Tausende Stormarner Pendler kamen am Donnerstag wegen des Lokführerstreiks zu spät zur Arbeit

Ahrensburg. Carina Biernacki runzelt verärgert die Stirn. Um 9.59 Uhr sollte ihre Regionalbahn nach Lübeck von Gleis 4 des Ahrensburger Bahnhofs abfahren. Doch auf der blauen Anzeigetafel läuft nur eine Ansage durch: Zug fällt aus. Die 20-Jährige, die zur Arbeit nach Lübeck muss, ruft ihren Chef an: "Ich sitze am Bahnhof fest." Während sie auf seinen Rückruf wartet, macht Carina Biernacki ihrem Ärger Luft. "Das ist wirklich ätzend. Ich habe den Schlüssel zum Laden, die Kunden stehen vor verschlossenen Türen."

Wie der Ahrensburgerin ging es am Donnerstag vielen Bahnreisenden. Denn an den Bahnhöfen in Stormarn ging wegen des Lokführerstreiks fast nichts mehr. In Schleswig-Holstein seien 64 Züge der Deutschen Bahn ausgefallen, sagte deren Sprecher Egbert Meyer-Lovis der Regionalausgabe Stormarn. Die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) sprach von einer Ausfallquote von 95 Prozent im Norden. Der Streik hatte am Mittwochabend mit dem Ausfall von Güterzügen begonnen. Ab 4 Uhr am Donnerstag war auch der Personenverkehr betroffen. Bis 10 Uhr standen Pendler und Reisende vor verschlossenen Zugtüren.

Am Bahnhof Ahrensburg sind am Vormittag nur wenige Menschen. Einige ärgern sich über Züge, die nicht fahren. Andere hoffen noch, dass sie doch pünktlich abfahren. Beata Kesik beobachtet die Anzeigtafel. "Noch soll mein Zug nach Plan fahren, aber Verspätungen werden ja oft erst kurz vorher angezeigt", sagt sie. Als Selbstständige hat sie Termine in Hamburg. "Die müsste ich im Notfall kurzfristig verlegen." Für den Streik der Lokführer habe sie durchaus Verständnis, sagt die Ahrensburgerin. "Aber das nervt schon sehr." An der Haltestelle Gartenholz blickt Olaf Rotzoll verärgert auf die leeren Gleise. "Das ist eine Frechheit", sagt der 39-Jährige, der die Regionalbahn um 10.11 Uhr nach Bargteheide nehmen wollte. Auch die fällt laut Anzeige aus. "Und es gibt noch nicht einmal eine Durchsage, ältere Leute, die nicht mehr so gut sehen können, wissen doch gar nicht, was los ist." Der Computertechniker muss seinen Termin mit einem Kunden nun verschieben. Stefanie Eggert, die als Küchenaushilfe in Bargteheide arbeitet, ärgert sich über den Zugausfall. "Und das, wo wir immer mehr für die Fahrkarten bezahlen müssen." Der Protest der Lokführer sei im Grunde in Ordnung, sagt Olaf Rotzoll. "Ein Freund von mir ist Lokführer und geht jetzt in die Schweiz. Hier verdient er einfach zu wenig. Aber vielleicht hätten die das ohne Streik lösen können."

Carina Biernacki versucht noch immer, ihre Fahrt nach Lübeck zu organisieren. Auf den nächsten Zug um 10.50 Uhr kann sie nicht warten, die ersten Termine der Kosmetikerin in Lübeck stehen um 11 Uhr an. Per Handy hat sie ihren Chef erreicht. Der wird sie nun mit dem Auto an einer Tankstelle in Großhansdorf abholen. Die 20-Jährige ruft ihren Vater an. Ob er sie dahin bringen könne? In Ordnung. Carina Biernacki atmet tief aus, ihre Stirn entspannt sich. Für den Streik habe sie kein Verständnis, sagt sie. "Ich verdiene viel weniger als ein Lokführer - und ich streike auch nicht."

Mit dem Arbeitskampf wollen die Lokführer einen einheitlichen Tarifvertrag durchsetzen. Alle Lokführer, egal ob sie bei der Bahn oder bei einer der großen privaten Regionalbahnen angestellt sind, sollen gleich bezahlt werden - und zwar auf dem Niveau der Deutschen Bahn, plus fünf Prozent. Die Verhandlungen führt die GDL, in der drei Viertel der Lokführer organisiert sind.

Die Deutsche Bahn erstattet das Geld für bereits gekaufte Fahrkarten in ihren Reisezentren, wenn der Zug ausgefallen oder verspätet ist. Sie ist allerdings nicht dazu verpflichtet, da ein Streik als höhere Gewalt gilt. Alternativ können Reisende einen nachfolgenden Zug nutzen, auch wenn dieser teurer ist oder die Karte zum Spartarif mit Zugbindung gekauft wurde. Für Fragen hat die Bahn eine kostenlose Servicenummer eingerichtet: 0800/099 66 33.