Unser Dorf: Abendblatt-Regionalausgabe auf Sommertour. Die Menschen aus der Gemeinde Siek engagieren sich in zahlreichen Vereinen

Siek. Der alte Grenzstein steht noch auf halber Strecke zwischen Siek und Meilsdorf, halb verborgen im hohen Gras am Straßenrand. Aus den beiden Dörfern ist zwar längst eine Gemeinde geworden - dass aber jeder Ortsteil seine eigene Feuerwehr hat, versteht sich hier von selbst. "Wer daran rüttelte, würde wohl eine Palastrevolution auslösen", sagt Bürgermeister Arnold Trenner. Er will an nichts rütteln, seine Vision ist ein verbindender Wanderweg durch die ganze Gemeinde.

Die "Themenroute Wandse" soll sich an dem Bach entlang schlängeln. Vorbei an der Meilsdorfer Kate und der - wie man sich hier erzählt - im Auftrag von Napoleon gepflasterten holprigen "Knüppelstraße" bis zur Kirche im Sieker Ortskern. Hier ist das Zentrum der Gemeinde. Rund um das älteste Gebäude in Siek liegen die Feuerwehr, die Amtsverwaltung, der Friedhof und der kirchliche Kindergarten. Und zweimal im Jahr wird der Marktplatz neben der Kirche zum großen Flohmarkt, organisiert von Eltern des Kindergarten-Fördervereins Sonnenblume. "Mit den Einnahmen und den Beiträgen unserer 50 Mitglieder unterstützen wir den Kindergarten", sagt Stefanie Ketelsen, die den Verein vor fünf Jahren gegründet hat. Mehr als 10 000 Euro haben die Eltern seitdem investiert, für Spielgeräte, eine Lernwerkstatt oder Geschenke zum Abschluss der Kindergartenzeit.

"Mir liegen die Kinder am Herzen, ich will, dass es im Dorf Spielplätze und Jugendangebote gibt", sagt die 39-Jährige, die vor 15 Jahren hierher zog und mittlerweile stellvertretende Bürgermeisterin ist. "Eigentlich wollte ich mich nur als Gemeindevertreterin für eine Krippe einsetzen", sagt die dreifache Mutter. Aber im Dorf sind die Wege kurz. Und so fand sich die tatkräftige Siekerin, die auch im Kinderarbeitskreis Basteltreffen für Schulkinder organisiert, plötzlich auf dem Stellvertreterposten wieder. "Und das bereue ich nicht", sagt sie, dreht sich um und pfeift laut nach ihren Kindern, die über den großen Gemeindespielplatz toben. "Feste Treffen gibt es im Förderverein nicht, wir sehen uns sowieso hier oder auf dem Sportplatz", sagt Stefanie Ketelsen und lacht. "So machen wir sogar unsere Jahreshauptversammlung."

Ihre Mitstreiterin Sarah Stone ist auch im Vorstand des Sportvereins. Dort sind sie stolz auf ihre Tischtennisspieler, die es in die zweite Bundesliga geschafft haben. Und für die jungen Vereinsmitglieder gibt es die gerade gegründete Fußballjugend und sogar eine Krabbelkarategruppe. Auch der Bürgermeister ist Mitglied im Sportverein. "Aber nicht mehr aktiv", sagt Arnold Trenner, der 1943 in Siek geboren wurde. "Ich wollte nie hier weg", betont er. Seit 23 Jahren singt er als Tenor im Männergesangverein, der auf Geburtstagen, Hochzeiten und bei allen wichtigen Festen im Dorf auftritt. Jedes Jahr gibt es ein großes Herbstkonzert mit befreundeten Chören, bei dem die Sieker Sänger auch zusammen mit den Kindergartenkindern auftreten.

So wie die 22 Männer aus dem Gesangverein jede Woche proben, treffen sich die Frauen von der Marionettengruppe einmal in der Woche im Haus der Vereine. Die sieben Spielerinnen studieren seit fast 30 Jahren gemeinsam Stücke ein. "Wir haben soviel zusammen erlebt, das verbindet", sagt Barbara Teetzmann. "Jede von uns bastelt ihre Puppe selbst, so dass sie zu ihrer Spielerin passt." In diesem Jahr stehen "Die Wawuschels" auf der selbstgebauten Bühne: Eine Fabelfamilie mit leuchtend grünen Haaren. Von der Textfindung bis zur Aufführung dauert es zwei Jahre. Die Gruppe spielt Stücke für Erwachsene und Kinder. "Aber Kinder sind viel kritischer", sagt Marlies Trenner. "Die merken sofort, wenn wir bei einer zweiten Aufführung den Text etwas anders sprechen." Der Frauengruppe fehlt allerdings, wie so vielen Vereinen, der Nachwuchs.

