Unser Dorf: Das Abendblatt zu Besuch in Stormarns Gemeinden. Heute: Hamfelde. Exportschlager sind Bio-Milch und der “Oberförster“-Likör

Sie läuft aufgeregt hin und her, zetert und murrt. Die Rote Zora will zu ihrem Kalb. Doch das nuckelt auf der anderen Seite des Stalls am Euter einer Leihmutter. "Die Rote Zora will nach dem Kalben keine Milch mehr geben", erläutert Biobauer Heinz Elfenkämper-Raymann. "Weder lässt sie sich melken, noch kann sie das Junge versorgen, solange es bei ihr ist." Also blieb nichts anderes übrig, als ihr das Neugeborene zu entziehen. Nun murrt die Rote Zora zwar, gibt dafür aber wieder Milch. Und mit der verdient Elfenkämper-Raymann sein Geld.

Bereits 1986 hat er seinen landwirtschaftlichen Betrieb auf Bio umgestellt. Eine Pflanzenschutzmittelvergiftung habe das Umdenken angestoßen, erinnert sich der Biobauer. "Meine Frau hatte sogar schon ein bisschen früher darüber nachgedacht als ich." Es ging auf eine Reise durch die Republik zu den Urgesteinen der biologischen Landwirtschaft. Elfenkämper-Raymann: "Ein Hof war damals schon seit 40 Jahren im Geschäft. Da habe ich gesehen, dass es funktioniert." Zurück in Hamfelde habe er den gerade erst erbauten Schweinestall für 600 Tiere umfunktioniert und sich auf Milchkühe konzentriert. "Man muss Fehler einsehen können", sagt der 56-Jährige.

Heute ist die Biomilch seiner rund 70 Kühe in ganz Norddeutschland bekannt. Pro Jahr sind es etwa sechs Millionen Liter. "Gegen Hansano mit 600 Millionen Liter sind wir ein kleines Licht." Dennoch überlege er, neben der Vermarktung von Milch unter dem Namen Hamfelder Hof auch die von Butter oder Joghurtprodukten anzugehen.

Im Bioladen direkt neben dem Hof verkauft Carola Strohmeyer natürlich auch Milch und Käse vom benachbarten Biobauern. "Ich achte bei unseren Produkten darauf, dass sie aus der Region stammen", sagt die 51-Jährige. Seit 1999 führt sie den Laden, der neben ökologisch erzeugtem Gemüse, Wein oder Käse auch Kosmetika anbietet. Die Kunden kommen vor allem aus der Umgebung. "Manchmal habe ich auch Ausflügler aus Hamburg hier", sagt Strohmeyer. "Die wollen dann sehen, wo die Hamfelder Milch, die sie aus ihrem Supermarkt kennen, erzeugt wird."

Milch geben Wilhelm Kleibers Kühe zwar auch, aber sie sind keine Milchkühe, sondern sogenannte Ammen- oder Mutterkühe. "Wir ziehen nur die Kälber groß", sagt Kleiber. Wenn sie zwischen sechs und neun Monaten alt sind, werden sie an Zucht- oder Mastbetriebe verkauft. Mittlerweile führt Sohn Hans Wilhelm den Hof. Zehn Ammenkühe und sieben Kälber sind es noch. Leben könne man davon nicht mehr. "Mein Sohn muss sehen, dass er nebenher etwas dazuverdient", sagt der 72-Jährige. Andere Nutztiere haben die Kleibers nicht. "Aber drei Katzen gibt es hier auch", sagt Elisa. Mit ihrem Zwillingsbruder Felix macht die Zehnjährige aus Hamburg Ferien bei den Großeltern auf dem Land. "Wir machen Urlaub von unseren Eltern", rufen beide im Chor. Mit Opa besuchen sie die Kühe auf der Weide und dürfen die großen Tiere sogar streicheln.

Hinter dem Gatter am Rande der Weide werden die drei schon von Günther Floeter und Hund Gino erwartet. Der West-Highland-Terrier thront in einem eigens für ihn konstruierten Sitz hinter Herrchens Lenker auf dem Fahrrad. Der elfjährige Rüde hatte bereits geahnt, dass ihm Elisa und Felix Streicheleinheiten verpassen würden. Demonstrativ streckt er seinen Körper, damit die Zwillinge ihn optimal erreichen können. Dann geht es mit Herrchen auf eine Tour durch Hamfeldes Umgebung.

Die Natur rund ums Dorf lockt viele Ausflügler an. Bewirtet werden die Besucher im Gasthof Waldeslust der Familie Koops. "Wir haben viele Stammgäste. Etwa 80 Prozent von ihnen kommen aus Hamburg", sagt Sybille Koops. In der Waldeslust werden Rinder, Gänse oder Hühner aus eigener Zucht geschlachtet und landen wie auch Forellen oder Karpfen aus dem eigenen Teich auf dem Teller. Seniorchef Klaus Koops hat als gelernter Schlachter dafür gesorgt, dass im Gasthof eine kleine Schlachterei eingerichtet wurde. "Die Auflagen werden immer höher", betont Sybille Koops. Politisch sei es jedenfalls nicht gewollt, dass ein Restaurant auch eine Schlachterei betreibt. "So können wir aber für die Qualität des Fleisches garantieren", so Koops weiter.

Neben zehn Festangestellten kümmern sich je nach Besucheraufkommen auch Aushilfen um die Gäste. Die Koops können dabei auf einen Stamm von 60 Helfern zurückgreifen. "Viele von ihnen fangen als Schüler bei uns an und bleiben dann", sagt die 48-Jährige. "Die gehören richtig mit zur Familie." Zur Zucht zählen unter anderem 36 Galloway-Rinder, 100 Moorschnucken und auch einige Kamerun-Schafe. Fünf von ihnen sind allerdings gerade im Dorf unterwegs. "Die bringe ich hin und wieder zu den Heitmanns", sagt Klaus Koops schmunzelnd. Dort mähen sie im Garten den Rasen.

