Glinde. Ihre Traumschule ist eine Schule ohne Rassismus, in der die Schüler bei wichtigen Entscheidungen mitreden dürfen. Sie hat in ihrem Zentrum einen großen Raum, als Treffpunkt für Schüler, Lehrer und Eltern. Alle Jungen und Mädchen können hier je nach ihren Fähigkeiten und Talenten eigene Schwerpunkte im Lernen setzen. Unterrichtet wird in einem schönen neuen Gebäude, jeder Schüler hat zum Lernen neue Bücher vor sich liegen.

Die Traumschule, die eine Gruppe von Schülern in ihren Köpfen entworfen hat, gleicht in vielen Punkten dem Ort, an dem sie tatsächlich lernen - der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld in Glinde. Zwar verbringen sie den Schultag noch immer in einem maroden Gebäude, doch das hält die Schüler und ihre Lehrer nicht von ihrem Bemühen ab, im Inneren der Mauern ihren Traum von einer Schule zu verwirklichen.

Gefühltes - wenn auch nicht räumliches - Zentrum ist die neu gebaute Mensa, ein asymmetrischer Bau mit knallroter Fassade. "Die Mensa ist der Mittelpunkt des kulturellen Schullebens", sagt Fynn Wilkes, einer der fünf Schülervertreter. "Hier trifft man sich." An den Tischen, die im Raum verteilt stehen, wird nicht nur gegessen. Gruppen aus der offenen Ganztagsschule treffen sich hier. In den Freistunden ziehen sich Schüler hierher zurück, um in Ruhe zu lernen. Dafür hat die Mensa mehrere Nischen, die an bodentiefe Fenster grenzen.

Auf der Bühne spielen Schüler aller Jahrgänge regelmäßig Konzerte und führen Theaterstücke auf. So wie die Schüler der fünften Klasse von Christa Krohn. Die Lehrerin unterrichtet eine der vier Profilklassen, die zugleich Integrationsklasse und Künstlerklasse ist. Zusätzlich zum normalen Unterricht haben die Schüler ein Theaterstück erarbeitet. "Sie spielen nicht nur auf der Bühne", sagt Christa Krohn. "Sie haben auch das Stück, eine Märchenmontage, geschrieben und kümmern sich um die Technik und die Kulissen."

Fünftklässler, die besonders viel Spaß an Musik oder Kunst und Theater haben, können in der Unterstufe die entsprechenden Profilklassen besuchen. Kinder, die mehr Lust auf Bewegung oder naturwissenschaftliches Experimentieren haben, wählen diese Schwerpunkte. Jamie ist zehn Jahre alt und eine kleine Naturforscherin. "Ich finde unsere Schule richtig gut. Bei einem Experiment mit einem Gasbrenner haben wir zum Beispiel geguckt, wie schnell Wasser warm wird", sagt sie. "Forschen ist toll. So kann ich viel lernen und das auch zeigen." Ihr Mitschüler Martin konnte sich nur schwer entscheiden. "Ich finde auch die Künstlerklasse gut."

"Bei uns findet jeder seine Rolle", sagt der Schulleiter

Die Profilklassen sind eine Besonderheit der Schule. "Bei uns findet jeder seine Rolle", sagt Schulleiter Volker Wurr. Im Angebot der offenen Ganztagsschule gibt es zahlreiche Arbeitsgemeinschaften, unter denen die Schüler am Nachmittag wählen können. "Die Kinder haben eine Riesenauswahl", sagt Elternvertreterin Nurcan Kilic und zählt auf: Fußball, Theater, Video, Computer. Es gibt sogar eine Tansania-AG, in der Schüler den Austausch mit der Partnerschule in Afrika vorbereiten. "In den drei Wochen in Tansania lernen die Schüler, mit einer völlig fremden Kultur umzugehen", sagt Lehrerin Martina Schlüsener.

Dominik, 16, war beeindruckt von dem Lebensmut der Menschen. "Alle sind total glücklich, das sieht man hier nicht", sagt Dominik, der gern noch einmal nach Tansania reisen würde. "Ich könnte mir gut vorstellen, dort zu studieren." Besonders groß ist das Angebot im Bereich Musik. Es gibt nicht nur eine Big Band und eine Junior-Big-Band, sondern auch ein sinfonisches Jugendblasorchester, eine Pop-AG und eine Gruppe, die Straßenmusik macht. Die Schule ist gut ausgestattet, sodass Schüler viele Möglichkeiten haben, ein Instrument zu lernen. Externe Lehrer von der Musikschule kommen nachmittags zum Unterrichten in die Schule.