"Auch unser Chor ist leider überaltert", sagt Helmut Fiedler, erster Bass im Gesangverein. Der 78-Jährige kam vor 36 Jahren nach Siek. "Damals gab es noch sieben große Höfe, das war eine kleine Gesellschaft für sich", erzählt er. "Ich habe über den Verein viele Menschen im Dorf kennen gelernt." Für Neubürger sei es wichtig, auf die Menschen zuzugehen und sich zum Beispiel in Vereinen zu engagieren. Das sei "Integration im kleinen Stil". Möglichkeiten gibt es genug: Etwa 15 Vereine, Clubs und Gruppen gibt es im Dorf, darunter auch eine Patchworkgruppe, ein Sozialverband, ein Theater und einen Taubenzüchterverein.

Helmut Fiedler setzt sich auch für den Umweltschutz in Siek ein. "Wir haben wunderschöne Knicklandschaften, lauter kleine Biotope", schwärmt er. Aber leider kippten auch immer wieder Menschen ihren Schutt in die Feldmark. Er sei kein "Ökofritze", sagt Helmut Fiedler. "Aber ein bisschen Respekt vor der Natur ist doch wichtig." Die Umgehungsstraße habe er deshalb sehr begrüßt, auch wenn es immer noch viele Raser gebe. "Aber im Dorf ist die Lebensqualität viel besser geworden, seit der Verkehr umgeleitet wird." Helmut Fiedler und seiner Frau Inge fühlen sich wohl in Siek. Jedes Jahr fahren sie mit auf den Gemeindeausflug und gehen zum Weihnachtstreffen. "Die Gemeinde und die Kirche machen hier eine ganze Menge für Senioren."

Für die jüngsten Dorfbewohner ist vor einem Jahr die Krippe im evangelischen Kindergarten eröffnet worden. 20 Kleinkinder werden in der alten Pastoratsscheune, die dafür umgebaut und renoviert wurde, betreut. "Ganz früher haben wir erst Kinder ab vier Jahren aufgenommen, aber die Nachfrage nach Krippenplätzen ist in den vergangenen Jahren gestiegen", sagt Kinderpflegerin Andrea Heitmann, die seit 25 Jahren in dem Kindergarten arbeitet. Leiterin Sibylle Harms sagt: "Wir haben hier ein tolles Team, nette Eltern und Kinder und einen hervorragenden Chef."

Der Chef ist Pastor Christian Schack. Vor eineinhalb Jahren trat er seine erste Stelle bei der Kirchengemeinde Siek an - mit knapp 50 Mitarbeitern einem der größten Arbeitgeber im Dorf. "Ich bin hier total gut angekommen", sagt Christian Schack und meint damit, er habe sich gut eingelebt. Aber auch bei den Siekern ist der neue Pastor gut angekommen. "Mit ihm haben wir einen sehr guten Griff gemacht", sagt Arnold Trenner. Vielleicht liegt das an der offenen Art des 36-jährigen Familienvaters. "Ich arbeite einfach total gern", sagt Christian Schack und erzählt von Festgottesdiensten, die er besonders gern hält, Hochzeiten mit Sonderwünschen nach Vorbild der Königshäuser - "ach, da muss die Kirche flexibel sein" - und von Beerdigungen. "Da ist die Kirche immer voll, hier kennen sich die Menschen eben."

Jedes Jahr lädt die Kirchengemeinde zum großen Sommerfest ein. Dort kommen sie alle wieder zusammen: Die Männer vom Gesangverein, die Eltern vom Förderverein, die Sportler vom SV Siek, die Konfirmanden vom Jugendtreff und die Kinder, für die im Dorf fast überall Platz ist. Auch die Freiwilligen von den beiden Feuerwehren kommen zum Feiern. Sie alle treffen sich auch beim Stoppelfest in Meilsdorf und beim Sieker Laternenumzug. So eng werde das mit der Grenze zwischen den Ortsteilen nicht gesehen, sagt Matthias Ruge von der Feuerwehr Meilsdorf. "Wir gehen auf jedes Fest gern."