Obwohl die Zahl verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher an Schulen immer weiter zunimmt, fehlt es überall an Sozialpädagogen.

Ahrensburg. Sie stören massiv den Unterricht, sind permanent unkonzentriert. Einige kommen gar nicht mehr zu Schule, andere werden sogar gewalttätig - die Zahl verhaltensauffälliger Kinder an Stormarns Schulen steigt an. Doch ausreichend Sozialpädagogen, um dem Problem Herr zu werden, gibt es nicht. Lehrer der Ahrensburger Gemeinschaftsschule Am Heimgarten hatten diese Kritik in der Schulserie der Abendblatt-Regionalausgabe geäußert. Dass sie mit dem Problem nicht allein dastehen, belegen Zahlen des Landesrechnungshofs. Demnach haben 20 Prozent der Kinder an den allgemeinbildenden Schulen Probleme, weitere sieben Prozent sogar massive. 80 Prozent der Schulen hätten Bedarf an Schulsozialarbeit.

Das Stormarner Schulamt widmet dem Umgang mit schwierigen Schülern erstmals eine Fortbildungsreihe für Lehrer. Schulrätin Katrin Thomas sagt, dass die steigende Zahl verhaltensauffälliger Kinder "Thema Nummer eins" in der Schulbehörde sei. Der Kreis begleite die Schulen in der Erziehungshilfe mit einer Fachberaterin und einer Schulpsychologin. Zudem kooperierten die Förderzentren vor Ort mit Schulen. Aktuell seien es laut Schulamt knapp sechs Prozent der Schüler im Kreis, die eine besondere Betreuung erhielten.

An der Gemeinschaftsschule Am Heimgarten arbeiten zwei Sozialpädagogen im Auftrag des Schulträgers, der Stadt Ahrensburg. Doch sie sind im Wesentlichen für die Organisation der offenen Ganztagsschule zuständig. Zwar leisten sie auch Präventionsarbeit zu den Themen Gewalt, Drogen und Mobbing und helfen in schweren Einzelfällen. Doch für mehr reicht ihr Stundenkontingent nicht aus, sagt Konrektorin Ulla Thiele. "Eigentlich sind es ein bis zwei Schüler pro Klasse, die nicht mehr gruppenfähig sind und eine gesonderte Betreuung verlangen", so Thiele. Bei 31 Klassen bedeutet das rund 50 Schüler, die vormittags durch einen Schulsozialarbeiter betreut werden müssten.

Hilfe von Seiten des Trägers bleibe aus. "Ich hatte vor einem Dreivierteljahr angemerkt, dass wir mehr Stunden städtischer Sozialpädagogen benötigen und darum gebeten, die Ressourcen zu durchleuchten", sagt Schulleiter Heiner Bock. Doch die Stadt habe darauf verwiesen, dass der Einsatz von Sozialpädagogen eine freiwillige Leistung sei und die vorhandenen Kräfte an anderen Stellen benötigt würden.

Bock nahm daraufhin das Zepter selbst in die Hand und schuf vorübergehend eine Lösung aus eigenen Ressourcen. Drei Lehrer kümmern sich nun um fünf bis sechs auffällige Schüler außerhalb des Klassenverbands. Drei Stunden investieren sie täglich dafür. Stunden, die für den herkömmlichen Unterricht fehlen. Es ist der Versuch, Problemkinder wieder für den Unterricht im Klassenverband zu befähigen. Vertreter des Schulelternbeirats kritisieren, dass das Pilotprojekt zu Lasten anderer Kinder gehe. Sie fordern die Kommunalpolitik auf, sich des Problems anzunehmen, verweisen auf eine mögliche Umverteilung städtischer Sozialpädagogen.

"Für die schulpädagogischen Aufgaben ist die Stadt als Schulträger nicht zuständig", sagt Bürgermeister Michael Sarach. Das seien Aufgaben des Landes. "Um die Betreuung der Jugendeinrichtungen nicht zu gefährden, ist es nicht möglich, Sozialpädagogen aus den Einrichtungen anderweitig einzusetzen." Mit 13 Sozialpädagogen seien die pädagogischen Angebote der Stadt beispielhaft und einmalig im Kreis.

Das nützt den Schulen wenig. Matthias Stern, Vorsitzender des Bildungs-, Kultur- und Sozialausschusses und CDU-Fraktionsmitglied in der Schlossstadt, sieht die Verantwortung ebenfalls beim Land. Er sagt: "Kiel ist in der Pflicht und muss die Konsequenzen für steigende Zahlen auffälliger Kinder tragen.". Zwar spreche sich die Partei Bündnis 90/Die Grünen klar für Sozialarbeit aus, sagt Ausschuss-Mitglied Christian Schubbert-von Hobe, doch es fehlten die Mittel. "Ich bin bereit, einen kommunalen Topf aufzumachen, aber die Stadt hat ein großes Minus im Haushalt. Ich würde mich freuen, wenn die Eltern zur nächsten Sitzung des Bildungsausschusses kämen."

Das Bildungsministerium hingegen sieht die Kommunen in der Pflicht für Schulsozialarbeit. "Zum Schulpersonal zählen nur Lehrer, Sozialarbeiter nicht", sagt Sprecher Thomas Schunck. "Schulsozialarbeit ist eine kommunale Aufgabe, verantwortlich dafür sind die Schulträger." Immerhin: Das Land sähe sich in der Mitverantwortung, das zeige das neu geschaffene Budget von 2,5 Millionen Euro. Auch in Bargteheide beobachtet Sozialpädagogin Ute Sauerwein-Weber, Jugendbildungsreferentin der Stadt, seit Jahren einen Anstieg verhaltensauffälliger Kinder. Sie sagt: "Ich glaube, der erhöhte Medienkonsum, die veränderte Lebensform in den Familien und die Erziehungsunsicherheit bei Eltern tragen dazu bei." Manche Schüler hätten schon zwei Stunden Medienkonsum hinter sich, wenn sie zur Schule kämen. Die Reizüberflutung sorge für einen hohen Adrenalinpegel, der mangels Bewegung nicht abgebaut werde.

"Während Jungen ihre Defizite nach außen kompensieren und ihre Aggressivität zunimmt, geht es bei Mädchen nach innen", sagt Sauerwein-Weber. "Das führt zu Angstzuständen, Essstörungen, Depressionen und selbst verletzendem Verhalten." Die Sozialpädagogin ist seit 2000 mit einer halben Stelle an der Bargteheider Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinschaftsschule im Einsatz. Sie berät 830 Schüler, deren Eltern und Lehrer, betreut Projekte zu Gewaltprävention und Jugendschutz. Auch an den anderen weiterführenden Schulen in Bargteheide arbeiten Sozialpädagogen. "Eine halbe Stelle ist deutlich zu wenig", sagt Sauerwein-Weber. Das sei grenzwertig. Ideal sei eine volle Stelle, die zu gleichen Teilen von Mann und Frau besetzt sei.

In anderen Stormarner Städten wie Reinbek gibt es lediglich einen Sozialpädagogen am Schulzentrum. An weiteren Schulen herrscht wegen fehlender Mittel Mangel. Während die Wissenschaft als ideales Verhältnis einen Sozialarbeiter für 160 Schüler erachtet, sieht der Landesrechnungshof in der Sekundarstufe I 500 Schüler pro Sozialarbeiter vor. Schulleiter Heiner Bock will im Mai die vorläufigen Ergebnisse seines Pilotversuchs auswerten und erneut beim Schulträger vorstellig werden. Bock: "Ich will den Bedarf an meiner Schule befriedigen. Ich hoffe, die Verantwortlichen tun etwas für uns."