Angesichts der Teilsperrung der A 1 zeigen sich Transportunternehmen und Wirtschaftsverband entsetzt. Baufirma weist Schuld von sich.

Bad Oldesloe. "Die Firmenchefs sind einfach sauer", sagt Axel Stehr. So beschreibt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Südholsteinischen Wirtschaft die Stimmung in den Oldesloer Betrieben. Grund für den Unmut sind der Baupfusch und die daraus resultierende Dauerbaustelle auf der Autobahn 1 zwischen Kreuz Bargteheide und Anschlussstelle Bad Oldesloe. Wie berichtet, wird die frisch sanierte Betondecke auf der rund sechs Kilometer langen Strecke wieder aufgerissen und neu gegossen. Das Verkehrsministerium in Kiel sieht keine andere Möglichkeit, die Baumängel seien zu gravierend. Die bayerische Baufirma Reinhold Meister sieht das anders, die Fahrbahn sei "voll gebrauchstauglich".

Die Autofahrer werden indes auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Ab 15. April werden drei Fahrstreifen auf dem Teilstück Richtung Norden gesperrt. Die Arbeiten dauern drei Monate, beginnen aber erst im August. "Dafür haben wir kein Verständnis mehr", sagt Axel Stehr, der 310 Unternehmen in Stormarn und im Kreis Herzogtum Lauenburg betreut. "Die Lastwagenfahrer müssen Umwege fahren oder stehen im Stau. Verspätete Lieferungen und erhöhte Benzinkosten sind die Folge."

Rüdiger Schacht, Leiter Standortpolitik der IHK zu Lübeck, sagt: "Die A 1 gehört zu den Lebensadern des Nordens, jede Beeinträchtigung schadet der Wirtschaft." Das kann Klaus Ruge von der Spedition Steffens in Bad Oldesloe nur bestätigen: "Die Baustelle behindert uns gewaltig. Die damit verbundenen Umwege und der Zeitverlust sind enorm." Jeden Tag müssten die Lastwagen quer durch Oldesloe fahren, das bedeute eine zusätzliche Belastung für die Innenstadt. Aber vor allem sei die Baustelle ein Problem für die Lastwagenfahrer. Wenn diese zwei Stunden im Stau stünden, steige der Druck, irgendwo einen Parkplatz zu finden, um die Lenkzeiten einzuhalten. Eckhard Bode, 75, hat die Geschäftsführung der Spedition Bode in Reinfeld an seinen Sohn weitergegeben. Dennoch sitzt er täglich im Büro. Ihn erinnere die Situation an ein "Tollhaus". Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Mängel an der Betondecke nicht während des Baus erkannt worden seien. "Da entstehen Kosten, die letztlich auf den Staat und auf die Gesellschaft zurückfallen." Die Mühe, die Kosten auszurechnen, die für die Spedition anfallen, will er sich nicht machen. "Vergebene Liebesmühe", sagt er, "kein Mensch zahlt uns die Verluste." Kai Schmul, Disponent der Spedition Schuldt, gibt sich indes gelassen: "Wir als Oldesloer Spedition kennen die Wege durch die Stadt. Für uns bedeutet die Sperrung einen Umweg von etwa zehn Minuten. Außerdem sparen wir uns die Maut auf der Autobahn." Allerdings würden die künftig verstärkt durch die Stadt rollenden Lastwagen die Anwohner ärgern. Davon kann Anwohnerin Ruth Schuldt ein Lied singen. Über die Sperrung der Anschlussstelle Bad Oldesloe im Sommer 2010 sagt sie: "Es war eine Katastrophe." Um das zu verdeutlichen, sagt die Mutter des Geschäftsführers der Spedition Schuldt: "Ich wohne drei Kilometer vom Betrieb entfernt, aber manchmal habe ich eine halbe Stunde gebraucht, um durchzukommen. Das sagt alles."

