Konrad Witt. Denn er habe zum Tatzeitpunkt einen Auftrag in Frankfurt/Oder gehabt. Er schickte die Hotelrechnung an die Bußgeldstelle und hoffte, so seine Unschuld beweisen zu können. Doch dies reichte dem Mitarbeiter der Bußgeldstelle offenbar nicht, er blieb bei seiner Meinung. Der Fotograf schickte der Verwaltung eine eidesstattliche Versicherung seiner Arbeitskollegin, mit der in Frankfurt/Oder Fotos für eine Parfümerie machte. Doch auch dies half nichts.

"Besonders prekär ist bei der ganzen Geschichte, dass das Polizeifoto eine sehr schlechte Qualität hat und darauf der Fahrer nur sehr schlecht zu erkennen ist", sagt Volker Ramge, bestürzt über das Verhalten des Verwaltungsmitarbeiters. Deswegen reichte er eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Mitarbeiter der Bußgeldstelle ein. Anja Kühl wies diese als unbegründet zurück, sagte, dass der Mitarbeiter alles richtig gemacht habe. Deswegen landete die Sache schließlich bei Gericht und fand dort den Abschluss.

"Jetzt geht für meinen Mandanten endlich ein Albtraum zu Ende", sagt der Anwalt. Wobei die Geschichte allerdings noch nicht ganz beendet ist. Denn Ramge hatte während des laufenden Verfahrens auch eine Strafanzeige gegen den Mitarbeiter der Kreisbehörde gestellt. Er leitete ein Verfahren wegen falscher Verdächtigungen ein. Volker Ramge: "Aber ich gehe mal davon aus, dass dieses Verfahren ebenfalls eingestellt wird."