Die Anbaufläche für die Biogas-Pflanze hat deutlich zugenommen. Artenvielfalt ist bedroht, sagen Naturschützer

Ahrensburg. Die Pflanzen fallen auf. Der Mais, der im April gesät wurde, ist jetzt schon mehr als mannshoch. Im September wird geerntet. Aber die Früchte dieser Arbeit landen nicht auf dem Esstisch, sondern im Gärbehälter. Nicht hungrige Mägen werden damit gefüllt, sondern Biogasanlagen. Die wiederum stillen den Energiehunger unserer Gesellschaft - aus Mais wird Strom. Agrarwissenschaftler und Naturschützer sehen diese Entwicklung mit Sorge. Der Landesnaturschutzverband Schleswig-Holstein warnt, der zunehmende Maisanbau habe "fatale Folgen für die biologische Vielfalt". Und Gerold Rahmann (Grüne), der Vorsitzende des Kreisumweltausschusses, sagt: "In Stormarn sollten keine weiteren Biogasanlagen mehr genehmigt werden, die mit Mais laufen."

Der Staat subventioniert den aus Biomasse gewonnenen Strom

Neun solcher Stromerzeuger gibt es im Kreis bereits. Dass es bei dieser Zahl nicht bleiben wird, ist klar. Derzeit sind acht weitere Anlagen in Planung. "Die Maisanbaufläche in Stormarn hat in den letzten zwei Jahren um rund 50 Prozent zugenommen", sagt Peter Koll, der Geschäftsführer des Kreisbauernverbands. Eine genaue Zahl kann er nicht nennen. Der Grund für den Zuwachs ist klar. Mit Biogasanlagen lässt sich Geld verdienen. Der Staat subventioniert den aus Biomasse gewonnenen Strom. Stromerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen gilt als Teil der Lösung unserer Energieprobleme. Und Mais gilt als idealer Stoff für die Gasanlagen. Die Folgen: Maisfelder. In Schleswig-Holstein ist die Anbaufläche in den Jahren von 2005 bis 2010 um rund 75 Prozent gewachsen. Auf rund 175 000 Hektar wuchs im vergangenen Jahr Mais. Die Pflanze hat damit den Raps, dessen knallgelbe Blüten viele Touristen mit Schleswig-Holstein verbinden, weit abgehängt.

Rahmann findet, dass der Mais zur Monokultur zu werden droht. "Das geht jetzt schon über das tolerierbare Maß hinaus", sagt der Agrarwissenschaftler. Und er kennt die Gefahren, die damit verbunden sind - zum Beispiel bei der Artenvielfalt. Insbesondere dann, wenn Weideland bepflanzt wird. "Mit dem Mais kann kaum ein Lebewesen etwas anfangen, da wächst und lebt nichts außer Mais", sagt er. Zudem würden viele Landwirte den Acker "randvoll packen". Rahmann: "Da gibt es keine Blühstreifen am Rand, wo zum Beispiel Klatschmohn wachsen könnte." Auch den Störchen bereitet der Mais Schwierigkeiten. Sie können dort keine Nahrung finden: Die Pflanzen, die bis zu drei Meter groß werden, verhindern die Mäusejagd. Weitere Nachteile: Die Humusschicht wird stärker als bei anderen Pflanzen reduziert. Und das Land verändert sich. "Man erkennt die Landschaft nicht mehr wieder", sagt Rahmann. "Der Mais steht so hoch, der verdeckt alles. Die Landschaft wird unattraktiv gemacht."

Und dann gebe es da auch noch eine ethische Frage: "Wie viel Fläche wollen wir nutzen, um darauf Nicht-Lebensmittel wachsen zu lassen? Was ist wichtiger: Brennende Glühbirnen oder gefüllte Mägen?"

Aufseiten der Landwirte ist man nicht der Ansicht, dass im Kreis eine Mais-Monokultur entstehen könnte. Peter Koll, der Geschäftsführer des Kreisbauernverbands, räumt immerhin ein: "Der Mais hat ein Imageproblem, weil er so hoch ist. Wenn Sie auf dem Fahrrad sitzen und durch Maisfelder fahren, sehen Sie eben nicht so viel." Aber das sei eher ein "gefühltes Problem".

Laut Koll ist der Mais einfach die ideale Pflanze für die Biogasanlagen. "Er ist technisch am besten handhabbar und hat eine hohe Gasausbeute." Trotz der Zunahme der Anbauflächen könne man in Stormarn nicht von einer "Vermaisung" der Landschaft sprechen. "Es ist eher so, dass wir hier mit dem Mais noch eine weitere Feldfrucht dazubekommen haben", sagt Koll. Dass die nun auf so vielen Äckern zu sehen sei, habe auch mit den schlechten Wetterbedingungen in diesem Jahr zu tun. "Viele Landwirte hatten ursprünglich Raps gesät. Aber der hat ein grottenschlechtes Ergebnis. Er ist dann vielerorts umgebrochen worden. Stattdessen wurde Mais gesät, um auf dem Feld wenigstens noch einen Ertrag zu erzielen."

Beim Kreis sieht man die Entwicklung durchaus kritisch. "Mais ist nicht ideal als Input für Biogasanlagen", sagt Isa Reher von der Klimaschutzleitstelle. "Gülle oder Abfälle wären besser." Aber die bestehenden Anlagen seien nun einmal technisch auf Mais eingestellt.

Noch wird die bei der Stromerzeugung entstehende Wärme selten genutzt

Eine Änderung ist in Sicht. Mit Beginn des kommenden Jahres tritt eine Gesetzesnovelle in Kraft. Jede neue Biogasanlage muss dann entweder eine 60-prozentige Güllenutzung oder eine 60-prozentige Wärmenutzung nachweisen können. Derzeit wird die bei der Stromerzeugung entstehende Wärme einfach in die Umgebung abgegeben. Das gilt für die meisten Biogasanlagen, auch für die in Stormarn. Nur die größte Anlage im Oldesloer Ortsteil Blumendorf nutzt auch diese Abwärme. "Das ist vorbildlich", sagt Reher.

Auch Rahmann ist nicht grundsätzlich gegen Biogasanlagen - im Gegenteil. "Wenn sie mit Gülle betrieben werden, dann ist das eine gute Sache", sagt er. Besonders kleine, dezentrale Anlagen hätten ihre Berechtigung - zum Beispiel, wenn ein Landwirt, der Schweinemast betreibe, mit der Gülle zugleich Gas erzeuge.

Dennoch wird in Stormarn weiterhin viel Mais wachsen. Die bestehenden Gasanlagen haben eine Genehmigung für 20 Jahre. So lange brauchen sie Mais aus der Region. Ein Transport über größere Strecken lohnt sich nicht - weder wirtschaftlich noch ökologisch.