Stress, Lärm, fehlende Zeit: Es gibt zu wenig Erzieher für den steigenden Betreuungsbedarf. Gründe sind geringe Bezahlung und hohe Belastung.

Ahrensburg. Den ganzen Tag mit Kindern spielen und Kaffee trinken - dieses Vorurteil hält sich in vielen Köpfen, obwohl die hohen Belastungen im Erzieherberuf mittlerweile hinlänglich belegt sind. Wer selbst Kinder hat oder wenigstens einmal stundenweise auf mehrere aufpassen musste, weiß, was Kindergärtnerinnen und Erzieher in Krippen und Horten tagtäglich leisten. Stress, Lärmbelastung, fehlende Zeit, um auf jedes Kind einzeln einzugehen, obwohl immer mehr Kinder intensivere Betreuung bräuchten - die Liste der Klagen ist lang. Hinzu kommt das geringe Einkommen, das Erzieher nach fünf Jahren Ausbildungszeit erhalten. Vielerlei Gründe, weshalb der Beruf so einen schlechten Ruf hat. Den aber viele junge Menschen in den kommenden Jahren ergreifen müssten, um den Fachkräftemangel, der sich durch den massiven Kita-Ausbau ankündigt, auszugleichen (wir berichteten).

Eine, die den Beruf ergriffen hat, ist Dörte Meckes. Die 25-Jährige arbeitet seit drei Jahren in der evangelisch-lutherischen Kindertagesstätte "Kleine Nordlichter" in Ahrensburg. Für sie ist es ein Traumberuf. Doch auch sie sagt: "Es muss sich etwas ändern." Vor allem finanziell. Meckes hat im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen eine ganze Stelle und verdient netto etwa 1400 Euro pro Monat. "Ich musste lange darauf hinarbeiten, um überhaupt eine Ganztagesstelle zu bekommen", sagt die junge Erzieherin.

Eine halbe oder 27-Stunden-Stelle, wie sie oftmals üblich ist, konnte sie sich nicht vorstellen. "Man würde zwar irgendwie zurechtkommen, aber am Ende des Monats bleibt dann nicht viel über, um sich etwas aufzubauen." Sie weiß, viele ihrer Kolleginnen müssen sich deshalb noch etwas dazu verdienen, um über die Runden zu kommen. "Das Problem ist ja auch, dass man bereits in der Ausbildungszeit nichts verdient", sagt Meckes, die erst zwei Jahre lang eine Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin machte. Um daran dann die drei Jahre dauernde Erzieherausbildung anzuschließen, musste sie sich mit Nebenjobs als Kellnerin über Wasser halten.

Die geringen Verdienstaussichten aber sind nur ein Grund, weshalb viele Erzieher sich nach wenigen Jahren für einen Berufswechsel entscheiden, weiß Marlies Kuhnert, Leiterin der Kindertagesstätte "Kleine Nordlichter". "Der Beruf hat sich sehr gewandelt." Die Anforderungen seien gestiegen. Zwar sind die Kindergartengruppen mit 20 Jungen und Mädchen und ein bis zwei Betreuern pro Gruppe in etwa gleich, doch müssten die Erzieher heute mehr leisten als früher. "Vor 20 Jahren hat man sich morgens ,Guten Morgen' gesagt und dann gebastelt. Heute sagt man sich zwar auch noch ,Guten Morgen', es wird auch noch gebastelt, aber die Ansprüche, was Kindergärten und damit die Erzieher leisten müssen, sind extrem gestiegen", sagt Kuhnert. Lernmotivation, Leistungsbereitschaft, Intelligenz und Kreativität der Kinder müssten gefördert werden. Für jedes Kind werde heute eine kleine Beurteilungsmappe geführt. Die Schreibarbeit sei mehr geworden, dazu kämen Elterngespräche.

Insgesamt seien Kinder heute betreuungsintensiver, da vieles nicht mehr so zu Hause gelernt werde, wie es sein sollte. "Es gibt Kinder, die haben mit drei Jahren schon einen eignen Fernseher im Kinderzimmer, den sie anschalten können, wann sie wollen. Das hat natürlich Auswirkungen. Es gibt auch immer mehr sprachauffällige Kinder." Kindertagesstätten müssten heute leisten, was Familien nicht mehr leisten können. Und dies alles mit ein bis zwei Betreuerinnen für eine 20 Kinder starke Gruppe. "In Ahrensburg liegt der Betreuungsschlüssel für Elementargruppen bei 1,5", erklärt die Einrichtungsleiterin. Dabei müssten, um die Kinder auf die Schule optimal vorzubereiten, viel mehr Erzieher eingesetzt werden. Kuhnert sagt: "Das leisten sich wenige Kommunen, weil es eben auch seinen Preis hat."

Viele der älteren Kollegen hätten sich bereits damit abgefunden, dass nicht alles zu schaffen sei, und die Förderung, die Kinder bräuchten, häufig auf der Strecke bleibt. Aber für die Jüngeren sei der Berufsalltag nicht selten so desillusionierend, das einige den Beruf wieder wechseln. "Die jungen Leute fangen ganz idealistisch an, wollen alles, was sie auf den Fachschulen gelernt haben, umsetzen."

Diese Erfahrung hat auch Dörte Meckes nach drei Jahren gemacht. "Die Theorie ist das eine, die Praxis ist das andere", sagt sie ernst. Ihr Traumberuf aber bleibe es dennoch. "Aber es wäre schön, wenn sich die Bedingungen ändern", sagt sie, macht eine Pause und fügt hinzu: "Und der Beruf mehr Wertschätzung erfährt. Wer behauptet, wir spielen nur mit Kindern und trinken den ganzen Tag nur Kaffee, der weiß einfach nicht Bescheid."