Der Berliner Konrad Witt sagt: “Ich bin nicht gefahren.“ Behörde vergleicht Fotos im Internet. Jetzt muss das Gericht entscheiden.

Bad Oldesloe. Die Fronten sind verhärtet. Mit allen Mittel versucht Konrad Witt seine Unschuld zu beweisen. Vergebens, die Mitarbeiter der Stormarner Bußgeldbehörde sind sich sicher: Der Berliner ist der gesuchte Raser, der im Februar dieses Jahres auf der A 1 bei Siek mit Tempo 100 in eine Baustelle gefahren ist. Erlaubt waren dort jedoch nur 60 Kilometer pro Stunde.

Den Beweis dafür liefere das Bild, das der Blitzer der Polizei gemacht hat - und ein Foto, das die Firma des 37-Jährigen auf der eigenen Homepage ins Internet gestellt hat. Denn der Geländewagen der Marke BMW, dessen Fahrer am 2. Februar um 10.29 Uhr vom Radar der Beamten erfasst wurde, ist ein Firmenauto. Zugelassen ist es auf ein Fotostudio in Dänischenhagen.

Nur Neun Tage nachdem der BMW-Fahrer in die Radarfalle tappte, bekam der Geschäftsführer der Firma Studioline auch schon Post von der Bußgeldstelle in Bad Oldesloe. Die Verwaltungsmitarbeiter forderten ihn auf, den Fahrer zu benennen. "Dieser Aufforderung kam er auch nach und gab an, dass ein Fotograf aus Litauen an diesem Tag mit dem Firmenwagen unterwegs war", sagt Volker Ramge, Anwalt des Beschuldigten Konrad Witt. Der Geschäftsmann schickte den Anhörungsbogen mit der litauischen Adresse zurück an die Bußgeldstelle.

"Es ist nichts neues und offenbar beliebt, bei Firmenautos gerne Fahrer aus Ländern östlich von Deutschland anzugeben", sagt Anja Kühl, Leiterin des Kreisordnungsamtes. Denn in der Regel werde ein solches Verfahren dann eingestellt. Dies wollte der Mitarbeiter der Stormarner Bußgeldstelle offenbar tunlichst vermeiden und machte sich selbst auf die Suche nach dem Raser. Ein offenbar leichtes Spiel, denn die 120 Mitarbeiter der bundesweit verteilten Fotostudios sind mit einem Bild auf der Homepage des Unternehmens zu finden. Der Verwaltungsmitarbeiter musste nur das Blitzerfoto mit den Porträts im Internet vergleichen und landete dabei offenbar einen Treffer.

In den Augen des Mitarbeiters ist Konrad Witt der gesuchte Raser, der kurz darauf einen Bußgeldbescheid in Höhe von 143,50 Euro an seine Adresse in Berlin zugeschickt bekam, mit dem handschriftlichen Hinweis, dass die Bilder mit denen im Internet verglichen wurden. "Ich war fassungslos", sagt Konrad Witt, der zum Tatzeitpunkt einen Auftrag in Frankfurt/Oder hatte. "Gemeinsam mit einer Kollegin hatte ich dort eine Woche lang für eine Parfümerie Kundinnen fotografiert", sagt Witt. Mit der Hotelrechnung glaubte der Fotograf seine Unschuld beweisen zu können.

Doch dies reichte dem Mitarbeiter der Bußgeldstelle offenbar nicht, er beharrte weiter darauf, dass der Berliner Fotograf der Verkehrssünder ist. Auch eine eidesstattliche Versicherung seiner Arbeitskollegin, dass Konrad Witt in Frankfurt/Oder war, half nichts.

"Ich kann dies einfach nicht nachvollziehen, zumal die Qualität des Polizeifotos sehr schlecht ist. Das könnte auch das Leichentuch von Turin sein", sagt der 37-Jährige.

Auch sein Anwalt ist über das Verhalten des Mitarbeiters erstaunt und hat sogar eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Kreis eingereicht. "Mein Mandant hat Beweise erbracht, dass er an diesem Vormittag nicht in Norddeutschland war. Zudem ist der wahre Verkehrssünder benannt worden. Dies hat die Behörde aber offenbar ignoriert", sagt Volker Ramge.

Anja Kühl wies die Dienstaufsichtsbeschwerde als unbegründet zurück. "Der Mitarbeiter hat alles richtig gemacht. Zudem ist es üblich, im Internet nach Bilder zu suchen, um Verkehrssünder zu überführen", sagt Kühl. Für den Anwalt von Witt ist dies absurd. Außerdem habe die Behörde nie ein Bild des Litauers verlangt.

Deswegen hat der Anwalt nun ein Strafverfahren gegen den Mitarbeiter der Kreisbehörde eingeleitet - und zwar wegen falscher Verdächtigungen. Auch der Verwaltungsmitarbeiter hat sich jetzt einen Anwalt gesucht. Ob sich dieser Tatverdacht jedoch erhärtet und es deswegen je zur Gerichtsverhandlung kommt, ist fraglich. Fest seht, dass sich beide Parteien am 11. November vor Gericht sehen werden. Dann wird ein Richter entscheiden müssen, ob der Mann auf dem Polizeifoto Konrad Witt ist und ob die Beweise des Berliners reichen, um seine Unschuld zu beweisen. Fest steht auch, dass es dieses Verfahren wohl nie gegeben hätten, wenn es online keine Bilder von Witt gegeben hätte. Anja Kühl: "Wir fahren nicht zur Firmenadresse und gucken, wer rein und raus geht. Die Recherche machen wir vom Schreibtisch aus."