Mehr Fracht, mehr Passagiere, geringere Kosten: das Erfolgsrezept des Uwe Bakosch, der seit Sommer 2009 Finnlines-Chef ist.

Großhansdorf. Uwe Bakosch lächelt zufrieden. Der geheftete Blätterstapel, den er in der Hand hält, ein 14-seitiger Computerausdruck, liefert ihm allen Grund dazu. Es ist der Halbjahresbericht der Reederei Finnlines, deren Vorstandsvorsitzender der Großhansdorfer Bakosch seit gut 14 Monaten ist. Das Papier weist für die Monate Januar bis Juni 2010 einen Gewinn vor Steuern in Höhe von 5,4 Millionen Euro aus. Ein Jahr zuvor stand an gleicher Stelle noch ein Verlust von 33,7 Millionen Euro. Der Umsatz ist im selben Zeitraum um 13,5 Prozent auf mehr als 274 Millionen Euro gestiegen. Und Uwe Bakosch ist überzeugt: "An dieser Entwicklung hat die verbesserte konjunkturelle Lage nur einen sehr geringen Anteil."

Der 52-Jährige, gelernter Schifffahrtskaufmann, studierter Seerechtler und seit Jahrzehnten ausgewiesener Logistikexperte (unter anderem Volkswagen, Scandlines, Bahntochter ATG Autotransport Logistic) hat im Sommer 2009 das Ruder auf der Finnlines-Kommandobrücke in die Hand genommen, hat einen Kurs eingeschlagen, der aus rauer See wieder zurück in ruhigeres Fahrwasser führt.

Dort ist die Finnlines-Flotte mittlerweile angekommen. Auf dem Weg dorthin aber hat das Unternehmen Wellen geschlagen, die bis an die Ostküste der Vereinigten Staaten branden. Uwe Bakosch - er sitzt in seinem deutschen Büro am Rande des Lübecker Hafengebiets - nimmt, nicht ohne Stolz, ein weiteres Papier zur Hand. Es ist ein Brief aus Cambridge bei Boston, Massachusetts, auf dessen Kopf das Wappen der Harvard University prangt. Der Absender heißt Boris Groysberg, er stellt sich als Professor vor. Im Oktober oder November möchte er einen Studenten nach Europa schicken, der sich einmal ganz genau erklären lässt, wie Bakosch Finnlines wieder auf den richtigen Kurs gebracht hat. "Ja, die gucken ganz genau, was hier passiert", sagt Uwe Bakosch. Er wird den Studenten empfangen und es ihm erklären.

Nur: Wie hat er es denn eigentlich geschafft? Uwe Bakosch nimmt ein drittes Papier zur Hand, es ist unbeschrieben, und einen Kugelschreiber. "Ganz einfach", sagt er, beginnt zu schreiben und liest gleichzeitig vor, was er schreibt: "Mit weniger Schiffe mehr Routen bedienen, mehr Fracht und mehr Passagiere befördern. Und weniger Kosten erzeugen." Das sei alles.

Bakosch hat die Flotte zunächst um zehn eingecharterte auf nun 23 eigene Schiffe verkleinert. Die fahren nun öfter als zuvor. Und weil die verbliebenen Fähren sparsamer sind als die zehn ausgemusterten, hat Finnlines binnen eines halben Jahres 18 000 Tonnen weniger Bunker-Öl verbraucht. "Das sind etwa zehn Prozent", sagt Bakosch.

Gleichzeitig hat er neue Verbindungen in den Fahrplan aufgenommen, zum Beispiel von Rostock nach Helsinki und von Travemünde ins lettische Ventspils. Das war Bakosch von Anbeginn ein Anliegen. Er hatte schnell festgestellt, dass im Vergleich mit anderen Ostsee-Reedereien viel zu wenige Passagiere auf den luxuriösen Fähren von und nach Helsinki mitfuhren. "Finnlines war in erster Linie ein Passagierdienst", hatte er gesagt, "dann wurde daraus ein frachtdominiertes Unternehmen." Und: "Ich werde viel Mühe daran setzen, den Passagieranteil wieder stark nach oben zu führen."

Die Bemühungen tragen Früchte. In den ersten beiden Quartalen dieses Jahres sind ungefähr 305 000 Fahrgäste auf Finnlines-Schiffen mitgefahren - ein Anstieg um 25 Prozent. Interessanter findet Bakosch die Zahl der Passagiere unter ihnen, die keine Lastwagenfahrer sind. Sie ist um 57 Prozent gestiegen. Das sind jene Menschen, die der Vorstandschef als neue Zielgruppe ins Auge gefasst hat: Menschen mit viel Zeit, Ruheständler beispielsweise.

Menschen, die keine Lust haben, eingepfercht in ein Flugzeug zu ihrem Städtetrip zu reisen. Menschen, die an einem Candle-Light-Dinner und Wellness-Angeboten an Bord Gefallen finden. Die im Sommer bei ewigem Tageslicht über spiegelglattes Ostseewasser gleiten wollen oder des Winters durch die kristallklare Nacht, während am Bug krachend das Eis bricht. Reisende, die endlich ausnutzen, was die modernen Schiffe der Star-Klasse, 25 Knoten, zu bieten haben: Restaurants, Saunen und Whirlpools mit Seeblick, riesige Sonnedecks. Uwe Bakosch fährt selbst gern mit diesen Schiffen. Manchmal nimmt er die Fähre, wenn er in sein zweites Büro in Helsinki reist.

"Dank der neuen Verbindungen können Touristen mit unseren Schiffen heute rund um die Ostsee fahren", sagt er. Und diese Möglichkeit vermarktet Finnlines auch offensiv.

Während der Großhansdorfer so die Einnahmen steigert, ist ihm auf der anderen Seite an Kostensenkung gelegen. Er hat Tochtergesellschaften verkauft, die nicht zum Kerngeschäft der Reederei passen, zum Beispiel Parkhäuser in Helsinki. Er hat auf diese Art und Weise binnen eines Jahres knapp 100 Arbeitsplätze abgebaut. Aktuell beschäftigt Finnlines 2048 Mitarbeiter, 932 von ihnen auf See. Er hat die Reederei stärker in die Grimaldi-Gruppe - den Haupteigner - eingebunden, erzeugt so etwa beim Energieeinkauf Synergien. Und er fordert von seinen Mitarbeitern, dass alle Ausgaben auf den Prüfstand kommen.

Uwe Bakosch nimmt noch einmal den Halbjahresbericht zur Hand, blättert in dem Papier. Auf der vierten Seite wagt er einen Ausblick: Auch am Ende des Jahres werde das Unternehmen schwarze Zahlen schreiben.