Das Leben auf dem Land ist attraktiv. Das Arbeiten auch? Eine Abendblatt-Reporterin hat den Test gemacht und auf Gut Wulfsdorf als Erntehelferin gearbeitet
Es ist das scheppernde Geräusch von Stahl, der immer wieder auf seinesgleichen trifft. Ein Hämmern, das viele mit dem mittelalterlichen Handwerk in Verbindungen bringen. Doch es ist kein korpulenter Schmied des 13. Jahrhunderts, der immer wieder mit einem Hammer auf das Eisen schlägt und dieses Geräusch erzeugt. Es ist Constantin Maftei, der mir am Sonnabend auf dem Ahrensburger Gut Wulfsdorf gezeigt hat, wie früher auf dem Feld gearbeitet wurde. Immer wieder schlägt er mit einem rostigen Hammer auf die Innenseite des Sensenblattes. Er dengelt es. "So wird die Klinge besonders dünn und damit scharf", erklärt der 29-Jährige, der das alte bäuerliche Gerät bestens beherrscht. "Ich komme aus Rumänien. Dort hatten wir vor einigen Jahren noch keine Mähmaschinen. Als ich 16 Jahre alt war, musste ich die Felder mit der Sense mähen", erinnert sich Maftei, der vor acht Jahren als Erntehelfer nach Deutschland kam und seit drei Jahren auf dem Ahrensburger Bio-Hof als Gärtner arbeitet.
Er wird mir heute zeigen, wie das Arbeitsgerät, das insbesondere durch Gevatter Tod Bekanntheit erlangte, funktioniert. "Die Schulter- und Hüftbewegung ist ganz wichtig", erklärt der Gärtner mit leichtem Akzent und tippt auf seinen rechten Oberarm. Dann holt er mit der Sense auch schon aus und durchtrennt die Halme des Sommerweizens rund zehn Zentimeter über dem Boden. Er schneidet einen Halbkreis, geht einen Schritt nach vorn und zieht wieder einen Bogen. Das Getreide bleibt wie ein kleiner Wall rechts neben der Bahn liegen. Nach fünf Metern ist plötzlich Schluss. Das Sensenblatt muss wieder geschärft werden. Der 29-Jährige holt einen Sensenstreicher aus seiner grauen Latzhose und geht damit mehrmals gekonnt über die Klinge. Dann zieht er weiter seine Bahn durchs Kornfeld.
Die Bewegung sieht einfach aus. Eine Mischung aus dem Abschlagen beim Golf und dem Fegen mit einem Besen, denke ich mir und greife ebenfalls zur Sense. Doch während sich bei Constantin Maftei die rund 60 Zentimeter langen abgetrennten Weizenhalme akkurat am Wegesrand stapeln, zeichne ich eher unförmige Kornkreise in das Weizenfeld. Irgendwie stimmt bei mir offenbar der Einschlagswinkel nicht. Ich solle das Stroh nicht "streicheln", erklärt mir mein Lehrer und fügt hinzu: "Mit der Sense schafft ein Mann etwa ein Viertel Hektar am Tag." Ich merke schon nach wenigen Quadratmetern, dass meine Kraft schwindet und ich am Abend "Rücken" haben werde. "Die Spitze der Sense sollte möglichst nicht in die Erde stechen", sagt Maftei, der offenbar immer ein Lächeln auf seinem Gesicht trägt. Wenn er mit der Sense durchs Feld geht, kann man hören, wie die Strohhalme zerschnitten werden. Bei mir ist eher ein reißendes Geräusch zu hören. Ich gebe auf. Es ist die reinste Knochenarbeit, vor allem wenn ich bedenke, dass pro Quadratmeter nur eine Handvoll Körner abgeerntet werden.
Doch bis die Spreu vom Weizen getrennt werden kann, muss das Getreide zunächst eingesammelt und zu sogenannten Garben gebunden werden. Constantin Maftei macht es vor: "Erst mal brauchen wir eine Binde", sagt er und nimmt in jede Hand mehrere Strohhalme. An den Enden legt er sie zusammen und dreht sie in einander, so als ob er sein nasses Handtuch auswringen würde. Eine Technik, die Maftei offenbar auch im Schlaf beherrscht. Anschließend rafft er einen Strauß Weizen zusammen und umwickelt diesen mit der Binde. Ein Knoten hält das Strohbündel zusammen.
