Ehemaliger Kripochef hofft auf Aufklärung des Verbrechens, dem vor 25 Jahren an eine Schülerin zum Opfer fiel

Bad Oldesloe. Mit einem Mal sind die Erinnerungen wieder da. "Es war ein schöner Sommermorgen", sagt Heinz Hoffmann. Es war der 3. Juni 1985, ein Montag. Kriminalhauptkommissar Hoffmann verließ Bad Oldesloe, steuerte seinen Wagen auf der Segeberger Straße nach Norden. Er ließ die Stadt hinter sich, fuhr durch Schlamersdorf und dann weiter. "Hinter dem Ort kommen Felder, dann Wiesen", sagt er - "das war der Fundort."

Heinz Hoffmann war übers Wochenende nicht in Bad Oldesloe gewesen. Nun wollte der Chef der Stormarner Kriminalpolizei den Tatort sehen. Den Ort, an dem 24 Stunden zuvor ein Spaziergänger die Leiche der 15 Jahre alten Schülerin Silke B. aus Reinfeld gefunden hatte. Silke war am Sonnabendabend auf dem Weg zu einer Feier verschwunden.

Die Mordkommission in Lübeck übernahm die Ermittlungen, sie dauerten monatelang, doch am Ende wurde kein Mörder gefasst. Der Fall Silke B. wanderte zu den Akten. Und als Heinz Hoffmann am 31. August 1992 nach 23 Jahren an der Spitze der Stormarner Kriminalpolizei in Pension ging, musste er davon ausgehen, dass dieses Verbrechen mit großer Wahrscheinlichkeit niemals aufgeklärt würde. Am Ende seiner Dienstzeit zwang er sich dazu, wenigstens innerlich mit diesen Fällen abzuschließen.

Es gelingt ihm nicht. Plötzlich sind die Erinnerungen eben wieder da, wachgerüttelt durch neue Ermittlungsansätze und -erfolge. Heinz Hoffmann, inzwischen 78 Jahre alt, verfolgt sie interessiert. Gut 2200 Männer sollen nun in den kommenden Wochen zum Speicheltest, rund 1200 von ihnen sind Oldesloer und Reinfelder (wir berichteten). 25 Jahre nach der Tat wollen Hoffmanns Lübecker Kollegen den Mord an Silke B. nun mithilfe eines Massen-Gentests aufklären. Im vergangenen Jahr ist es ihnen gelungen, DNA-Spuren auf den 1985 sichergestellten Beweisstücken zu sichern und daraus ein Genprofil zu erstellen. "Ich finde es gut, dass das heute möglich ist", sagt der Pensionär.

Es ist eine neue Generation von Ermittlern, die mit Kriminaltechnik der neuesten Generation arbeitet. Am Computer können sie scheinbar endlose DNA-Codes miteinander vergleichen. Bei Übereinstimmung haben sie am Ende ein beweissicheres Ergebnis in den Händen. Das war unvorstellbar zu Hoffmanns Dienstzeit, als in den Amtsstuben noch Schreibmaschinen standen und die Telefone Wählscheiben hatten. Hoffmann: "Aber wir haben damals alles gemacht, was nach dem Stand der Technik möglich war."

Der Erfolg gibt ihm Recht. Mit einem Mal sind die Erinnerungen wieder da. Es war ein nasskalter Wintermorgen, knapp sieben Monate nach dem Mord an Silke B., es war der 28. Dezember 1985, ein Sonnabend. Ein Jäger hatte die Leiche der 26 Jahre alten Sekretärin Gabriele E. aus Hamburg-Rahlstedt gefunden. Sie war wenige Stunden zuvor von einer Feier mit Kolleginnen nicht nach Hause zurückgekehrt.

Im vergangenen Monat stellte sich nach einem DNA-Abgleich heraus, dass der Entführer der im Sommer verschleppten und missbrauchten Arzthelferin Anne H., 25, aus Bargteheide Gabriele E.s Mörder gewesen war. Der hatte sich in seinem Tangstedter Haus das Leben genommen. Sein genetischer Fingerabdruck wurde daraufhin mit den Beweisstücken aus ungeklärten Fällen verglichen. "Natürlich freue ich mich, dass dieses Verbrechen doch noch aufgeklärt worden ist", sagt Hoffmann, der gemeinsam mit seinem Ahrensburger Kollegen Wolfgang Kasten eine zeitlang die Ermittlungen geführt hatte.

Anders als im Fall Gabriele E. gibt es in Sachen Silke B. aber noch kein genetisches Material, das mit dem auf den Beweisstücken verglichen werden könnte. Das müssen erst jene 2200 Männer liefern, die nun zum Speicheltest sollen. 1200 Einladungen an Nordstormarner sind am Wochenende zugestellt worden. Die Termine sind am Freitag, 29. Oktober, von 15 bis 20 Uhr in der Reinfelder Matthias-Claudius-Schule und am Sonnabend, 30. Oktober, von 10 bis 18 Uhr in der Oldesloer Theodor-Mommsen-Schule. "Die Proben werden von Polizeibeamten entnommen und gehen anschließend zur Auswertung ans Rechtsmedizinische Institut nach Kiel", sagt Stefan Muhtz, Sprecher der Polizei in Lübeck.

Das Amtsgericht hat diesen Massen-Gentest beschlossen, weil eine Fallanalyse ein konkretes Täterprofil ergeben: Nach Auffassung der Kripo war Silkes Mörder zur Tatzeit 18 bis 25 Jahre alt, konnte Auto fahren und wohnte maximal 15 Kilometer vom Tatort entfernt oder besuchte eine örtliche Schule. Ohne eine solche Konkretisierung käme ein Massen-Gentest einem Generalverdacht gleich und wäre unzulässig.

Heinz Hoffmann hält es für gut möglich, dass bald noch weitere Fälle aufgeklärt werden. Dann sind die Erinnerungen mit einem Mal wieder da.