Das Fahrbahnnetz ist überaltert, der Zustand verschlechtert sich jedes Jahr. Experte fordert mehr Investitionen und eine Sanierungsstrategie.

Ahrensburg. Ingenieur Thomas Wittor wollte aufschrecken. Und entsprechend beeindruckt zeigten sich die Mitglieder des Bauausschusses von dessen Bericht im Rathaus über den Zustand der Ahrensburger Straßen. "Wenn Sie so weitermachen wie bisher, dann hat das Straßennetz 2030 den Zustandswert fünf", betonte Wittor. Ein Wert, bei dem Straßen mit Warnschildern versehen oder gar gesperrt werden müssen. Laut seinem Bericht haben bereits 20 Prozent des Straßennetzes diesen Zustand erreicht. "Ab dem Schwellenwert 4,5 sollten Baumaßnahmen ausgeführt werden", erläuterte der Ingenieur, der im Auftrag der Verwaltung alle fünf Jahre die Ahrensburger Straßen unter die Lupe nimmt. "Gerade bei stark befahrenen Straßen wie der Manhagener Allee, Woldenhorn oder Beimoorweg müssen die Decken erneuert werden", appellierte Wittor. "Da muss der Verkehr fließen, da muss Geld her."

Derzeit fließen nach Wittors Berechnungen im Jahr 1,1 Millionen Euro in den Neubau von Straßen. Geht man von einer Lebensdauer von 40 Jahren aus, so müsste die Stadt nach Meinung des Experten jedoch jährlich vier Millionen Euro aufwenden. Hinzu kämen noch die Unterhaltungsmaßnahmen. Wittor: "Hier gibt die Stadt momentan 0,9 Millionen Euro aus. Erforderlich wären bei der Länge des Straßennetzes von 130 Kilometern allerdings 1,7 Millionen." So verschlechtere sich der Zustand jedes Jahr um 0,21 Punkte. "2010 lag das Netz bei einem durchschnittlichen Zustandswert von 3,21." Ab dem Wert 3,5 kippt der Zustand von "mittelmäßig" auf "schlecht". "Das ist ein Warnwert, ab dem Maßnahmen geplant werden sollten."

Besonders schlecht sehe es bei der Altersstruktur des Netzes aus. "62 Prozent der Ahrensburger Straßen sind mehr als 29 Jahre alt und waren damit eigentlich für eine Lebensdauer von 20 Jahren ausgelegt", so der Straßenexperte. Grundsätzlich müsse sich die Politik Gedanken über eine Strategie machen, betonte Wittor. Entweder konzentriere man sich auf die Deckenerneuerung und saniere so kurzfristig mehr Fahrbahnstrecke, oder man baue auf die Straßenerneuerung und mache so den Kämmerer glücklich. "Durch Unterhaltungsmaßnahmen wird nur der Zustand gehalten, aber kein Euro an Vermögen für die Stadt angehäuft."

Wittor verwies auf das Beispiel der Stadt Zürich. "Dort hat das Tiefbauamt Mitarbeiter, die sich allein mit dem Vermögenserhalt beschäftigen." Jedes Jahr werde dort die Summe in das Netz investiert, die durch die Alterung der Straßen an Wert verloren geht. "Die sind dort natürlich an einem ganz anderen Punkt", sagte der Ingenieur.

Doch er lobte auch die Bemühungen Ahrensburgs. "Mit dem Straßenzustandskataster hat man vor elf Jahren eine objektive Möglichkeit geschaffen, die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen zu ermitteln." Eine solche Datenbank gebe es längst nicht überall, so der Ingenieur.

"Die Vorlage hat Wirkung gezeigt", sagte Bürgermeister Michael Sarach nach dem Bericht des Ingenieurs. Und zu den Ausschussmitgliedern gewandt fügte er hinzu: "Dies kann nur der Anfang sein. Die Erkenntnisse müssen Sie jetzt in die Fraktionen mitnehmen." Er wünsche sich eine "völlig neue" Haushaltsdiskussion. "Dabei müssen Pflichtbereiche definiert werden", so Sarach. "Es geht auch um ein Leitbild. Wir müssen einen Konsens finden über die Frage, was wir eigentlich wollen."

Thomas Bellizzi (FDP) sagte: "Die Diskussion ist nicht so sehr fachlicher, sondern vielmehr fiskalischer Natur. Wir müssen erkennen, was Pflicht ist und was Kür." Der Zustand der Infrastruktur sei ein erstrangiger Standortfaktor. "Wir müssen die Stadt für Firmen sowie junge Familien attraktiv halten und investieren", so Bellizzi. Monja Löwer (Grüne) erinnerte an die Finanzlage: "Ich sehe das Gesamtpaket. Und zu diesem gehören auch andere Dinge wie etwa Kitas. Das ist auch Pflicht." Sie sehe nicht, dass der Politik die Situation aus den Händen geglitten sei.

"Über Kita-Plätze reden wir aber bald nicht mehr, wenn wir bei den Straßen nichts tun", sagte Rafael Haase (SPD). Die Infrastruktur sei das eigentliche Vermögen der Stadt. "Der Unterbau einer Straße, all die Leitungen und Kabel kosten wirklich Geld. Das sieht nur keiner." Man müsse dazu kommen, jeder Straße ein gewisses Budget zuzuordnen. "Und dann wird jeweils entschieden, ob wir das Geld einer gewissen Straße wegnehmen wollen oder nicht."