Der Anstieg bei den Asylanträgen liegt bundesweit bei 50 Prozent. Der Landrat fordert die Kommunen auf, Wohnungen bereitzustellen.

Ahrensburg. Die Zahl der Asylbewerber steigt wieder. Die kreiseigene Unterkunft an der Kampstraße in Bad Oldesloe ist voll. Der Landrat Klaus Plöger hat deshalb die Stormarner Städte und Gemeinden gebeten, für zusätzliche Wohnungen zu sorgen. Ob ihnen das gelingt, ist noch unklar. Nach Einschätzung von Wulf Jöhnk, dem schleswig-holsteinischen Flüchtlingsbeauftragten, sind die Kommunen im Land auf das Problem nicht vorbereitet. Was nicht als Vorwurf gemeint ist. "Sie sind von der Entwicklung überrascht worden", sagt er. "Die Flüchtlinge leben teilweise schon jetzt in unzumutbaren Unterkünften. Manche Kommunen sind gar gezwungen, schlechte Wohnungen zu überhöhten Preisen anzumieten, um die Menschen irgendwie unterzubringen."

Nach vielen Jahren des Rückgangs hat es in Deutschland zuletzt wieder einen deutlichen Anstieg der Asylanträge in gegeben. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verzeichnete 2010 einen Zuwachs von etwa 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bundesweit wurden 41 332 Erstanträge gestellt, 2009 waren es nur 27 649. Im vergangenen Jahr wurde damit der höchste Wert seit 2003 erreicht.

In den ersten Monaten dieses Jahres hat sich der Anstieg fortgesetzt. Im Januar gingen 3748 Erstanträge ein, im Vorjahresmonat waren es nur 2659. Im Februar 2011 wurden 3290 Anträge gestellt (Vorjahresmonat 2361). Das ist ein Zuwachs von 40 Prozent. Was bedeutet das für die Gesamtentwicklung in diesem Jahr? Im Bundesamt wiegelt man ab. "Wir gehen trotz der Zahlen aus den vergangenen Monaten davon aus, dass wir 2011 im Bereich der Erstanträge von 2010 bleiben werden", sagte ein Sprecher.

Der Flüchtlingsbeauftragte Wulf Jöhnk wundert sich über diese Einschätzung. "Im Kollegenkreis sind wir uns eigentlich darüber einig, dass die Zahl der Flüchtlinge weiter steigen wird", sagt er. Man müsse sich nur einmal die Situation auf der italienischen Insel Lampedusa vor Augen führen. Dort kämen nahezu täglich Flüchtlinge aus den arabischen Mittelmeerländern an. "Mit dieser Situation kann die EU Italien nicht allein lassen, das zeichnet sich ja schon ab. Dann wird auch Deutschland ein Flüchtlingskontingent aufnehmen müssen."

Die Asylbewerber werden nach einem bestimmten Schlüssel auf die Bundesländer verteilt, die sie den Kommunen zuweisen. Kurzum: Ein bundesweiter Anstieg der Anträge ist in jeder einzelnen Stadt, in jeder Gemeinde spürbar. Nach Auskunft des Justizministeriums in Kiel waren Ende vergangenen Jahres 2408 Asylbewerber in Schleswig-Holstein untergebracht, 682 mehr als Ende 2009. Das ist ein Zuwachs um rund 40 Prozent. Die Zahl der Erstanträge stieg von 915 (2009) auf 1235 (2010). Die Folgen sind auch in Stormarn spürbar. Seit 2008 steigt die Zahl der Asylbewerber, die im Kreis untergebracht sind. Damals waren es 215, im Jahr darauf bereits 247, Ende vergangenen Jahres 287. Die zentrale Unterkunft in Bad Oldesloe hat nur 62 Plätze - was nicht bedeutet, dass dort 62 Flüchtlinge leben können. Familien bekommen mehr Platz, Männer und Frauen können sich nicht beliebig Zimmer teilen, auch religiöse und kulturelle Unterschiede müssen berücksichtigt werden. "Wenn 90 Prozent der Plätze belegt sind, dann sind wir voll", sagt Wolfgang Kurzweg, in der Kreisverwaltung für Asylbewerber zuständig.

Andere Gemeinschaftsunterkünfte, die es früher im Kreis gegeben hat, sind mittlerweile geschlossen worden. Denn die Zeiten, in denen Flüchtlinge in großer Zahl nach Deutschland und damit auch nach Schleswig-Holstein strömten, sind längst vorbei. 127 937 Asylanträge wurden 1995 in Deutschland gestellt, im Jahr 2000 waren es immer noch rund 79 000. 740 Asylbewerber lebten damals in Stormarn.

Diese Zahl wird so bald nicht wieder erreicht werden. Zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten sind dennoch nur begrenzt vorhanden. Der Glinder Bürgermeister Reinhard Zug könnte zwar noch einige Flüchtlinge in stadteigenen Wohnungen unterbringen, ist ansonsten aber auf konkretere Informationen angewiesen, um handeln zu können. "Ich muss schon wissen, wann wie viele Personen kommen", sagt Zug. "Ich kann ja nicht einfach auf Verdacht irgendwelche Wohnungen anmieten."

Auch das Land hat im vergangenen Jahr eine zentrale Unterkunft in einer Lübecker Kaserne geschlossen. "Wir sind im Prinzip gegen solche Unterkünfte", sagt der Flüchtlingsbeauftragte Jöhnk, "aber ich glaube, wir brauchen sie." Demnächst wird sich auch der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags mit dem Thema beschäftigen. Jöhnk arbeitet an einem Bericht über die Asylbewerberunterkünfte im Land, der kurz vor der Fertigstellung ist. Sein Fazit: "Viele Unterkünfte sind nicht menschenwürdig. Mein Wunsch ist deshalb: Der Landtag möge beschließen, dass die Kommunen gewisse Mindeststandards einzuhalten haben." Dass die das nicht widerstandslos hinnehmen werden, ist ihm klar. "Die werden dann natürlich finanzielle Unterstützung vom Land fordern."