Das Abendbaltt stellt Stormarner und ihre Berufe vor. Wir begleiten die Menschen einen Tag lang. Heute: Matthias Schmidt, Schädlingsbekämfer.

Er steht im schummrigen Licht an der Theke eines China-Restaurants mitten in Hamburg. Ein Wasserspiel plätschert im Hintergrund. Von der Decke hängen asiatische Lampions. Eine Chinesin zapft Getränke aus einem silbernen Hahn. In der linken Hand hält Matthias Schmidt einen schweren Werkzeugkoffer. Er trägt robuste Schuhe und eine rote Handwerkerweste. Es ist 12.10 Uhr. Doch essen will Schmidt nicht. Mit der Rechten reicht er dem Inhaber seine Visitenkarte über den Tresen. Ganz oben steht da Supella GmbH. Ein Lächeln breitet sich auf dem Gesicht des kleinen Chinesen aus. "Ah, Sie waren schon einmal bei uns vor zehn Jahren", sagt er. Schmidt ist erstaunt über die Gedächtnisleistung. Der Chinese streckt den Daumen seiner rechten Hand nach oben und fügt in feinem asiatisch angehauchten Singsang hinzu: "Sie haben damals richtig tolle Arbeit gemacht." Die Frau am Zapfhahn nickt und sagt: "Ja, seitdem haben wir hier keine Probleme mehr gehabt."

Matthias Schmidt kümmert sich um Probleme, die kein Restaurant, kein Bäcker und auch kein Hauseigentümer gerne hat. Er jagt Schädlinge. Er stellt Rattenfallen auf, stöbert auf Hausdächern nach Mardern, schmiert Giftgel gegen Schaben in kleinste Ritzen in der Wand oder sprüht Gift gegen Fliegen oder Ameisen. Seit einigen Jahren hat er eine eigene Firma mit vier Mitarbeitern mit Sitz in Großhansdorf. "Die Kunden wollen schnelle Lösungen haben, deshalb beauftragen sie mich."

2001 suchte der chinesische Restaurantinhaber eine Lösung. Schmidt bekämpfte damals Ratten und Schaben. Er tat das so nachhaltig, dass er bis zu diesem Tag nichts mehr von dem Restaurant gehört hatte. Doch weil er in der Nachbarschaft Rattenfallen kontrollieren musste, wollte er kurzerhand bei den ehemaligen Kunden nachfragen.

12.15 Uhr: China-Restaurant

"Sie wissen ja, dass Sie bestimmte Kontrollen vorweisen müssen", sagt er nun zum Inhaber. "Wir könnten das für Sie machen. Und Sie können es dann lückenlos gegenüber den Behörden vorweisen." Bevor er sich verabschiedet, deutet er auf seine Visitenkarte, die der Gastronom in der Hand hält: "Rufen Sie mich gerne an."

Draußen auf der Straße pfeift ein eisiger Wind, doch der kümmert Schmidt nicht. Er sagt: "Dem schicke ich gleich ein Angebot zu. Ich denke, da habe ich gute Chancen." Schädlingsbekämpfer Schmidt geht zurück zu seinem metallic-grauen Geländewagen. An der Seite steht www.marderjaeger.de . Matthias Schmidt bekommt es häufig mit Steinmardern zu tun. "Ich baue mit Kollegen gerade einen bundesweiten Notdienst auf", sagt der 44-Jährige, während er durch Hamburg fährt. "So kann ich zum Beispiel in der Region Hannover einen Kollegen vermitteln."

12.30 Uhr: Rattenkontrolle in Flottbek

Schmidt fährt Richtung Flottbek. Sein Handy klingelt. "Schädlingsbekämpfung Firma Supella, schönen guten Tag." Eine Frau ist am Telefon. Sie ist überrascht. "Wie kann ich Ihnen denn helfen?", fragt Schmidt. Er kneift die Augen zusammen und sieht dabei aus wie der ehemalige Radrennfahrer Jan Ullrich bei einem schweren Berganstieg. Dann sagt er: "Hier ist nicht die Techniker-Krankenkasse. Sie haben die Drei statt der Zwei gewählt." Er legt auf. "Das passiert jeden Tag fünfmal", sagt er und stöhnt. "Das nervt manchmal ganz schön." Schmidt hat keine Zeit zu verlieren. Der nächster Auftrag wartet.

