In Hamburg sollen sie 2012 um die Hälfte reduziert werden. Jobcenter im Kreis plant keine Kürzungen

Bad Oldesloe. Während Hamburg im kommenden Jahr bei Ein-Euro-Jobs kräftig kürzen und die bisher 6000 Arbeitsgelegenheiten halbieren will, setzt Stormarn auch zukünftig weiter auf billige Arbeitskräfte.

"Ein-Euro-Jobs schaden Arbeitslosen" - so lautet der Tenor eines Gutachtens des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsförderung, das die Auswirkungen von Ein-Euro-Jobs für den Hamburger Arbeitsmarkt untersucht hat. Der Hamburger Senat will daraus seine Konsequenzen ziehen. Denn die Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass Ein-Euro-Jobber später sozialversicherungspflichtige Jobs aufnehmen und hilfsbedürftiger seien als Arbeitslose, die nicht in diese Maßnahmen eingebunden werden.

Doris Ziethen-Rennholz, Chefin des Jobcenters Stormarn, hält die sogenannten Arbeitsgelegenheiten jedoch für sinnvoll. "Ein-Euro-Jobs verhindern die Arbeitsaufnahme nicht. Sie fördern sie, aber eher mittel- bis langfristig", so Ziethen-Rennholz. Für das Jobcenter Stormarn seien diese Jobs weiterhin wichtig - daher werde es bis auf Weiteres keine Kürzungen geben.

Anfang 2011 waren in Stormarn die Ein-Euro-Jobs bereits auf 140 Stellen halbiert worden - kürzlich wurden sie jedoch wieder auf 181 aufgestockt. "Wir haben jetzt das Mindestmaß, das wir auf jeden Fall brauchen, um auch mit bildungsferneren Kunden arbeiten zu können", so die Jobcenter-Chefin.

Der Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt sei für viele Ein-Euro-Jobber in weiter Ferne und bei vielen Arbeitsgelegenheiten auch nicht das primäre Ziel. "Die Teilnehmer sollen wieder den Anreiz spüren, sich einbringen zu wollen." Danach sehe man weiter, ob ein Praktikum oder etwa ein Staplerfahrerschein den Betroffenen helfe, wieder näher an den Arbeitsmarkt zu rücken.

Susanne Agne, Initiatorin der Oldesloer Erwerbsloseninitiative "Paria" lehnt Ein-Euro-Jobs hingegen grundsätzlich ab. "Die Menschen kommen nicht aus ihrer prekären Lebenssituation, sondern hängen weiterhin in der Schleife", kritisiert sie. Der einzige Vorteil sei, dass die Betroffenen durch die Beschäftigung von ihren permanenten Existenzängsten abgelenkt werden. "Die Arbeitsgelegenheiten sind ein Pflästerchen, gleichzeitig sind sie bedrückend", so Agne. "Denn sie wissen: Ich bin aussortiert." Außerdem würden durch den sogenannten zweiten Arbeitsmarkt, der durch die Arbeitsgelegenheiten entsteht, reguläre Arbeitsplätze verdrängt. Agne kenne aus ihrer Arbeit mit Langzeitarbeitslosen niemanden, der durch einen Ein-Euro-Job eine feste Arbeit gefunden habe. Dabei gelingt laut Jobcenter Stormarn rund zehn bis 15 Prozent aller Ein-Euro-Jobber der Wiedereinstieg.

Im Spielzeugaufarbeitungszentrum in Ahrensburg (SPAZ) gehen permanent rund 25 Hartz IV-Empfänger einem Ein-Euro-Job nach. In der Einrichtung des Ausbildungsverbundes Stormarn/Lauenburg nähen sie unter anderem Babykrabbeldecken aus alten Kuscheltieren, reparieren Fahrräder und restaurieren in der Werkstatt Holzspielzeuge. Die gespendeten und umgearbeiteten Waren kommen anschließend bedürftigen Familien zugute. "Wir prüfen genau, dass durch unsere Arbeitsgelegenheiten keine Arbeitsstellen abgebaut werden", sagt Birgitta Schultz, die Ein-Euro-Jobber im SPAZ betreut.

Als die Einrichtung vor drei Jahren startete, war auch den Betreuern schnell klar: Ein-Euro-Jobs sind kein Wundermittel für die schnelle Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. "Viele Teilnehmer haben massive familiäre oder psychische Probleme. Die muss man erst soweit aufbauen, dass sie überhaupt wieder arbeiten können", so Schultz.

"Viele Teilnehmer haben zwar einen Job erlernt. Oft sind sie jedoch so lange aus ihrem Beruf raus, dass sie erst wieder entdecken müssen, dass sie überhaupt etwas können", so Schultz und berichtet von einem anderen positiven Beispiel: "Eine junge Frau kam frisch aus der Reha zu uns, sie hatte eine Drogenkarriere hinter sich und ein Kind", so Schultz. "Ein Dreivierteljahr haben wir ihr Selbstwertgefühl aufgebaut. Nun hat sie eine Tischlerlehre begonnen."

Abbrecher seien selten. Denn, Hartz-IV-Empfänger, die sich den Maßnahmen verweigern, drohen Kürzungen ihrer Bezüge. "Uns ist wichtig, dass wir nicht als Strafmaßnahme verstanden werden", sagt Schultz. "Viele Langzeitarbeitslose sind Ein-Euro-Jobs gegenüber zunächst sehr negativ eingestellt. Viele finden es nach einigen Tagen dann doch gut, hier zu arbeiten."

Der 57-jährige Ahrensburger Michael Joppich schraubt an einem Kinderstuhl. Gelernt hat er Retuscheur, gearbeitet hat er in einer großen Druckerei. Doch sein Beruf starb in den 90er-Jahren aus. Seit Januar arbeitet er als Ein-Euro-Jobber im Spielzeugaufbereitungszentrum. Die Maßnahme wurde nach den regulären sechs Monaten um drei Monate verlängert. "Mich baut das auf. Man ist beschäftigt und verdient etwas Geld nebenbei."

Viele seiner Kollegen in der SPAZ seien vom Schicksal hart getroffen worden, Pleite gegangen, hätten Jobs und Familie verloren. "Das hier hält viele aufrecht", sagt Joppich. Wie es im Herbst für ihn weitergeht, weiß er noch nicht. Hoffnungen, auf dem ersten Arbeitsmarkt durchstarten zu können, macht er sich keine. "Ich bin ja sogar für die Zeitarbeitsfirmen zu alt", sagt er.

Nachdem der Wehr- und Zivildienst abgeschafft wurde, wird nun in der Politik diskutiert, inwiefern Langzeitarbeitslose als Ersatz für Zivis eingesetzt werden können. Für den Ahrensburger Michael Joppich wäre das eine mögliche Perspektive. Eine Beschäftigung in der Pflege könne er sich gut vorstellen.