Wahlkampf ist eingeläutet: Stormarner Politiker reagieren auf den Vorschlag des CDU-Landeschefs von Boetticher, Intensivtäter zu arrestieren.

Ahrensburg. Geschlossene Heime für jugendliche Intensivtäter: Mit dieser Forderung hat Schleswig-Holsteins CDU-Chef Christian von Boetticher den Wahlkampf eingeläutet. In Stormarn fällt das Echo auf seine Äußerungen meist negativ aus. Nur Parteifreunde stimmen ihm zu, zum Beispiel der Kreistagsabgeordnete Hans-Werner Harmuth (CDU). Er ist Vorsitzender des Polizeibeirats, und der hatte sich mit der Stormarner Kriminalstatistik für das Jahr 2010 zu befassen.

Harmuth findet es richtig, "wenn man sich intensiver um diese Intensivtäter kümmern würde". Sein Eindruck aus Stormarn ist: "Ich habe schon das subjektive Gefühl, dass zum Beispiel sonnabends sehr viele Jugendgruppen unterwegs sind, die bereit sind, gewalttätig zu werden." Da könne es für den einen oder anderen Jugendlichen durchaus sinnvoll sein, eine gewisse Zeit eingesperrt zu sein.

Auch einem weiteren Boetticher-Vorschlag kann er einiges abgewinnen. Wer in jungen Jahren Straftaten begehe, so der CDU-Chef, dem müsse man damit drohen können, dass er im Wiederholungsfall keinen Führerschein bekomme. "Es ist den jungen Leuten sehr wichtig, möglichst früh den Führerschein zu bekommen", sagt Harmuth. "Wenn das in Gefahr ist, könnte das schon eine disziplinierende Wirkung haben." Zu dem Zehn-Punkte-Programm, mit dem Boetticher punkten will, gehört außerdem, die Schulsozialarbeit und die Drogenprävention zu verbessern, Intensivtäter durch pensionierte Kriminalbeamte oder Staatsanwälte betreuen zu lassen, die Gerichtsverfahren zu beschleunigen und die Eltern in die Pflicht zunehmen, indem sie zum Beispiel die Kosten tragen, wenn ihr straffällig gewordenes Kind nachts von der Polizei zur Wache transportiert oder gleich nach Hause gebracht wird.

"Das geht gar nicht", sagt Margot Sinning (SPD), die Vorsitzende des Stormarner Sozialausschusses. "Wenn die Polizei gerufen wird, muss sie kommen und tätig werden, ohne dass Kosten beglichen werden müssen."

Das ist offenbar auch dem CDU-Chef klar, denn in seinem Programm ist zunächst nur von einer Überprüfung der Rechtsgrundlagen die Rede.

Sinning ist durchaus der Meinung, dass Jugendgewalt in Stormarn ein Problem ist. "Ich habe den Eindruck, dass die Rohheitsdelikte zunehmen", sagt sie - und spricht damit die offenbar um sich greifende Angewohnheit an, dem am Boden liegenden Opfer auf den Kopf zu springen.

Geschlossene Heime seien aber nicht die Lösung dieses Problems, das habe man in Hamburg gesehen. "Das geschlossene Heim an der Feuerbachstraße war eine Katastrophe, das hat gar nichts gebracht", sagt sie. Gegen schnellere Gerichtsverfahren sei hingegen nichts einzuwenden. "Aber dazu brauchen wir mehr Richter", sagt sie. "Die muss das Land einstellen. Warum hat die CDU das nicht gemacht - zum Beispiel damals in der großen Koalition mit der SPD?"

Sinning hält Boettichers Vorschläge für "populistisch", und Stefan Kehl, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, findet: "Der CDU-Chef versucht offenbar, am rechten Rand nach Stimmen zu fischen. Ich hoffe, er hat keinen Erfolg damit."

Auch der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) lehnt geschlossene Heime ab. "Wir sind grundsätzlich gegen solche Einrichtungen", sagt der Geschäftsführer Ingo Loeding. "Es gibt in Schleswig-Holstein hervorragende Jugendheime, die schwierigste Problemfälle aufnehmen."

Jugendkriminalität müsse man viel früher bekämpfen. "Die Intensivtäter fallen ja nicht vom Himmel, sie haben schon ein zehn oder 15 Jahre währendes Leben hinter sich. Sie kommen oft aus schwierigen Lebensverhältnissen, sie wachsen in einer Zeit des Werteverlusts auf. Aber sie sind in Kindergärten gewesen und haben Schulen besucht. Je besser man die ausstattet, desto weniger straffällige Jugendliche werden wir haben." Loedings Schlussfolgerung: "Ich wünsche mir von der Politik, dass sie die Ganztagsschulen ausbaut."

Auch er hat das Gefühl, dass es bei der Jugendkriminalität in Stormarn eine "Problemverdichtung" gibt. Die Polizeistatistik spricht allerdings eine andere Sprache. Der Anteil der unter 21-Jährigen an den Tatverdächtigen ist rückläufig. Und wie viele Intensivtäter gibt es? Aus der Polizeistatistik geht dies nicht hervor. Es sei eine "relativ kleine Gruppe", heißt es dort nur lapidar. Auf Nachfrage gibt die Polizeidirektion zunächst an, die genaue Zahl liege nicht vor. Später wird die Information nachgereicht, dass es zum Stichtag 31. Dezember 2010 exakt 71 Intensivtäter im Kreis gegeben habe. Ist das mehr als 2009? Oder weniger? "Die Zahlen aus den Jahren zuvor konnten nicht ermittelt werden", lässt die Polizei mitteilen. Eines sei jedoch klar: Die Zahl der Intensivtäter sei rückläufig.