Vielen freien Stellen stehen wenig Bewerber gegenüber. Fachleute fordern mehr Anerkennung und bessere Bezahlung

Ahrensburg. In den Stormarner Pflegeheimen wird das Personal knapp. Zahlreiche Stellen in der Altenpflege können nicht besetzt werden. Im November waren 66 offene Stellen bei der Agentur für Arbeit in Bad Oldesloe gemeldet - doch es gab nur 16 qualifizierte Bewerber. Einen Monat zuvor waren es 78 Angebote und 18 Bewerber. Ähnlich sehen die Zahlen laut Stefan Schröder, Sprecher der Arbeitsagentur, für jeden anderen Monat dieses Jahres aus.

Der Pflegenotstand zeichnet sich seit einigen Jahren ab. Im Jahr 2025 werden laut Statistischem Bundesamt deutschlandweit 152 000 Pflegekräfte fehlen. Leidtragende sind die Patienten. Auch in vielen der 39 ambulanten Pflegediensten und 21 stationären Einrichtungen in Stormarn fehlen qualifizierte Kollegen.

"Die Situation ist grauenhaft", sagt Matthias Hartig, Landesgeschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) Schleswig Holstein, "vor allem bei examinierten Fachkräften gestaltet sich die Suche schwierig. Und leitendes Personal zu finden, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit." Um mehr Bewerber zu finden, müssten der Ruf des Pflegeberufs und die Bezahlung verbessert werden.

"Ein Grund für die schwindende Personaldecke ist sicherlich die Schichtarbeit und der Wochenenddienst, dazu kommen die geringen Verdienstmöglichkeiten und das geringe soziale Ansehen", sagte Pflegefachkraft Gunnar Franke vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) Ahrensburg.

Eine, die sich trotzdem für den Beruf entschieden hat, ist Gudrun Kastern, 54. Vor drei Jahren hat sie - nach 30 Jahren als kaufmännische Angestellte - eine Ausbildung als Altenpflegerin in der Seniorenresidenz Reinbek angefangen. "Der Wunsch, mit Menschen zu arbeiten, war eigentlich schon immer da", sagt Gudrun Kastern, mittlerweile staatlich geprüfte Altenpflegerin. Doch gerade der soziale Aspekt trete zunehmend in den Hintergrund. Die Belastung im Arbeitsalltag nehme dagegen stetig zu - wegen des Personalmangels muss jeder Pfleger immer mehr alte Menschen betreuen.

Für Gespräche bleibe nur wenig Zeit, sagt Gudrun Kastern. Immer gehe es um den "Zeitfaktor", sagt sie. "Wir haben nur selten die Zeit, uns um das seelische Wohl der Patienten zu kümmern." Das liege auch daran, weil in zahlreichen Tabellen und Listen Arbeitsschritte und Behandlungen dokumentiert werden müssen.

"Wir brauchen einen Abbau der Bürokratie, denn bei dem ganzen Papierkram bleibt am Ende das seelische Heil der Patienten auf der Strecke", sagt Gabrielle Schuhmann, 43, ebenfalls Altenpflegerin in der Seniorenresidenz Reinbek. Der große Einsatz spiegele sich noch nicht einmal in der Bezahlung wider. "Viele Kräfte des Pflegepersonals verdienen sich an ihren freien Tagen in einem 400-Euro-Job etwas dazu, um sich mal einen Urlaub oder einen verlängertes Wochenende leisten zu können", sagt Gudrun Kastern.

Im Schnitt arbeiteten Altenpfleger nicht länger als sieben oder acht Jahre in ihrem Beruf, sagt Pflegedienstleiterin Monika Schmidt. Kein Wunder: Die Arbeit verlangt nicht nur dem Körper, sondern auch der Seele alles ab. Um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken, müsse etwas gegen das negative Klischee unternommen werden, das dem Beruf anhafte. "Es muss endlich aus den Köpfen der Menschen raus, dass wir alle nur ungelernte Kräfte sind, deren Arbeit sich auf das Windelnwechseln beschränkt", sagt die Chefin der Pflegedienst- und Einrichtungsleitung in der Seniorenresidenz.

"Die öffentliche Wahrnehmung muss sich ändern", sagt auch Barbara Leingärtner, Krankenschwester im ambulanten Pflegedienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Ahrensburg. Die Pflege von Senioren sei körperlich anstrengende Arbeit. "Der Beruf geht aber nicht nur physisch an die Substanz, sondern auch psychisch. Zum Bespiel können demenzkranke Patienten oder deren Angehörige zuweilen ausfallend werden. Die Arbeit, die wir leisten, wird nicht immer wertgeschätzt", sagt die 47-Jährige, die an einem durchschnittlichen Sieben-Stunden-Tag zwölf bis 20 Patienten besucht.

Ein ganz entscheidender Punkt für das fehlende Interesse an dem Beruf sei der finanzielle Aspekt, sagt Magda Tattermusch von der Gewerkschaft Ver.di in Bad Oldesloe. Der Mindestlohn betrage 8,50 Euro die Stunde. Eine ausgebildete Altenpflegerin mit fünf Jahren Berufserfahrung verdient beim DRK 13 Euro. "Das Ansehen in der Öffentlichkeit definiert sich auch durch das Einkommen und nicht nur durch die Dankbarkeit am Arbeitsplatz, die bei der Altenversorgung noch nicht einmal unbedingt immer gegeben ist", sagt Tattermusch.

Die geringen Löhne kritisiert auch Monika Schmidt: "Manche Handwerker oder Werbetexter mit deutlich weniger sozialer Verantwortung verdienen doppelt oder dreimal so viel in der Stunde."

Dabei ist die Ausbildung anspruchsvoll. "Der Beruf des Altenpflegers ist keineswegs eine Einbahnstraße, sondern verfügt über eine Vielzahl von Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten wie zum Beispiel die Ausbildung zur Palliativschwester", sagt Michael Mitter, Pflegedienstleiter des Hauses am See in Lütjensee. Dennoch interessierten sich nur wenig junge Menschen für einen Job im Altenpflegedienst.

Es müsse sich vor allem politisch etwa tun, fordert Monika Schmidt. "Seitdem das Arbeitsamt jegliche Unterstützung bei der Altenpflegerausbildung eingestellt hat, wird es immer schwieriger. Die Politik sollte endlich eine anständige Reform und kein Reförmchen machen."