Auch ich brauche für den abgetrennten Weizen, der auf meiner Bahn kreuz und quer rum liegt, eine Binde. Genauso wie der Meister nehme ich je eine Handvoll Weizen und versuche, die Halme zu einer Schnurr zu verdrillen. Sofort spüre ich, dass mir für diese Arbeit offenbar die Hornhaut an den Händen fehlt und sich immer wieder spitze Strohhalme in meine Handflächen bohren. Ich entscheide mich für die Flechttechnik. Normalerweise würden diese Bündel jetzt in eine Halle gebracht werden, in der die Körner aus der Spelze geschlagen würden. Moderne Agrarmaschinen machen diesen Arbeitsschritt schon seit mehreren Jahrzehnten hierzulande überflüssig. Zudem ernten moderne Mähdrescher pro Stunde auf zwei Hektar Getreide. Wie bereits der Name der Maschine sagt, mäht das Gerät nicht nur das Getreide, sondern löst die Körner in einer Dreschertrommel von der Pflanze. Die Körner rieseln anschließend in einen Hänger.
"Dies ist aber nur bei Weizen und Roggen möglich. Wir bezeichnen diese Getreidesorten als freidreschend", sagt die Agraringenieurin Martina Sträßer, 49. Doch damit die Körner durch reines Schütteln rausfallen, muss die Pflanze trocken sein. Dies ist derzeit, obwohl Erntezeit ist, nicht der Fall. Sträßler zieht ein Weizenkorn aus der Spreu und drückt es zwischen zwei Fingerkuppen zusammen. "Das ist viel zu feucht und deswegen ganz weich", sagt sie.
Zudem ist das weiche Korn nahezu geschmacklos, wie ich im Selbstversuch feststelle. Wegen des feuchten Klimas guckt der Pächter und Bauer Georg Lutz besorgt auf sein 300 Hektar großes Land. Der 54-jährige Mann mit dem markanten Gesicht baut dort seit 22 Jahren diverse Getreide- und Gemüsesorten an. Genauso wie zahlreiche andere Bauern im Land hofft er auf länger andauerndes trockenes Wetter. "Ich rechne, dass wir dieses Jahr Ernteeinbußen von etwa zehn Prozent haben werden", sagt er und verschränkt dabei seine braun gebrannten Unterarme.
Sobald das Wetter es zulässt, wird er den im Frühjahr gesäten Sommerweizen ernten. Die Körner dürften dann zwar immer noch nicht ganz trocken sein, aber darauf ist der Ahrensburger Bio-Hof vorbereitet. Auf dem Areal gibt es eine Trocknungs- und Reinigungsanlage, wie mir der erst 14 Jahre alte Hagen erklärt. Ich bin über sein Fachwissen erstaunt. Während andere Jungen in seinem Alter lieber am Computer spielen, verbringt der Nachbarsjunge fast jede freie Minute auf dem Gut Wulfsdorf. "Als ich neun Jahre alt war, hatte ich gefragt, ob ich hier helfen kann", erinnert sich der Junge und zieht seine schwarze Schirmmütze ins Gesicht. "Hier fahren wir mit den Hängern die Ernte rein", erklärt der Junge und zeigt auf ein rechteckiges, rot lackiertes Gitter auf dem Boden der dunklen Halle. Die Körner fallen dort hinein und werden über Schnecken und Förderbänder durch einen Trichter auf die Trocknungs- und Reinigungsanlage geschüttet. "Weil wir ein Bio-Hof sind und nicht spritzen, gelangen häufig auch andere Gräser oder Pflanzen in die Hänger. Deswegen müssen wir die Körner hier sauber machen", erklärt der 14-Jährige. Sind die Getreidekörner gereinigt und getrocknet, werden sie über das Dach in etwa 20 Meter hohe Silos katapultiert. "Dieser hier ist voll", sagt Hagen und schlägt mit der Handfläche gegen die Metallwand. Zwei dieser riesigern zylinderförmigen Speicher stehen auf dem Gut Wulfsdorf.
Auf dem Bio-Hof kann ich mir dann ein Bild davon machen, wie aus den Körnern Brot hergestellt wird. Auch eine Bäckerei gibt es hier. In braunen Papiersäcken werden die Getreidekörner dorthin transportiert. Zunächst kommen sie in eine Mühle und werden zu Vollkornmehl verarbeitet. Vermischt mit einigen weiteren Zutaten wird daraus in der Backstube der Teig geknetet.
Anschließend wandern die Brote in einen Holzbackofen. "Wir sagen, wir schießen die Brote", sagt Bäcker Reinhold Hollerbach, 29. In den Ofen passen 100 Brote, die alle durch eine kleine Luke hineingeschoben werden. "Deswegen muss es schnell gehen, damit das hintere Brot nicht schon fertig gebacken ist, während das letzte vorne hineingeschoben wird." Dafür muss er sein Handwerk gut beherrschen.
Genauso wie die Erntehelfer, die sich heutzutage jedoch glücklich schätzen können, modernes Gerät zu haben.