Der Krankenstand im Kreis ist zehn Prozent höher als der Bundesdurchschnitt. Besonders psychische Erkrankungen haben zugenommen.

Ahrensburg. Erwerbstätige aus Stormarn sind häufiger krank als der durchschnittliche deutsche Arbeitnehmer. Das geht aus dem aktuellen Gesundheitsreport der Allgemeinen Ortskrankenkasse Nordwest (AOK) hervor. Sie hat für ihren Bericht die Krankschreibungen ihrer 16 427 erwerbstätigen Mitglieder im Kreis ausgewertet, von denen die meisten im Dienstleistungssektor (5462 Personen), im verarbeitenden Gewerbe (4538) oder im Handel (2642) tätig sind.

2010 stieg der Krankenstand in Stormarn im Vergleich zum Vorjahr um 0,1 Punkte auf 5,3 Prozent an. Der Bundesdurchschnitt lag lediglich bei 4,8 Prozent. "Das ist eine gravierende Abweichung", sagt Jens Bojens, Niederlassungsleiter der AOK in Ahrensburg. "Stormarn hat einen zehn Prozent höheren Krankenstand als die Bundesrepublik insgesamt." Auch der Landesschnitt war mit 5,2 Prozent niedriger. In Hamburg war der Krankenstand mit 5,7 Prozent wiederum deutlich höher. AOK-Regionaldirektor Gunar Schlage sagt: "Wir haben in Deutschland ein Nord-Süd-Gefälle. In Bayern und Baden-Württemberg sind die Menschen wesentlich seltener krank."

55 Prozent der Stormarner Arbeitnehmer waren im vergangenen Jahr mindestens einmal krankgeschrieben. Besonders häufig fehlten Mitarbeiter der Branchen Energie, Wasser, Entsorgung und Bergbau (6,7 Prozent), den niedrigsten Krankenstand gab es in der Land- und Forstwirtschaft (3,7 Prozent). Auch bei den verschiedenen Altersgruppen lassen sich Unterschiede feststellen. Je älter die Stormarner sind, desto häufiger meldeten sie sich krank. Bis zum 35. Lebensjahr lag der Krankenstand in Stormarn bei unter vier Prozent, danach stieg er deutlich an. Bei den 60- bis 64-jährigen Frauen erreichte er mit knapp neun Prozent den Höhepunkt.

Insbesondere die Fehltage wegen psychischer Erkrankungen haben zugenommen. Innerhalb eines Jahres konnte eine Steigerung von sieben Prozent registriert werden. Mit 10,5 Prozent waren sie nach Muskel- und Skeletterkrankungen (26,9 Prozent) und Verletzungen (13,1 Prozent) die dritthäufigste Ursache für die krankheitsbedingten Fehlzeiten der Stormarner Arbeitnehmer.

"Zeitdruck und Stress nehmen offenbar weiter zu", sagt Gunar Schlage. "Für viele Menschen besteht zunehmend die Gefahr, von zwei Seiten gleichzeitig auszubrennen, vom Beruf her und durch familiäre Belastungen." Auffällig sei, dass die Ärzte bei ihren Patienten immer häufiger "Probleme in Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung" diagnostizieren würden. Zu dieser Kategorie gehöre auch das Burn-out-Syndrom. Von 2004 bis 2010 haben sich die Fehltage aufgrund einer solchen Erkrankung um das Neunfache erhöht.

Problematisch sei auch, dass psychisch Erkrankte besonders lange ausfielen. Während Stormarner im Krankheitsfall der Arbeit durchschnittlich 12,6 Tage fern bleiben, fehlt ein psychisch Erkrankter 25 Tage. Bojens: "Wir beobachten seit mehreren Jahren, dass psychische Erkrankungen deutlich mehr werden und gehen davon aus, dass dieser Trend anhalten wird." Längst seien nicht mehr nur die Manager betroffen. "Das geht durch alle Schichten." So seien zum Beispiel auch nicht so hoch qualifizierte Arbeiter gefährdet. AOK-Präventionsbeauftragte Annegret Finnern sagt: "Sie bekommen häufig nicht so viel Anerkennung und Wertschätzung." Krankenstandanalysen in Betrieben hätten zudem ergeben, dass nach Umstrukturierungen in Unternehmen häufig der Krankenstand steige. Finnern: "Wenn sich in einer Firma etwas ändert, löst das häufig Ängste bei den Mitarbeitern aus." Wer unter einer psychischen Erkrankung leide, habe häufig mit Schlafstörungen oder mangelnder Konzentrationsfähigkeit zu kämpfen.

Wenn jemand kurz vor einem Burn-out stehe, lasse sich das jedoch erkennen. "Die Betroffenen drehen sich in einem Hamsterrad. Sie sind oft sehr engagiert und wollen ganz viel", sagt Finnern. "Oft können sie die hohen Ziele jedoch nicht erreichen." Psychische Erkrankungen würden sich häufig auch in physischen Beschwerden wie Rückenschmerzen oder Herz-Kreislauf-Problemen zeigen. Die Präventionsbeauftragte sagt: "Deshalb ist die Dunkelziffer der psychischen Erkrankungen wahrscheinlich noch viel höher."

Es sei schwierig, vorbeugende Maßnahmen zu entwickeln. Schlage: "Während zum Beispiel die Rückenschule bereits lange etabliert ist, stehen wir bei den psychischen Erkrankungen noch ganz am Anfang."