Auf dem Gelände einer Wohnanlage muss der Kammerjäger zwanzig Rattenfallen kontrollieren. Nachdem er sein Auto geparkt hat, holt er den Werkzeugkoffer mit Handschuhen, Giftködern, Signalaufklebern und weiteren Utensilien von der Ladefläche. Dann beginnt er seinen Kontrollgang durch die Wohnanlage, rückt Mülltonnen beiseite, drückt sich durch feuchtes Grünzeug und zwängt sich an der Hauswand entlang. Ein Lageplan hilft ihm, die Fallen zu finden. Im Jargon der Schädlingsbekämpfer heißen diese Routinegänge MKS-Kontrollen. Die Abkürzung steht für Metall-Köder-Station.

Kammerjäger Schmidt kniet an einem hohen Gartenzaun vor einem silbern glänzenden, länglichen Metallbehälter. Er trägt Schutzhandschuhe aus Gummi. Mit einem kleinen Imbusschlüssel öffnet er die Falle und hebt den Deckel ab. Man erkennt an beiden Seiten Löcher, nicht einmal handtellergroß. In der Mitte des länglichen Kastens liegt ein Plastiksäckchen mit roten Körnern. "Da waren sie dran", sagt Schmidt.

Das Säckchen ist aufgeschlitzt, drumherum liegen einige der Körner. Die Tiere haben noch weitere Spuren hinterlassen. "Das ist Rattenkot", so der Fachmann und weist auf kleine dunkle Häufchen hin, die aussehen wie ein Krümel aus Erde. Aus seinem Koffer holt der Kammerjäger ein neues Plastikpäckchen und hängt es in die Falle. "All die Gifte, mit denen ich hier arbeite, gibt es auch im Baumarkt", sagt Schmidt verhalten. "Das sind bei Ratten vorwiegend Blutgerinnungshemmer." Doch sei die letale Dosis je nach Präparat unterschiedlich hoch. "Bei Flocoumafen", Schmidt hält einen blauen Drops hoch, der aussieht wie ein Bonbon, "reichen 15 Gramm, um einen 15 Kilo schweren Hund zu töten." Bei Ratten reicht ein Bruchteil. Bei dem Gift in den Plastiktüten liege die letale Dosis bei 200 Gramm pro Kilo Hund.

"Im Baumarkt stehen die Gifte aber nebeneinander", betont Schmidt. "Die Kunden kennen die Unterschiede aber meistens nicht." Es gelte beim Einsatz der Chemie auch, die Umwelt nicht stärker als nötig zu belasten. "Unser Ziel ist, eine sichere, erfolgreiche und nachhaltige Lösung zu finden", sagt der Schädlingsbekämpfer. "Dabei wird eine Vorbeugung immer wichtiger, um den Einsatz von Giften zu vermeiden und so die Umwelt zu schonen."

Schmidts Firma ist Mitglied im Berufsverband Verein für ökologische Schädlingsbekämpfung. "Man muss sich eben auch Gedanken über die eigene Arbeit machen", sagt der Kammerjäger. Schon früh hat der 44-Jährige in einer Firma für Schädlingsbekämpfung ausgeholfen, an der sein Onkel beteiligt war. Später arbeitete er mit seinem Bruder zusammen, den er vor einigen Jahren ausbezahlt hat. Schmidt: "Wohl mehr als zwei Drittel meiner Kunden sind in Hamburg, der Rest außerhalb."

13.35 Uhr: Vernebelungsaktion

Nach seinem Kontrollgang in Flottbek muss Schmidt telefonieren. "Am Sonnabend mache ich eine Vernebelung in einer Bäckerei gegen Motten und Kakerlaken", sagt er und greift zum Handy. So eine Vernebelung ist aufwendig und will koordiniert sein. "Das kann ich nicht alleine machen, weil ich die nötige Ausrüstung dafür gar nicht habe." Mit einem Kollegen wird er geschützt durch weiße Overalls und Atemmasken in der Bäckerei Gift versprühen und so den Raum "einnebeln".

Der Einsatz ist für übermorgen geplant. "Dafür müssen alle Rauchmelder abgeschaltet sein, weil die sonst losgehen würden", sagt der Kammerjäger. "Und das muss vorab angemeldet werden." Schmidt bespricht sich mit einem Kollegen und bestellt dann bei einem Großhändler in Stuttgart Flaschen mit dem Giftspray. "Da werden wir fünf bis sechs Stunden im Einsatz sein", schätzt Schmidt.

