Vier Sozialdemokraten bewerben sich um den Posten des Spitzenkandidaten. Jetzt stellten sie sich in Stormarn vor

Ahrensburg. Im Alfred-Rust-Saal wurde noch einmal Jahresanfang gespielt. Der SPD-Kreisvorsitzende Martin Habersaat verlas Horoskope der Bewerber für die SPD-Spitzenkandidatur bei der nächsten Landtagswahl. Die vier Genossen mussten wiederum verraten, mit welchen Vorsätzen sie ins Jahr 2011 gestartet sind. Die Elmshorner Bürgermeisterin Brigitte Fronzek, der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner, der Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig und der Gewerkschafter Mathias Stein versuchten am Montag nach Kräften, die rund 250 Zuhörer von ihren Fähigkeiten zu überzeugen. In welchem Maß das gelang, blieb am Ende unklar. Wie die Mehrzahl der Kreisverbände hatte auch der Stormarner beschlossen, am Ende keine Abstimmung durchzuführen.

Wer hat das Zeug zum Ministerpräsidenten?

Das SPD wagt Ungewöhnliches. Erstmals sollen nicht die Funktionäre, sondern die überalterten Mitglieder der schrumpfenden Partei selbst entscheiden, wer bei der nächsten Landtagswahl den Kampf um die Wählergunst aufnimmt. Um mal den Traum ganz konkret zu beschreiben: Wer hat das Zeug zum Ministerpräsidenten einer SPD-geführten Landesregierung? Nach acht Vorstellungsrunden in ganz Schleswig-Holstein hat sich in dieses brandneue Konzept unübersehbar Normalität eingeschlichen. Die Kontrahenten kennen sich mittlerweile, die Stimmung ist harmonisch, die Antworten wirken nur selten wirklich spontan. Dass Ralf Stegner einmal sagt, die Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten sei für die SPD auch eine Richtungsentscheidung, wird nicht so richtig deutlich. Dominierend ist vielmehr eine Empfindung, die ein Zuhörer in eine Frage gießt: Könnten sich die Bewerber vorstellen, die unterlegenen Konkurrenten bei einem Wahlerfolg ins Landeskabinett aufzunehmen? "Ihr seid doch ein tolles Team!" Albig antwortet, alle nicken: "Ja, das ist durchaus vorstellbar. Dieser Eindruck wird von Mal zu Mal stärker."

Nun ist Harmonie ja für eine Volkspartei, die bei der letzten Landtagswahl im September 2009 gut 13 Prozent verloren hat und bei katastrophalen 25 Prozent gelandet ist, nichts Schlechtes. Andererseits liegt die verlorene Wahl gerade mal anderthalb Jahre zurück. Sollte man da nicht auch darüber reden, was damals schief gelaufen ist?

Am klarsten spricht dieses unerfreuliche Thema noch Brigitte Fronzek an. "Wir brauchen einen personellen Neuanfang", fordert sie. "Wir haben den Menschen früher nicht die ganze Wahrheit gesagt und damit Vertrauen verloren. Die Folge ist, dass sie nun nicht mehr zur Wahl gehen." Ihr Gegenmittel: Klare Ziele benennen und konsequent an der Umsetzung arbeiten.

Diesen letzten Satz würden auch die anderen Kandidaten unterschreiben, und selbst bei den anzusteuernden Zielen ist die Übereinstimmung groß. Bildung steht bei allen auf dem ersten Platz. Das sozialdemokratische Credo lautet so: Bildung ist wichtig, und eine gute Ausbildung spart Geld, weil es für den Staat viel teurer wird, ungebildete Menschen ein Leben lang finanziell unterstützen zu müssen. Bildung soll deshalb kostenlos werden.