"Das sind meine Leasing-Schafe", sagt Karin Heitmann und lacht. Die lebendigen Rasenmäher erleichtern die Arbeit im 2000 Quadratmeter großen Garten. Denn die 66-Jährige muss sich um Wichtiges kümmern. "Ich bin die Kräuterhexe im Dorf", sagt sie, rennt aus dem Raum und kommt umgehend mit Etiketten für Kräuterliköre zurück. "Heute morgen habe ich schon um 5.30 Uhr Alkohol destilliert", betont sie. "Der Alkoholgehalt des Hamfelder Oberförster muss genau 40 Prozent betragen. Nicht mehr und nicht ein bisschen weniger", erläutert die Rentnerin.

Mit ihrer Freundin Meike Brönneke aus dem Lauenburgischen Hamfelde sorgt sie dafür, dass es für die Kneipen der Umgebung immer Likör-Nachschub gibt. "Ich glaube, dass die Kräutermischung die Leute süchtig macht", verrät Heitmann das Erfolgsgeheimnis des Hochprozentigen. "Sogar in Eppendorf gibt es eine Kneipe, in der der Oberförster ausgeschenkt wird", sagt Heitmann, die vor 43 Jahren nach Hamfelde zog. "Als ich hierher kam, dachte ich zuerst: Mein Gott, wo bist du denn gelandet", erinnert sich die gebürtige Rheinländerin. Doch der erste Schock währte nur kurz. "Ich habe mich schnell wohl gefühlt. Außerdem habe ich keine Berührungsängste."

Doch gibt sie zu: "Hätte mir als 20 Jährige jemand gesagt, dass mein Mann Amtswehrführer der Feuerwehr sein wird, und ich auf einem Dorf wohnen werde, hätte ich Schreikrämpfe und Pickel bekommen." Statt zu schreien hat sie sich dann jedoch darauf konzentriert, das Dorfleben möglichst angenehm zu gestalten. Anfang der 70er-Jahre zog die Düsseldorferin als erste Frau überhaupt in den Hamfelder Gemeinderat ein. "Dann war ich am Hebel und habe die Feste organisiert", sagt Karin Heitmann. "Bei mir gab es keinen Festausschuss. Da diskutiert man doch bloß, ob die Frikadellen eckig oder rund sein sollen. Ich habe alles delegiert." Und das habe wunderbar funktioniert.

"Als aber Revolution im Dorf war, bin ich zurückgetreten", erinnert sich die Rentnerin. 1978 wollte der Verein Hermann Jülich Werkgemeinschaft Wohn- und Werkstätten für Behinderte in Hamfelde einrichten. "Viele Einwohner waren dagegen", so Heitmann. "Die Unsicherheit war groß." Sie habe die Vorbehalte nicht verstehen können und sei daher zurückgetreten. "Dabei ist alles sehr gut verlaufen."

Heute baut der Verein ein weiteres Wohngebäude im Ort für acht behinderte oder demente Menschen. "Der Anfang war sicher schwierig, aber heute sind wir Teil der Hamfelder Kultur", sagt Anke Brammen. Mit Rainer Rieger leitet sie die Einrichtung mit fast 40 behinderten Menschen in Hamfelde. "Das erste, das mich in Hamfelde begrüßt, sind die Hühner der Familie Koops", sagt die 52-jährige Brammen. "Das Dorf ist eine Oase, überschaubar und direkt an der Hahnheide gelegen." Daher sei es auch für die Bewohner der Werkgemeinschaft ein idealer Ort.

Hamfelde hat ein Neubaugebiet mit zehn Grundstücken erschlossen

"Sie können in einer vertrauten Umgebung leben", sagt Bürgermeister Ulrich Borngräber. Die Behinderten könnten bis ins hohe Alter bleiben und müssten ihr vertrautes Umfeld nicht aufgeben. Stolz ist der Dorfchef auch auf das gelassene und respektvolle Miteinander. "Es gibt zwei Wählergemeinschaften. Ich wurde aber einstimmig zum Bürgermeister gewählt", betont der 58-Jährige. Hamfelde sei mittlerweile ein "positives Schlafdorf". Die meisten Einwohner pendeln täglich zur Arbeit. Und es werden mehr. Ein Neubaugebiet wurde erschlossen. "Die zehn Grundstücke waren schnell vergeben." Dieses Großprojekt für Hamfelde habe allerdings bereits seine Vorgängerin Karin Schoinowski angeschoben, so der Bürgermeister.

Und das Frauen in Hamfelde eine entscheidende Rolle spielen zeigt auch Susanne Harder. 1991 trat sie der Freiwilligen Feuerwehr bei. Heute ist die 56-Jährige stellvertretende Wehrführerin. "Eigentlich wollte der ehemalige Wehrführer damals meinen Mann überreden, in die Wehr zu gehen", erinnert sich Harder. Doch der war bereits bei den Rettungsschwimmern der DLRG ehrenamtlich aktiv. So habe sie gefragt, ob nicht auch Frauen gebraucht würden. "Da hieß es, die Geräte seien zu schwer", sagt sie und grinst. Denn wenig später habe man sie doch eingeladen. "Ich habe den Aufnahmeantrag unterschrieben und war dann sofort voll integriert." Heute koordiniert die Hausfrau und Mutter von vier Söhnen die Ausbildung der Feuerwehrleute im Amt. "Mein Mann sagt immer, wir beide sind hauptamtlich Ehrenamtliche."