Der Energieriese E.on bezweifelt die Rechtmäßigkeit der Vergabe von neuen Stromkonzessionen. Südstormarn im Visier.

Barsbüttel. Der Riese ist gereizt. Mit einer kaum verhüllten Klageandrohung hat die E.on-Tochter Schleswig-Holstein Netz AG jetzt auf die Entscheidung von Glinde, Barsbüttel, Wohltorf und Oststeinbek reagiert, die Stromkonzessionsverträge nicht erneut mit E.on abzuschließen. "Im Übrigen behalten wir uns vor zu überprüfen, ob die Vergabe der Wegenutzungsverträge unter wettbewerblichen Gesichtspunkten ordnungsgemäß erfolgt ist", heißt es in einem Schreiben der Netz AG an die Gemeinde Barsbüttel.

Deren Bürgermeister Thomas Schreitmüller empfindet diesen Verweis auf rechtliche Schritte als "Frechheit". "Das ist das Verhalten eines schlechten Verlierers", sagt er. Weil das Schreiben offenbar kein Einzelfall ist, will sich der Landesvorstand des schleswig-holsteinischen Gemeindetags am kommenden Dienstag mit dem aggressiven E.on-Vorgehen gegen "Abweichler" beschäftigen. Schreitmüller ist Mitglied des Landesvorstands.

E.on versucht in diesen Wochen offenbar alles, um den Verlust der lukrativen Stromnetze in Grenzen zu halten. Überall in Schleswig-Holstein laufen jetzt die Wegenutzungsverträge fürs Stromnetz aus. Überall haben die Kommunen damit die Chance, nach 20 Jahren der vertraglichen Bindung an E.on die Netze selbst in die Hand zu nehmen oder etwa an kommunale Stadtwerke weiterzureichen.

Barsbüttel, Glinde, Oststeinbek und Wohltorf haben diesen Schritt gewagt. Die vier Gemeinden entschieden sich für das Angebot des e-Werks Reinbek/Wentorf und gegen E.on. Die neuen Konzessionsverträge für die Zeit ab Jahresbeginn 2012 sind bereits unterschrieben. Aber E.on hat noch einen Trumpf in der Hand. Dem Altkonzessionär gehören die Stromnetze. Zwar muss er sie nun ans e-Werk verkaufen, aber die Details sind Verhandlungssache.

Eine Verzögerungstaktik ist also durchaus möglich. Im Brief der Netz AG an Barsbüttel klingt einiges nach einer solchen Taktik. Unter anderem behauptet das Unternehmen, Barsbüttel dürfe das Recht auf Übernahme des Stromnetzes gar nicht ans e-Werk abtreten. Begründung: Mit diesem Verbot soll sichergestellt werden, dass das Netz "nur an einen finanzkräftigen Erwerber" übertragen wird, um so die "Zahlungsansprüche des Veräußerers zu sichern".

Darin steckt die Unterstellung, das e-Werk sei finanziell gar nicht in der Lage, den Netzkauf zu stemmen. Allein im Fall Barsbüttel geht es immerhin um einen Betrag zwischen vier und acht Millionen Euro. Nun ist E.on allerdings über seine Tochterfirma Service plus selbst am e-Werk beteiligt - mit 17,5 Prozent. Nach Informationen der Stormarn-Ausgabe des Abendblatts hat die Formulierung aus dem E.on-Drohbrief bei der jüngsten Gesellschafterversammlung des kleinen Reinbeker Werks für erheblichen Unmut gesorgt. Andreas Fricke, Vorstand Finanzen des Stromriesen, musste höchstpersönlich die Wogen glätten. Axel Bärendorf, Reinbeks Bürgermeister und zugleich Vorsitzender der Gesellschafterversammlung des Werks, sagt: "Dieser Brief hat mich sehr überrascht. Zumal Gutachten belegen, dass das e-Werk liquide ist." Mittlerweile habe es aber in diesem Punkt "eine befriedigende Erklärung" von der E.on-Tochter gegeben.

Ove Struck, der E.on-Pressesprecher, bezeichnet das umstrittene Schreiben als "formalen Vorgang". "Bei der Übergabe werthaltiger Güter müssen wir die Interessen unserer Anteilseigner sichern", sagt Struck. Und fügt hinzu: "Zu diesen Anteilseignern gehören auch viele Kommunen." Hat die rechtliche Überprüfung der Konzessionsvergaben schon zu Ergebnissen geführt? "Nein", sagt Struck.

Die extra von E.on gegründete Schleswig-Holstein Netz AG, die möglichst viele neue Konzessionsverträge mit Kommunen abschließen soll und sich beispielsweise auch in Barsbüttel beworben hatte, stößt nach Auskunft Strucks "auf großes Interesse bei den Kommunen". Das Unternehmen hat allen Gemeinden das Angebot unterbreitet, Anteilseigner zu werden. Allerdings werden sie immer Minderheitsaktionär bleiben: 50,1 Prozent an der Netz AG hält E.on. Wer hat dieses Angebot bislang angenommen? "Die Stadt Neumünster", sagt der Pressesprecher. Weitere Kommunen kann er nicht nennen.

In Stormarn hat die E.on-Tochter jedenfalls schlechte Karten. Eine Ära scheint zu Ende zu gehen - die Zeit, in der erst die Schleswag und dann der Nachfolger E.on quasi als natürliche Partner der Kommunen galten und sich so ein Monopol herausbildete. Im Süden hat sich das e-Werk die Netze gesichert, in Bad Oldesloe und Umgebung sowie in Nordstormarn sind die Vereinigten Stadtwerke aktiv. Dieser Zusammenschluss der Stadtwerke Bad Oldesloe, Ratzeburg und Mölln hat auch im Nachbarkreis Herzogtum Lauenburg Konzessionsverträge abgeschlossen.

Was spricht für regionale Lösungen, was gegen die Netz AG? Thomas Schreitmüller, Barsbüttels Bürgermeister, erklärt: "Die Gewinne bleiben in der Region. Und als zukünftiger Mitgesellschafter des e-Werks können wir mitentscheiden, was mit dem Geld gemacht wird." Bei der Netz AG wäre man nur einer von vielen Mini-Anteilseignern mit entsprechend wenig Einfluss.

Das Schreiben aus dem Hause E.on hat Schreitmüller jetzt in seiner Haltung bestätigt: "Mit einem solchen Partner möchte man nicht Geschäfte machen." Rainhard Zug, Bürgermeister von Glinde, schließt nicht aus, dass E.on die Verhandlungen um den Netzkauf nun verzögern könnte. "An der politischen Entscheidung ist nicht zu rütteln", sagt er. "Unser Partner ist das e-Werk."

Beim Verband der kommunalen Unternehmen verfolgt man das Vorgehen des Energieriesen mit einer gewissen Sorge. "E.on wird nervös", sagt der Geschäftsführer Detlef Palm. "Möglich ist, dass der Streit um den Kauf der Netze in einem Musterprozess oder in einem Schlichtungsverfahren entschieden werden muss."