Dass das nicht von heute auf morgen geht, betonen alle Bewerber immer wieder - sie wollen offenbar nicht etwas versprechen, was sich angesichts der hohen Verschuldung des Landes nicht halten lässt. Stegner setzt sich als zeitliches Ziel zur Umsetzung des Versprechens das Jahr 2020 - wobei er darauf hinweist, dass er am liebsten zwei Legislaturperioden lang regieren würde. Und Torsten Albig spricht von einer Umsetzung "Stück für Stück" - je nachdem, was die Finanzen erlauben. Das alles soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SPD die Wahl zwischen vier unterschiedlichen Charakteren mit unterschiedlichen Interessen hat. Gerade die "weichen" Fragen der Moderatorin Christiane Harthun-Kollbaum zeigen das recht deutlich. Torsten Albig nennt Berthold Beitz als Vorbild - den Mann, der nach dem Zweiten Weltkrieg den ehemaligen Rüstungskonzern Krupp wieder aufbaute. Ein Mitglied einer klassischen Arbeitnehmerpartei nennt einen Arbeitgeber als Vorbild? Albig grenzt ein: "Gerade von jemandem, dessen Meinungen man nicht unbedingt teilt, kann man viel lernen."

Geschickter Konter des Mannes, der oft etwas mürrisch wirkt

Albigs größte Schwäche? "Einige sagen von mir, ich sei ein arroganter Sack. Offenbar strahle ich das aus." An diesem Abend wirkt er nicht arrogant, sondern kompetent - vor allem in Finanzdingen. Allerdings ist er damit noch längst nicht der von vielen Genossen ersehnte und für Wähler attraktivere Gegenpol zum Landesvorsitzenden Ralf Stegner. Dem wird seit seiner krachenden Niederlage bei der letzten Landtagswahl nachgesagt, im fehle die Ausstrahlung, die man brauche, um auch jenseits der Parteigrenzen zu punkten.

Doch nun ist eher Stegner derjenige, der mit Schlagfertigkeit punktet und den Saal zum Lachen bringt. Sein größter Fehler war? "Dass Carstensen sein Ministerpräsidenten-Amt nicht kann, hätte ich damals zu Zeiten der großen Koalition nicht jeden Tag sagen müssen. Das wissen die Bürger auch so." Welchen Titel würde seine Biographie haben, falls er mal eine schreiben sollte? "Immer geradeaus, aber nicht so oft gegen die Wand." Und auch die Frage nach seiner größten Schwäche kontert der Mann, der oft ein bisschen mürrisch wirkt, ganz geschickt: "Meine größte Schwäche ist meine Harmoniebedürftigkeit, aber das lebe ich in der Öffentlichkeit nicht so aus."

Brigitte Fronzeks Vorbild ist die "Mutter Courage des Ostens"

Brigitte Fronzek ist eine kleine, Fröhlichkeit ausstrahlende Frau, was deshalb besonders augenfällig ist, weil sie mit einer Körperbehinderung leben muss - ihr rechter Arm ist verkürzt. Die Juristin punktet mit ihren 15 Jahren Erfahrung als Bürgermeisterin, mit ihren Erfolgen bei zwei Direktwahlen. Als Vorbild nennt sie die verstorbene brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt - die "Mutter Courage des Ostens". Ihr Vorsatz für 2011: "Nicht so oft dazwischenreden."

Am schwersten in der Runde hat es sicherlich Mathias Stein. Der Gewerkschafter, Personalrat der Verwaltung des Nord-Ostsee-Kanals, lehnt es als einziger ab, bei Landesbehörden Personal einzusparen. Warum er kandidiert, bleibt etwas unverständlich. Chancen hat er kaum. Bei den drei Vorstellungsrunden, bei denen hinterher abgestimmt wurde, hat er neun Stimmen bekommen. In Stormarn bemüht er sich redlich, ein eigenes Profil zu entwickeln. In seiner Kurzvortrag spricht er davon, Schleswig-Holstein zu einem "starken Ernährungsland" machen zu wollen. Er endet mit einem Versprecher: "Ich werbe um meine Stimme."