Mit der Sperrung Mitte April soll laut Ministerium ein Höchstmaß an Sicherheit für die Autofahrer gewährleistet werden. Denn laut Gutachten sind die Mängel so gravierend, dass bereits nach ein bis zwei Jahren fünf Prozent der Platten gerissen sein werden. Normalerweise soll eine Betondecke bis zu 30 Jahre halten. Wird ein Autofahrer wegen einer gerissenen Betonplatte verletzt, haftet das Land. Und dieses Risiko wolle die Behörde nicht eingehen.

"Das ist nicht nachvollziehbar", sagt Marco Lorenz, Rechtsanwalt der für den Bau zuständigen Firma Reinhold Meister: "Laut Gutachten soll die Fahrbahn nach zwei Jahren in demselben Zustand sein wie vor Baubeginn. Da fragen wir uns, warum die Betondecke nach dem Winter keine Schäden hat." Für den Inhaber der Firma aus Bayern kam die Kündigung des Vertrages mit dem Land nach eigenen Angaben völlig überraschend. Reinhold Meister: "Dies stellt für uns einen groben Vertrauensbruch dar. Am 19. Januar und 8. Februar haben wir mit dem Land das weitere Vorgehen besprochen und einvernehmlich vereinbart. Die Beseitigung tatsächlich vorliegender Mängel haben wir zu keinem Zeitpunkt verweigert." Eine Betondecke mit einer Fläche von mehr als 93 500 Quadratmetern zu erstellen, ohne dass nachgebessert werden muss, sei nahezu unmöglich, sagt Meister. Und: "Eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern geht von der bestehenden Betondecke eindeutig nicht aus."

Das Verkehrsministerium hat vor mehr als einem Jahr rund zwölf Millionen Euro für die Erneuerung des Autobahnabschnittes veranschlagt. Firma Meister war im April 2010 mit der Ausführung der Erd- und Straßenbauarbeiten beauftragt worden. Im November waren die Bauarbeiten abgeschlossen. Bei der Abnahme stellten Sachverständige des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr fest, dass die Betondecke zu weich sei. Ein Vergleichsverfahren zwischen Land und Baufirma scheiterte, der Vertrag wurde vor rund einer Woche gekündigt. Von den 8,9 Millionen Euro, die die Baufirma für die Erneuerung des A 1 bekommen sollte, hat das Land 5,4 Millionen Euro gezahlt.

Die neue Betondecke soll rund sechs Millionen Euro kosten. Damit der Verkehr in die Kreisstadt während der Bauarbeiten nicht umgeleitet werden muss, soll die Anschlussstelle Bad Oldesloe in Richtung Norden nach Angaben des Ministeriums aber nur maximal drei Wochen gesperrt werden. "Dies ist ein großer Vorteil", sagt Oldesloes Bürgermeister Tassilo von Bary. Dennoch befürchtet auch der Verwaltungschef, dass im Sommer zahlreiche Lastwagen wieder durch Oldesloes Innenstadt rollen werden. Auch Georg Ruge, Leiter der Autobahnpolizei, stellt sich während der Reisezeit auf kilometerlange Staus ein. "Das Szenario wie im Sommer 2010 wird sich dieses Jahr wiederholen", sagt Ruge: "Weil nur zwei verengte Fahrstreifen pro Fahrtrichtung zur Verfügung stehen und es keinen Standstreifen gibt, sorgt bereits ein einziger Liegenbleiber für lange Staus."

Für die meisten Pendler ist unbegreiflich, warum nicht schon jetzt mit den Arbeiten begonnen wird, sodass die Strecke vor der Hauptreisezeit fertig ist. "Wir müssen den Auftrag ausschreiben", sagt Ministeriumssprecher Harald Haase. Mitte Juli soll der Auftrag dann vergeben werden. Dass sich Firma Reinhold Meister erneut für den Auftrag bewirbt, was rein rechtlich möglich wäre, schließt das Ministerium wegen "der Modalitäten des Vergaberechts faktisch aus". Ein Richter wird indes entscheiden, ob der Steuerzahler oder die bayerische Firma auf den Kosten in Höhe von rund sechs Millionen Euro sitzen bleibt.