13.45 Uhr: Mittagspause

Doch ohne Mampf kein Kampf - auch nicht gegen Schädlinge. Mit seinem Geländewagen steuert der Schädlingsbekämpfer ein Schnellrestaurant an. Kaum sind Burger und Pommes Frites verdrückt, telefoniert Schmidt noch einmal mit dem Großhändler in Süddeutschland. "Ich will nur sichergehen, dass die Lieferung auch morgen bei mir ist", sagt er. Und er stimmt ab, welche Dosis für den Einsatz nötig ist. An den großen Scheiben des Restaurants rinnen Regentropfen herab. Schmidt läuft zum parkenden Wagen. Weiter gehts.

15 Uhr: Fliegenalarm

Schmidt steuert ein Großunternehmen an. "Gestern haben die mich angerufen, weil sie in einem Raum einen Fliegenbefall haben", erläutert er. Er parkt den Wagen auf dem Firmengelände, geht dann zur Anmeldung. Der Schädlingsbekämpfer trägt sich in eine Liste ein und erhält einen Besucherausweis. Dann wird er abgeholt und zu dem Raum geführt - einer Toilette. An der Fensterscheibe tummeln sich kleine Fliegen. "Die sind durch eine offene Rohrleitung gekommen", analysiert Schmidt, dessen Arbeit häufig der eines Detektiven gleicht. Es handelt sich um eine Fruchtfliegenart. Mit Atemschutzmaske vor dem Gesicht versprüht der Schädlingsdetektiv ein Spray. Mehr kann er jetzt nicht tun.

15.50 Uhr: Rattenjagd vor einer Pizzeria

Schmidt sitzt wieder am Steuer seines Autos und fährt in Richtung Osten. Auf der Auftragsliste, die an einem schwarzen Klemmbrett hängt, steht noch ein weiterer Auftrag. MKS-Kontrolle am Gebäude einer Pizzeria. Schmidt klopft an der verschlossenen Eingangstür. Nichts rührt sich. "Keiner da", sagt er. "Macht nichts." Der Kammerjäger steuert eine der beiden Rattenfallen an der Hauswand an. Blumenkästen und Gartengerät räumt er vorsichtig aus dem Weg. Dann hebt er eine Tonplatte vom Beet, die direkt vor der Wand liegt. Ein tiefes Loch wird sichtbar. Weitere kleinere Löcher in der Nähe beweisen: Hier hausen Ratten. Doch der Köder ist unberührt. "Ich hatte beim letzten Mal auch Gift direkt in die Löcher gegeben", so Schmidt. Er nimmt einen Draht aus der Werkzeugkiste und hängt an das Ende einen Köder, der an einen Putzschwamm erinnert. Er führt ihn in eines der Löcher ein und befestigt ihn mit dem Draht an einer Pflanzenstrauch. Dann stellt er alles so hin, wie es war. Kontrolle beendet.

16.40 Uhr: Aufträge abgearbeitet

Matthias Schmidt hat seine Aufträge für heute abgearbeitet. Auf der Liste macht er sich auch zum letzten Einsatz Notizen und schreibt die Zeiten auf. Für die Abrechnung. Dann zückt er das Handy. "Im Justizministerium haben sie wohl ein Wespennest", sagt er noch, bevor er das Handy ans Ohr hält. Auch um diese Plagegeister kümmert sich der Schädlingsbekämpfer. Wie bei den Mardern ist Schmidt auch bei Hornissen und Wespen dabei, einen Notdienst aufzubauen. Doch heute geht beim Ministerium keiner mehr ans Telefon. "Vor 9 und nach 16 Uhr darf man da wohl nicht mehr anrufen", sagt Schmidt grinsend und dreht den Zündschlüssel seines Geländewagens um.

17.30 Uhr: Rechnungen schreiben

Mehr als 150 Kilometer hat Matthias Schmidt an diesem Tag zurückgelegt. Hat auf dem Boden eines Einfamilienhauses in Großhansdorf nach Marder- und Mäusespuren gesucht, war in Ahrensburg und Hamburg in Gärten, Holzschuppen und an Hauswänden den Ratten auf der Spur, hat Fliegen mit Gift eingenebelt und unterdessen noch die nächsten Tage vorbereitet. Nun geht es zurück ins Büro, wo der Tag um 8 Uhr für ihn am Computer begonnen hatte. "Jetzt schreibe ich noch einige Rechnungen und natürlich das Angebot für die chinesischen Restaurantbetreiber in Hamburg", sagt Schmidt. Und mit einem Lächeln fügt er hinzu: "Ich glaube, da habe ich wirklich gute Chancen."