900 Volt Spannung auf Solardächern erschweren Rettern im Notfall die Arbeit - Informationen über eingebaute Anlagen könnten helfen.

Großhansdorf. Solaranlagen auf Hausdächern werden für die Feuerwehren im Land in zunehmendem Maße zu einer Herausforderung. Durch Sturm oder Brand beschädigt, können sie für Einsatzkräfte schnell lebensgefährlich werden. Und die Zahl der Fotovoltaikanlagen steigt rasant an. Wo sie aufgebaut und wie sie beschaffen sind, ist hingegen unbekannt. "Die Montage ist genehmigungsfrei", sagt Großhansdorfs Bauamtsleiter Stefan Kroll. "Insofern wissen nicht mal wir im Rathaus darüber Bescheid." Das sei misslich. Auch ein Solarkataster gibt es für Stormarn noch nicht.

Die Großhansdorfer Feuerwehr ist nun daran, etwas gegen dieses Informationsdefizit zu unternehmen. Auf der Internetseite der Gemeindeverwaltung ist ein Formular abrufbar, das Hauseigentümer freiwillig ausfüllen und im Ordnungsamt abgeben können. Darauf können sie Angaben zu den technischen Besonderheiten ihrer Solaranlage machen und eine Lageskizze zeichnen. Die Dokumente werden im Einsatzleitfahrzeug der Feuerwehr aufbewahrt. Eine zweite Ausfertigung sollte im Haus aufbewahrt werden - an einer Stelle, an der sie für die Feuerwehr gut zu finden ist.

+++ Solaranlagen auf dem Dach rechnen sich künftig weniger +++

"Jede Information hilft uns", sagt Gemeindewehrführer Andreas Biemann. Und es geht nicht nur um die Gesundheit und das Leben seiner Kameraden. Auch die Hausbesitzer profitieren davon: Feuerwehrleute, die in einem Notfall sofort wissen, was sie am Einsatzort erwartet, können schneller mit dem Löschen beginnen. Dann lässt sich unter Umständen vermeiden, was im Februar 2010 in Schwerinsdorf im ostfriesischen Landkreis Leer geschah. Dort setzten die zu einem Zimmerbrand gerufenen Feuerwehren erst Löschwasser ein, als sie sicher waren, dass von der Fotovoltaikanlage auf dem Dach keine Gefahr mehr ausging. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Feuer schon ausgebreitet.

Beim Landesfeuerwehrverband in Kiel kommt der Großhansdorfer Vorstoß durchaus gut an. Mitarbeiter Holger Bauer sagt: "Wenn sich die Idee in Großhansdorf bewähren sollte, müssten wir durchaus darüber nachdenken, ob das landesweit übertragbar ist." Zumindest ein Schild mit der Aufschrift "Achtung: Solaranlage" sei wünschenswert für jedes Haus mit einem Sonnenkollektor auf dem Dach.

In der Feuerwehrausbildung gehört Solartechnik längst zum Unterrichtsstoff. "Der Umgang mit Fotovoltaik ist selbst im absoluten Schnelldurchgang ein abendfüllendes Thema", sagt Stormarns Kreisbrandmeister Gerd Riemann. Die Gefahr, dass ein Modul von einem brennenden Dach abstürze und einen Helfer treffe, sei da noch die kleinste. Schlimer: Strom, der sich nicht einfach so abschalten lässt.

Großhansdorfs Wehrführer Biemann: "Fotovoltaikanlagen erzeugen Gleichstrom. Erst an einem sogenannten Wechselrichter wird der Gleichstrom in Wechselstrom umgewandelt, erst dort kann die Stromversorgung unterbrochen werden." Die Fotovoltaikanlage selbst sei hingegen in den allermeisten Fällen nicht abschaltbar. "Die Stromerzeugung dort ist einzig vom Lichteinfall abhängig", sagt Biemann. "Sogar Mondschein oder unsere Flutlichtscheinwerfer reichen aus, um die Anlage in Gang zu setzen und Strom zu erzeugen." Strom mit einer Spannung von bis zu 900 Volt; schon 120 Volt können tödlich sein.

Doch wo verlaufen die Leitungen? Und wo befindet sich der Wechselrichter? Sitzt er womöglich doch direkt an den Sonnenkollektoren, wie es bei einigen Solarmodulen der neusten Generation mittlerweile der Fall? Das sind die im Notfall für die Brandschützer entscheidenden Informationen.

Nicht auf Hausdächern, sondern im Straßenverkehr hat sich das System mit den Infokarten bereits bewährt. Auf Initiative des ADAC sind vor knapp zwei Jahren sogenannte Rettungskarten eingeführt worden. Der Automobilklub hat dafür alle Fahrzeughersteller aufgerufen, wichtige Informationen für den Rettungsdienst nach einem standardisierten Schema darzustellen. Sie können auf der ADAC-Homepage abgerufen werden. Wo sind Karosserieverstärkungen verbaut? Wo sitzen die Gurtstraffer und Gasgeneratoren für Airbags? Zudem soll auf der Zeichnung erkennbar sein, wo Retter ihr technisches Gerät am besten ansetzen können. Wer eine solche Karte besitzt, sollte sie auf der Innenseite der Fahrersonnenblende aufbewahren und mit einem Aufkleber an der Windschutzscheibe darauf hinweisen, dass es sie gibt.