Traditionsgasthof im Barnitzer Ortsteil soll nach dem Willen der neuen Eigentümerin wieder zum Treffpunkt werden

Barnitz. "Das Schönste sind die vielen Geschichten, die ich insbesondere von älteren Menschen über die 'Lokfelder Brücke' zu hören bekomme", sagt Melanie Otto. Die 32-Jährige nimmt einen Schluck Kaffee aus ihrem Becher und lehnt sich entspannt in ihrem großen Wildholzstuhl zurück. Ihre Augen strahlen. "Die Leute hängen alle mit dem Herzen an dem Gebäude."

Vor vier Jahren hat sie das 98 Jahre alte Haus gekauft, das direkt am Traveübergang im Barnitzer Ortsteil Lokfeld steht. Über das Internet hatte sie ein Haus im Grünen außerhalb ihrer Heimatstadt Hamburg gesucht. Die "Lokfelder Brücke" wurde ihr als Resthof verkauft. "Mir war damals gar nicht klar, dass das mal eine Gaststätte war, dass das Gebäude für die Menschen so eine große Bedeutung hat", sagt Tourismusexpertin Otto. Als ihr Nachbarn und Gäste davon berichten, entwickelt sie eine Idee: Sie möchte die ehemalige Gaststätte zu einem regionalen Treffpunkt mit Flusscafé, Tourismus-Büro und Veranstaltungssaal machen. Das 630 Quadratmeter große Haus auf dem 7450 Quadratmeter großen Grundstück soll wieder mit Leben gefüllt werden. Otto: "Seitdem ich darüber nachgedacht habe, kommt mir ein Einfall nach dem anderen."

Aktivregion könnte helfen, an EU-Fördergeld zu kommen Inzwischen hat sie bereits ein Konzept entwickelt und eine Machbarkeitsstudie für 13 000 Euro in

Auftrag gegeben. Darin wird die Wirtschaftlichkeit ihrer Pläne geprüft. Außerdem schätzt ein Architekt die Kosten der geplanten Baumaßnahmen. Die Ergebnisse sollen bis Ende des Jahres vorliegen und genutzt werden, um über die Aktivregion Holsteins Herz EU-Fördergeld zu beantragen und um mit Kreditgebern zu verhandeln. Otto: "Ich habe bereits erste Gespräche geführt, und die waren alle sehr positiv." 2011 soll der Umbau beginnen.

Bis 1996 war die Lokfelder Brücke eine Gaststätte. Danach nutzte eine Strohkranzbinderei die Räumlichkeiten. "Als ich das Haus übernahm, sahen die Räume unterirdisch aus. Überall waren Spinnenweben und Staub", sagt die Lokfelderin. Inzwischen erinnert zumindest im Veranstaltungssaal im linken Trakt des Gebäudes nichts mehr an diese Zeit. Die Wände wurden weiß und orange gestrichen. Auf einer Holztheke stehen eine Kaffeekanne, Tassen, Zucker, Bio- und Sojamilch. An den Wänden hängen Lichterketten. Auf den dunklen Holztischen brennen Kerzen. Sie verleihen dem Raum eine gemütliche Atmosphäre. In der linken Ecke des Saals knistert ein Kaminfeuer.

"Damit hier schon mal etwas passiert, haben wir einen Klub gegründet", sagt Rainer Ludwig. Der 47-Jährige unterstützt Melanie Otto bei ihrem Vorhaben. Er kümmert sich um Auftritte auf der Kleinkunstbühne im Veranstaltungssaal und tritt als Puppenspieler auch schon mal selbst auf. Die Bühne steht erst seit einer Woche. Ihr Boden wurde aus den alten Brettern der Kegelbahn gebaut. Im Saal ist fast alles alt und gebraucht. Vieles hat Melanie Otto geschenkt bekommen. Den Tresen ließ sie aus der alten Gaststätte eines Arbeitskollegen ausbauen, nachdem der sein Lokal dichtgemacht hatte. Tische und Stühle stammen aus einem Sozialkaufhaus.

Der Klub von Rainer Ludwig hat inzwischen 43 Mitglieder. Jeden ersten und dritten Sonntag im Monat kommen sie in der "Lokfelder Brücke" zusammen. Ludwig: "Wir möchten, dass sich hier wieder Leute treffen und Spaß haben." Auch er hat schon viele alte Geschichten über die "Lokfelder Brücke" zu hören bekommen. "Vor kurzem standen hier zwei Schwestern vor mir, die Töchter eines alten Schulmeisters", sagt Rainer Ludwig. "Eine von ihnen hat erzählt, dass sie hier beim Tanzen ihren Mann kennengelernt hat." Solche Geschichten sind es, die die beiden antreiben, aber es sind auch die vielen Menschen, die bei ihnen einfach mal hereinschauen, weil sie die Gaststätte von früher kennen und in Erinnerungen schwelgen wollen.

"Wir wollen Brücken bauen", sagt Melanie Otto. Der Treffpunkt soll die Möglichkeit bieten, Kontakte zu knüpfen, eine Gemeinschaft zu bilden und sich künstlerisch zu entfalten. Neben dem Veranstaltungssaal sind Räume für ein Tourismus-Büro geplant. Dort soll es Informationen über Partner, Projekte, Veranstaltungen, Ausflugsziele und die Aktivregion Holsteins Herz geben. Um ihre Kosten zu decken, hat Melanie Otto zurzeit "alles untervermietet, was irgendwie ging". Sie sagt: "Anders wäre der Unterhalt des Gebäudes für mich gar nicht zu finanzieren."

Ihre Eltern und zwei weitere Personen zogen in den rechten Trakt des 630 Quadratmeter großen Gebäudes. Dort, an der Trave-Seite, soll später einmal das Flusscafé eröffnen. In den Räumlichkeiten im ersten Stockwerk wird eine medizinische Praxis aufmachen.

Initiatorin hofft auf Unterstützung durch die Gemeinde Barnitz

Aus der alten Kegelbahn im hinteren Teil des Gebäudes möchte Melanie Otto vier bis fünf senioren- und behindertengerechte Mietwohnungen machen. Dafür sind jedoch Umbaumaßnahmen nötig, für die ihr bisher noch die Baugenehmigung der Gemeinde fehlt. Über die Kosten ihres Projekts möchte die 32-Jährige noch nicht reden. Sie will erst mal die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie abwarten. Möglichkeiten zur Finanzierung gebe es jedoch viele, sagt sie. So will sie durch die Vermietung der Wohneinheiten und der Räumlichkeiten im ersten Stock Geld einnehmen. Zudem sollen EU-Fördergelder und weitere Hilfen beantragt werden. Für einige davon ist sie jedoch auf die Unterstützung der Gemeinde angewiesen. Doch die fehlt bisher. "Wir möchten die Gemeinde mit ins Boot holen", sagt die Lokfelderin, "denn wir wollen hier etwas für das Dorf machen."

Ihr Traum wäre es, den Treffpunkt 2012 zu eröffnen. "Da wird die 'Lokfelder Brücke' 100 Jahre alt", sagt Melanie Otto, "ich wäre überglücklich, wenn wir sie bis dahin wieder zu dem machen könnten, was sie einmal war: ein Treffpunkt."