Behörden spielen das Problem Botulismus herunter, sagt ein Stormarner Landwirt. Bauern lassen Tiere impfen

Bad Oldesloe. Lähmungserscheinungen, chronische Abmagerung, Durchfall, Konditionsverlust: Das Krankheitsbild des sogenannten Botulismus beim Rind ist vielfältig und bisher kaum erforscht. Das Landwirtschaftministerium und der Bauernverband widersprachen zwar Berichten über eine Häufung von Botulismus-Fällen in Schleswig-Holstein. Doch die Sorge bei vielen Milchviehhaltern um die Gesundheit ihrer Kühe ist groß.

"Kaum jemand möchte öffentlich über dieses Thema reden. Nach den vielen Lebensmittelskandalen und vor allem nach dem BSE-Skandal sind viele vorsichtig geworden", sagt der Sühlener Landwirt Jürgen Teege. Er höre von immer mehr Betrieben, die betroffen sind. Nicht in Stormarn, aber im mittleren Schleswig-Holstein. Mehr und mehr Landwirte seien deswegen hellhörig geworden, informierten sich, gingen zu Fachvorträgen.

Von den Behörden werde die nicht anerkannte Rinderkrankheit jedoch nicht ernst genommen, kritisiert Teege. "So war es damals auch bei BSE. Als die ersten Wissenschaftler auf eine mögliche Gefahr aufmerksam machten, wurde dies auch als Spinnerei abgetan", sagt der Stormarner Landwirt. Er selbst habe vor etwa zwei Jahren zum ersten Mal von Botulismus und dem Gift des Bakteriums Clostridium botulinum gehört, das die Krankheit auslösen kann.

Da es möglicherweise einen Zusammenhang mit Dünge-Substraten aus Biogasanlagen gibt, fürchtet er, dass die Zahl der Krankheitsfälle bald zunehmen könne. Um seine rund 200 Tiere mache er sich allerdings keine Sorge, da er keine Substrate aus Biogasanlagen verwende und seine Wiesen nur mit der Gülle seiner Kühe dünge.

Unter Agrarexperten und Veterinärmedizinern wird seit etwa zwei Jahren vermehrt diskutiert, ob Biogaslangen zur Verbreitung des Bakteriums Clostridium botulinum beitragen. Ernst-Günther Hellwig, Leiter des Forschungszentrums Agrar- und Veterinär-Akademie (AVA) in Horstmar (bei Münster), zählt zu den Fachleuten, die vermuten, dass es einen Zusammenhang mit Botulismusfällen gibt. "Noch immer wurde nicht wirklich wissenschaftlich bewiesen, dass Biogasrestmassen, die wieder auf Felder gebracht werden, keine Gefahr darstellen", sagt Hellwig. Er geht davon aus, dass durch Biogasanlagen noch mehr Clostridium-Sporen in die Umwelt gelangen als ohnehin schon und fordert daher Aufklärung. Einen Zusammenhang mit Biogasanlagen schließt das Landwirtschaftsministerium in Schleswig-Holstein dagegen aus. "Da gibt es mittlerweile mehrere Studien, die das belegen", sagt Sprecher Christan Seyfert.

Forscher Hellwig stellt die Studien jedoch infrage. Sie seien nicht ausreichend und wiesen Fehler auf. Nicht nur der Biogasindustrie, sondern auch dem Bauernverband und der Politik wirft er vor, das Problem zu verschweigen. "Die Bundesregierung will mit der Energiewende Biogasanlagen auf Teufel komm raus forcieren. Und will deshalb die Gefahren, die diese bergen, nicht sehen", so Hellwig. Gemeinsam mit anderen fordert er nun in einer Göttinger Erklärung die Einrichtung von Forschungsprojekten, die sich gezielt mit der Thematik auseinandersetzen. "Bisher wird dafür kein Geld bereitgestellt, weil es immer heißt, die Krankheit ist nicht beschrieben. Und deswegen gibt es sie nicht. Aber sie bewegt sich doch", sagt Hellwig. Immer mehr Kühe würden deutschlandweit sterben. Die Ursache sei ungeklärt.

Auffällig sei auch, dass ein bisher in Europa nicht anerkannter Impfstoff aus Südafrika, zu dem nun viele Tierärzte greifen, Wirkung zeige und Symptome wie Muskelschwäche und schleichendem Leistungsabfall kurz danach nachlassen. "Die Sterberate geht zurück. Wenn es nicht wirken würde, würde es auch keine Krankheit geben", sagt Hellwig.

Dass das Thema immer mehr Bauern in Stormarn bewegt, weiß auch der Tierarzt Sönke Wolfgramm aus Bad Oldesloe aus der Tierarztpraxis von Maik Nessmann. Zwar gebe es in Stormarn anders als in anderen Kreisen in Schleswig-Holstein kaum Fälle. Doch die Oldesloer Praxis habe bereits 150 Kühe testen lassen, die Symptome aufwiesen. "Bei zwei Tieren haben wir dann auch Antikörper gefunden", sagt Wolfgramm. Eine Kuh sei nun gegen Botulismus geimpft worden. Sönke Wolfgramm sieht dringenden Handlungsbedarf auch in der Forschung. "Das Bolulinumtoxin ist immerhin das stärkste Gift der Welt", so Wolfgramm.

In Zusammenhang mit der Berichterstattung des NDR über aktuell ansteigende Krankheitsfälle erklärte der Rethwischer Werner Schwarz, Präsident des Bauernverbands Schleswig-Holstein, dass dies aus der Luft gegriffen und falsch sei. Die Zahl der Impfanträge im vergangenen und in diesem Jahr habe sich halbiert. Werner Schwarz sehe in solchen Behauptungen ein Geschäft mit der Angst der Verbraucher.