Hilfen für Hartz-IV-Kinder kommen nicht an. Im Jobcenter fehlt Personal. Der Kinderschutzbund sagt: “Das System ist falsch“.

Ahrensburg. "Umfassend und zügig" sollen Kinder und Jugendliche die "ihnen zustehenden Leistungen" erhalten, hat Schleswig-Holsteins Bürgerbeauftragte Birgit Wille gestern per Pressemitteilung gefordert. Ihr schwant offenbar, dass beim Bildungs- und Teilhabepaket genau diese Forderungen nicht erfüllt sein könnten. Auch in Stormarn gibt es Probleme. Das Jobcenter ist gerade erst dabei, neue Kollegen einzustellen, die dann die Anträge prüfen. Die Sachbearbeiter sollen sich um einen Teil der Menschen kümmern, die vom Bildungs- und Teilhabepaket profitieren: um die 3500 Kinder von Stormarner Hartz-IV-Empfängern. Woher die anderen Anspruchsberechtigten ihr Geld bekommen, ist noch weitgehend unklar. Margot Sinning (SPD), die Vorsitzende des Kreissozialausschusses, sagt: "Wir wollen, dass das Kommunen machen, aber dafür brauchen wir einen Kreistagsbeschluss. Die nächste Kreistagssitzung ist allerdings erst Ende Juni. Ich wäre dafür, sie vorzuziehen."

Ingo Loeding, der Geschäftsführer des Kinderschutzbunds in Stormarn, ärgert sich über die Verzögerungen - und er ärgert sich über die Auszahlungsmodalitäten. "Das System ist vollkommen falsch", sagt er. "Die Kinder und Jugendlichen haben einen grundgesetzlichen Anspruch auf das Geld. Da kann es nicht angehen, dass man dafür erst noch einen Antrag stellen muss." Sein Vorschlag: "Die Jobcenter schicken jedem Anspruchsberechtigten Gutscheine zu, die sie dann selbst einlösen können." Der Umweg über die Antragstellung sei für viele Menschen zu kompliziert. Folge: Die staatlichen Leistungen würden gar nicht erst in Anspruch genommen werden. Loeding findet, dass dahinter durchaus ein Plan stecke. "Ich glaube schon, dass man dieses Antragsverfahren gewollt hat, um die Kosten des Bildungs- und Teilhabepakets möglichst gering zu halten."

Die zusätzliche Leistung für Kinder und Jugendliche war auf Bundesebene von Anfang an umstritten. Der Rechtsanspruch besteht seit Jahresbeginn, aber das Parlament ließ sich mit dem Gesetzesverfahren viel Zeit. Erst seit Ende März gibt es eine Rechtsgrundlage. Danach kann nun Geld fürs Mittagessen in Schule oder Kindergarten beantragt werden, außerdem Geld für Nachhilfe, Sport- oder Kulturangebote, Bustickets, Schulbedarf sowie Schul- und Kitaausflüge. Viel Zeit bleibt den Antragstellern nicht: Wer rückwirkend Leistungen bekommen will, muss das bis Ende April kundgetan haben.

Im Jobcenter sind derweil erst "vereinzelt" Anträge eingegangen, sagt die Leiterin Doris Ziethen-Rennholz. Sie ist nicht der Ansicht, dass das Verfahren zu kompliziert ist. "Der Antrag kann formlos gestellt werden", sagt sie. "Bei einem Sportverein reicht es schon, wenn das Angebot genannt wird und die Kontonummer und die Adresse des Vereins draufsteht. Dann überweisen wir das Geld." Ziethen-Rennholz glaubt, dass dieses System gerade dazu geeignet ist, das Bildungs- und Teilhabepaket bei Familien bekannt zu machen. "Lehrer und Trainer können als Motivatoren fungieren", sagt sie. "Wenn ein Kind zum Vereinstraining kommt und dann sagt, dass aber zu Hause das Geld für eine Vereinsmitgliedschaft nicht vorhanden ist, dann kann der Trainer gleich sagen: Stell doch mal einen Antrag, vielleicht wird das übers Bildungs- und Teilhabepaket bezahlt."

Bevor das so einfach funktioniert, wird es wohl noch etwas dauern. Ziethen-Rennholz hat für die Arbeit mit dem Paket 3,5 neue Stellen bewilligt bekommen. Die Stellenausschreibungen sind raus, Anfang Mai sollen sie besetzt sein. Eine frühere Einstellung war wegen der Verzögerung bei der Verabschiedung des Gesetzes nicht möglich.

Für die Hartz-IV-Kinder hat das negative Folgen. Ingo Loeding spricht von einer "Schlechterstellung". "Seit Jahresbeginn gehören Schulsachen - Stifte, Hefte und solche Dinge - nicht mehr zum Hartz-IV-Regelsatz, weil sie ja über das Bildungs- und Teilhabepaket bezahlt werden sollten. Aber das funktioniert ja noch nicht, also fehlt den Betroffenen das Geld."

Die Sozialausschussvorsitzende Margot Sinning kennt das Problem, verweist aber darauf, dass die Verantwortung dafür nicht beim Kreis liegt. "Wir haben das Gesetz nicht gemacht", sagt sie. "Wir versuchen jetzt, es schlank abzuarbeiten." Im Prinzip hält sie es für richtig, wenn Schulbedarf jetzt gesondert beantragt und bezahlt wird. "Früher verschwand das im Regelsatz, und keiner wusste, ob dafür auch tatsächlich die Dinge gekauft wurden, die das Kind für die Schule brauchte", sagt sie.

Ingo Loeding hätte sich insgesamt eine Regelung gewünscht, die mehr auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingeht. "Ob der Sportverein da wirklich so im Zentrum steht, wage ich zu bezweifeln", sagt er. Und er hätte sich eine Regelung gewünscht, die dafür sorgt, dass das Geld auch "umfassend" bei denen ankommt, denen man helfen will. "Jetzt gehen 20 Prozent für Verwaltungskosten drauf", sagt er.