Forschungszentrum schafft Gammastrahler an. Feuerwehr soll für den atomaren Unfall aufrüsten, fordert Kiel. Doch der Gemeinde fehlt das nötige Geld

Sülfeld. Fest steht nur eines - seit kurzem gibt es im Forschungszentrum Borstel einen Gammastrahler mit einigen Gramm Cäsium. Nicht geklärt ist, ob die Umgebung genügend für einen atomaren Unfall geschützt ist - und wenn nicht, wer für die Aufrüstung der Feuerwehr zahlen muss. Die Gemeinde Sülfeld hätte dafür kein Geld.

Ein Gammastrahler, das ist ein Bestrahlungsgerät, das das Forschungszentrum zur "Inaktivierung der Teilung von Zellen" braucht. So wollen die Wissenschaftler die Immunabwehr von Zellen gegen Infektionserreger wie Bakterien und Parasiten beobachten. Dass das Gerät nötig ist, bestreitet auch Volker Bumann nicht, der Bürgermeister von Sülfeld. Er wolle keinen Konflikt, sagt er. "Wir arbeiten ja sonst gut mit dem Forschungszentrum zusammen." Bumann erzählt, die Einrichtung sei international angesehen. "Wir wollen hier kein Borstel 21." Allerdings erwarte er auch, "dass man mit uns spricht". Im Fall des Gammastrahlers sei das nicht geschehen. Bumann und der Chef des Amtes Itzstedt, Reiner Lietsch, sagen, sie seien erst durch das Kieler Innenministerium informiert worden, dass sie ihre Feuerwehr nachrüsten müssten und dass dafür Investitionen auf sie zukämen. Lietsch und Bumann sind sich einig: Investitionen, die sie sich nicht leisten können.

Das Verfahren beginnt früher, mit der Empfehlung des Sozialministeriums, die Gefahrenklasse für das Forschungszentrum wegen des Gammastrahlers zu erhöhen. Das Sozialministerium ist zuständig, es hat den Gammastrahler genehmigt. Bisher gilt die Gefahrenklasse 2, dafür sind die Feuerwehren ringsum ausgerüstet. Das Ministerium meint: Durch den Strahler soll von nun an Gefahrenklasse 3 a gelten, a für atomar.

Das Innenministerium reagiert und führt auf, wie die Feuerwehr materiell und personell verstärkt werden müsse. Dafür sei die Gemeinde Sülfeld zuständig. Unmöglich, sagt Amtschef Reiner Lietsch: "Allein das neue Gerät würde uns 75 000 Euro kosten, mit einem neuen Fahrzeug kämen wir bestimmt auf 250 000 Euro." Und das Personal für einen neuen Gefahrenzug, wie ihn das Innenministerium will, "das haben wir gar nicht."

Die Gemeinde ist also offenbar nicht in der Lage, für die Sicherheit zu sorgen. Im Fall eines Unfalls haftet Volker Bumann, der ehrenamtliche Bürgermeister. "Ich müsste mit meinem Privatvermögen geradestehen." Und die Bürger machen sich Sorgen: Radioaktives Material liegt in ihrer Nachbarschaft. Und im Moment kann sie offenbar niemand im Fall eines Unfalls schützen. Wie gefährlich ein Gammastrahler ist, weiß Jürgen Henninger, Strahlenschutzphysiker an der TU Dresden. Er warnt davor, die Gefahr zu übertreiben. Es gebe kein Unfallsszenario. Das Cäsium sei "doppelt verkapselt gelagert". Henninger: "Es kann im Grunde nur austreten, wenn die ganze Anlage in die Luft fliegt." Im deutschsprachigen Raum habe es noch nie einen Unfall gegeben. Es gehe um einige Gramm Cäsium, das zwar radioaktiv sei - aber ein einziger Castortransport habe mehrere Tonnen an radioaktivem Material geladen. "Man muss schon die Dimensionen kennen", sagt Henninger. "Ein Tanklaster, der durch den Ort fährt, ist potentiell gefährlicher."

In Schleswig-Holstein gibt es noch vier weitere, vergleichbare Gammastrahler, zwei davon in Kiel und jeweils einen in Lübeck und Schleswig. Momentan prüft das Forschungszentrum Borstel noch einmal, ob das Sozialministerium Recht hat mit der Empfehlung, die Gefahrenklasse zu erhöhen. Für welche Klasse sich die Wissenschaftler aussprechen, ist unklar. Gegenüber der Abendblatt-Regionalausgabe war das Forschungszentrum zu keiner Stellungnahme bereit, verwies auf eine ältere Pressemitteilung. Darin heißt es, das Forschungszentrum habe der Politik und der Feuerwehr rechtzeitig angekündigt, dass es den Strahler anschaffen will - Volker Bumann und Reiner Lietsch bestreiten das vehement. Im Schreiben des Forschungszentrums heißt es weiter: "Die technische und personelle Ausstattung der Feuerwehr ist ausreichend."

Alle warten jetzt auf das neue Gutachten des Forschungszentrums. Für Volker Bumann steht fest: "Bleibt es bei Gefahrenklasse 3 a, können wir uns die Mehrkosten nicht leisten." Eines habe die Debatte aber gebracht, meint er, das Forschungszentrum habe dazugelernt. "Ich hoffe, wir werden bei künftigen Projekten besser eingebunden."