Landgericht verurteilt Mörder der 23-Jährigen zu lebenslanger Haft. Angehörige sehen Mitschuld beim Haus Rümeland und beim Betreuer des Täters

Großhansdorf/Lübeck. Das Landgericht Lübeck hat den Mörder von Vasthi G. zu lebenslanger Haft verurteilt. Als Richter Christian Singelmann gestern Morgen um 9 Uhr das Urteil gegen Martin H. verkündet, herrscht in Saal 163 Stille. Viele Freunde des Opfers sind im Publikum. Die Eltern und Schwestern ringen um Fassung. Immer wieder kommen ihnen die Tränen, als der Richter noch einmal nachzeichnet, was sich nach Auffassung des Gerichts in der Nacht vom 17. auf den 18. März im Haus Rümeland in Großhansdorf zugetragen hat.

Das Gericht geht davon aus, dass Martin H. der 23 Jahre alte Heilerziehungspflegerin am Abend des 17. März ein Liebesgeständnis gemacht hat, das diese abwies. Dass die junge Frau mit einem abwertenden Lächeln und dem Satz "Tut mir leid, mit einem wie dir möchte ich nichts anfangen" reagiert hat, wie von Martin H. ausgesagt, glaubt das Gericht dagegen nicht. "Wir schließen aus, dass sie eine den Angeklagten verletzende Wortwahl benutzt hat", sagte der Richter. Anschließend soll H. zurück in sein Zimmer gegangen sein und sich zwei Filme angeschaut haben. Singelmann: "Dabei hat sich seine Verletztheit in Wut gegen sich selbst und sein Opfer verwandelt." Als Vasthi schlief, schlich H. mit einem Kuhfuß und zwei Messern bewaffnet in ihr Zimmer. Dort schlug er mindestens zehnmal mit dem Kuhfuß auf sie ein und stieß ihr zweimal mit dem Messer in die Brust.

Nach Auffassung des Gerichts ist Martin H. spätestens nach dem Anschauen der Filme entschlossen gewesen, Vasthi G. zu töten. Bei seinem Geständnis hatte der 27-Jährige ausgesagt, dass er mit der jungen Frau nur habe reden wollen. Dazu sagte Richter Christian Singelmann am Donnerstag: "Das war eine Schutzbehauptung. Wer sagt, dass er jemandem das Grinsen aus dem Gesicht schlagen will und sich dann mit einen Kuhfuß bewaffnet und die zwei größten Messer nimmt, die er finden kann, der will töten."

Die Motive für das Verbrechen seien Wut, Ärger und Rache gewesen. Die Tat weise zwei Mordmerkmale auf: Heimtücke und einen niederen Beweggrund. Singelmann: "Martin H. ging davon aus, dass Vasthi G. zu der Zeit schlafen würde. Diese Arg- und Wehrlosigkeit wollte er zur Ausführung seiner Tat ausnutzen."

Der niedere Beweggrund ergebe sich aus der Tatsache, dass ein eklatantes Missverhältnis zwischen Anlass und Tat vorliege. "Es gab vor dem Liebesgeständnis keine persönlichen Gespräche und auch kein Flirten zwischen Täter und Opfer", sagte der Richter. H. habe sogar mit einer Abweisung gerechnet. Singelmann: "Es war eine banale Alltagssituation, die jeder mal erlebt." Auch Martin H. sei vor der Tat in Großhansdorf schon einmal in einer solchen Situation gewesen, habe damals jedoch anders reagiert.

Das Gericht erachtete Martin H. für voll schuldfähig. "Die Tat ist nicht aufgrund einer Krankheit geschehen", sagte Richter Singelmann. Martin H. zeigte bei der Verkündung des Urteils und der Begründung des Gerichts keine wahrnehmbare Reaktion.

Die Familie des Opfers reagierte enttäuscht auf das Urteil. Sie war vor Gericht als Nebenkläger aufgetreten. Ihre Anwälte Christoph Weiß und Niko Brill hatten genauso wie Staatsanwältin Ulla Hingst dafür plädiert, eine besondere Schwere der Schuld festzustellen. Dies würde eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren erschweren.

"Wir halten das Urteil für falsch", sagte Weiß. Sein Kollege Niko Brill ergänzte: "Mit diesem Ergebnis haben wir nicht gerechnet. Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Gericht trotz Anerkennung von zwei Mordmerkmalen keine besondere Schwere der Schuld festgestellt hat." Der Richter begründete die Entscheidung damit, dass sich Martin H. bereits einen Tag nach der Tat gestellt und bei der polizeilichen Vernehmung die Tat sofort gestanden habe.

"Ich habe das Gefühl, dass meiner Tochter keine Gerechtigkeit widerfährt", sagte Gunda Gerlach, die Mutter des Opfers, vor dem Gerichtssaal mit Tränen in den Augen. Verteidiger Patric von Minden dagegen war mit dem Strafmaß für seinen Mandanten einverstanden. "Das Gericht hat gesagt, es ist seine Aufgabe, ein gerechtes Urteil zu treffen", sagte er, "ich denke, das hat es getan. Es hätte kein anderes Urteil herauskommen können."

Nach dem Urteil erhob die Familie erneut schwere Vorwürfe gegen die in ihren Augen Mitverantwortlichen für den Mord an Vasthi: die Heimleitung, den Betreuer, die Psychiater und die Gerichte. Alexandra Brockmann, die Schwester des Opfers, sagte: "Durch ihr Verhalten sind die Heimleitung und die Betreuer mitverantwortlich für die Tat. Wir bedauern, dass sie nicht mit auf der Anklagebank sitzen."

Bei dem gesetzlichen Betreuer von Martin H. hätten angesichts der Vorstrafen die Alarmglocken läuten müssen. Brockmann: "Dennoch hat er den Wechsel ins Haus Rümeland zugelassen." Kritik an der Heimleitung übt sie wegen aus ihrer Sicht fehlender Sicherheitsvorkehrungen, zu lascher Aufsicht und einer fehlenden straffen Organisation. Die Psychiater wiederum hätten völlig ungeprüft für ihre Gutachten Angaben wie den Afghanistan-Einsatz als wahr angenommen. Die Gerichte hätten in der Vergangenheit immer nur Bewährungsstrafen gegen Martin H. und keine angemessenen Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Auflagen verteilt.

Nebenkläger-Anwalt Niko Brill kündigte an, gegen die Heimleitung und den Betreuer des Täters vorgehen zu wollen. "Wir sehen einen weiteren Ermittlungsbedarf. Das hat der Prozess bestätigt", sagte er dieser Zeitung. Die Anzeige gegen die Heimleitung habe er bereits in der Schublade. Brill: "Für die Familie des Opfers war es das noch nicht. Zu der Trauerarbeit gehört es auch, weiterzuforschen. Wenn von Seiten der Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen mehr geführt werden, dann werden wir aktiv werden."