Für Schüler, die beim Lesen oder Rechnen besondere Schwierigkeiten haben, gibt es spezielle Förderprogramme. So wie das Projekt "Mathe macht stark". Einmal pro Woche wiederholen Schüler in Kleingruppen Grundlagen der Mathematik, zum Beispiel Bruchrechnen oder Prozentrechnen. Lehrerin Inga Thurau erklärt einer Schülerin, wie diese die Winkel in einem farbig unterteilten Kreis berechnen kann. Die anderen Schüler arbeiten unterdessen an eigenen Arbeitsblättern. Es ist ruhig im Klassenraum, nur ab und zu steht einer auf und holt sich eine neue Aufgabe.

Im Unterricht an der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld stehen Unterrichtsformen, bei denen die Schüler mit Kopf, Herz und Hand lernen, im Vordergrund. Die Kinder und Jugendlichen werden je nach ihren Fähigkeiten gefordert und können beispielsweise in selbstständiger Wochenplanarbeit ihr Tempo selbst bestimmen. Um Themen, zum Beispiel Mittelalter, Berufsorientierung oder Sexualität, zu vertiefen, gibt es zweimal im Jahr eine Projektwoche. Dazu kommt in jedem Schuljahr eine Woche mit dem Schwerpunkt "Schule ohne Rassismus".

Gelebte Toleranz ist ein Grundprinzip im Schulalltag. "Niemand wird bei uns ausgegrenzt oder wegen seiner Herkunft beleidigt", sagt Schülervertreterin Sarah Pfaff, 17. Stattdessen würden Konflikte direkt angesprochen, moderiert von Schülern, die sich als Streitschlichter haben ausbilden lassen. In den unteren Klassenstufen besprechen Schüler und ihre Lehrer solche Dinge in einer Extrastunde, dem wöchentlichen Klassenrat. "Hier wird nichts unter den Teppich gekehrt, sondern alles angepackt", sagt Dörte Nowacki, Vorsitzende des Schulelternbeirats. Schönrednerei gebe es an der Schule nicht. "Und gerade dadurch wird es schön."

In diesem Jahr gibt es neben der Anti-Rassismus-Woche ein besonderes Projekt: Schule als Staat. Die Schüler verwandeln ihre Schule für ein paar Tage in eine Republik mit Ämtern, Unternehmen und demokratischen Strukturen. "Wir wollen selbst ausprobieren, wie ein Staat im Alltag funktioniert", sagt Fynn Wilkes, der das Konzept mit der Schülervertretung (SV) in der Schulkonferenz eingebracht hatte. Die Idee brachte er von seiner früheren Schule mit, vor einem Jahr wechselte Fynn Wilkes an die Gemeinschaftsschule. "Die Schule hat einen guten Ruf", sagt der Zwölftklässler. "Zwischen den Schülern und Lehrern herrscht fast so etwas wie Freundschaft."

"Ohne unseren Verbindungslehrer geht gar nichts", sagt Daniel Siefert

Die Schülervertreter organisieren auch jedes Jahr eine SV-Fahrt nach Lütjensee. Alle Schüler, die Lust haben, neue Ideen für ihre Schule mitzuentwickeln, können mitfahren. Die Traumschule ist regelmäßig Thema bei diesen Fahrten. "Wir reden darüber, was die Schüler ändern wollen, welche Wünsche sie haben", sagt Schülervertreterin Maja-Josephin Schuldt, 18. Unterstützt wird das Schülergremium durch den Verbindungslehrer Christian Witt. Er ist der Kontakt zu den anderen Schulgremien, versorgt die Schülervertreter mit Informationen und erinnert sie daran, wenn mal wieder eine SV-Sitzung angesetzt werden sollte.

"Ohne unseren Verbindungslehrer geht gar nichts", sagt Zwölftklässler Daniel Siefert. Mit seinen Mitstreitern von der SV hat er vor kurzem eine Auszeichnung entgegengenommen. Zahlreiche Schüler der Gemeinschaftsschule machen jedes Jahr beim sozialen Tag mit. An diesem Tag werden sie vom Unterricht befreit und arbeiten bei Privatpersonen oder Unternehmen. Das verdiente Geld spenden die Schüler seit zehn Jahren an das Hilfsprojekt "Schüler helfen Leben". Damit alles reibungslos klappt, steckt die SV jedes Jahr viel Zeit und Energie in die Organisation des Spendenprojekts.

Solches Engagement beobachtet Elternbeirätin Dörte Nowacki immer wieder bei den Schülern der Gemeinschaftsschule Wiesenfeld. "Die äußere Hülle lässt zwar zu wünschen übrig", sagt sie. "Aber durch die Schüler bekommt die Schule ihr starkes Herz."