Leo Kyllar ist Bargteheides erster Streetworker. Die Stadt und die gemeinnützige Tohus GmbH finanzieren das Projekt

Bargteheide. Die Mütze ist sein Markenzeichen. Wo und wann sie auftaucht und mit ihm Leo Kyllar, ist ungewiss. Der 43-Jährige kann überall sein. Mal an dieser Ecke, mal auf jener Parkbank, mal am Dienstag, mal am Donnerstag - aber immer bereit, zuzuhören. Das funktioniert ohne Anmeldung, ohne Wartezeiten und ohne eine Tür, durch die Menschen gehen und sich als Verlierer der Gesellschaft outen müssen. Leo Kyllar arbeitet auf der Straße. Er ist da, wo die Menschen sind, die Hilfe brauchen. Leo Kyllar: der erste Streetworker Bargteheides.

Wer mit ihm über seine Probleme reden will, setzt sich einfach zu ihm. Auf eine Tasse Kaffee, bei einem Gespräch über das Wetter. Je belangloser das Thema, umso besser. "Alles ohne Druck", sagt der Mann mit der Schiebermütze. Niemand soll Scheu haben, ihn anzusprechen. So kann langsam Nähe entstehen und Vertrauen - die Basis seiner Arbeit.

"Zu mir kommen Leute, die krank sind, die psychische Probleme haben oder Schulden. Manche leiden unter Vereinsamung. Andere trinken. Zu mir kommen Kinder genauso wie 80-Jährige", sagt Leo Kyllar nach einer dreiwöchigen Startphase. Und viel mehr sagt er auch schon nicht. Er will die Schicksale derer nicht preisgeben, die bei ihm Hilfe suchen. "Ich habe Angst, dass ich sonst ihr Vertrauen wieder verliere", sagt der Sozialarbeiter. Er ist wortkarg, wenn es darum geht, wo und wann er anzutreffen ist. Denn dann wäre auch klar, wo die Menschen sind, die am Rande der Gesellschaft stehen. Genau diese Stigmatisierung will er verhindern. Die Menschen sollen über eine ganz niedrige Schwelle den Schritt auf ihn zumachen können. Keine Namen, keine Treffpunkte, keine Uhrzeiten. Leo Kyllar ist da. Das allein zählt.

Reden ist bei seiner Aufgabe ohnehin weniger gefragt, als zuhören. "Manchmal bilden sich kleine Menschentrauben bei mir. Und dann reden die Leute miteinander. Das ist sehr gut. Das bringt Offenheit. Und später kommt derjenige, der mich braucht, dann zu mir und bittet um ein Gespräch unter vier Augen", beschreibt der 43-Jährige seine ersten Erfahrungen.

Für die Anfangsphase greift der Mann mit der Schiebermütze auf Hilfsmittel zurück: auf einen kleinen Tisch, zwei Stühle und Thermoskannen mit Tee und Kaffee. "Ich muss den Menschen ja etwas anbieten", sagt der Streetworker. Zuerst ist es ein Becher Kaffee, dann vielleicht ein gemeinsamer Gang zur Behörde. Kyllar: "Ich begleite die Menschen auch zur Polizei, wo immer sie Hilfe brauchen."

18 Monate wird der Streetworker unterwegs sein. Möglich macht das eine Zusammenarbeit von Bargteheide und der gemeinnützigen Tohus GmbH, einer 100-prozentigen Tochter der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, die in Bargfeld-Stegen eine Klinik für psychisch Kranke betreibt. Tohus und die Stadt teilen sich die Personalkosten für den Streetworker von 26 000 Euro zu gleichen Teilen. Auch Matthias Steinbuck, Stadtvertreter und Vorsitzender des Sozialausschusses, hat den Kooperationsvertrag unterschrieben. Er stellt kostenlos einen Raum zur Verfügung, in den sich Leo Kyllar und seine Gesprächspartner zurückziehen können. Steinbuck: "Hinschauen und helfen kann jeder. Wir möchten der Stadt, in der wir gern leben, etwas zurückgeben."

"In Bargteheide haben wir nicht mehr Menschen mit Drogenproblemen oder seelischen Einschränkungen als anderswo. Wir sind kein Brennpunkt", sagt Bürgermeister Henning Görtz. "Aber wir wollen auch nicht darauf warten, dass sich die Dinge verschärfen." Er sei daher froh, dass die Stadt diese freiwillige Leistung finanzieren könne.

"Bargteheide ist zwar die erste Stadt in Stormarn, in der wir einen Streetworker einsetzen. Aber Bargteheide braucht kein Notfallprogramm. Wir wollen präventiv arbeiten", betont auch Tohus-Geschäftsführer Eckart Drews. Seit zweieinhalb Jahren ist die Gesellschaft bereits in Bargteheide tätig. "Wir begleiten Menschen mit seelischen Einschränkungen und Suchterfahrungen in Wohnungen und betreuten Wohngruppen." Aber dieses Projekt sei anders. Drews, selbst Sozialarbeiter und Pastor: "Der Streetworker soll jenen eine Brücke bauen, die den Anschluss verpasst haben, die über die üblichen Anlaufstellen nicht mehr zu erreichen sind. Das werden immer mehr. Und das geht manchmal ganz schnell."

Beratungen, Ärzte, Behörden - jede Instanz arbeite für sich. Leo Kyllar soll die Menschen von der Straße durch dieses Dickicht führen - zurück in die Gemeinschaft. Es gibt erste Erfolge. Kyllar: "Ich bin erstaunt, wie schnell das geht. Selbst Einzelgänger, die man sonst nie zusammenbekommen würde, treffen sich bei mir."