Unser Dorf: Die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn auf Sommertour. In Pölitz gibt es einen Papageien-Retter und “Naschi-Omas“ Krämerladen

Pölitz. Die Pölitzer haben ihn noch - den kleinen Krämerladen, der in den vergangen Jahrzehnten in so vielen Stormarner Dörfern verschwunden ist. Geöffnet hat der Verkaufsraum, wenn Gertrud Freitag zu Hause ist. Wer etwas kaufen möchte, klingelt einfach an der Tür an der Hinterseite des Wohnhauses an der Straße Rundling. Dann kommt Frau Freitag und schließt ihren Laden auf. Das Angebot ist überschaubar. Bier, Schnaps, Zucker, Mehl und natürlich Süßigkeiten. Das Geschäft gibt es bereits seit mehr als 100 Jahren. Es war mal größer. Die Nachfrage auch. Heute sind es meist Kinder, die sich von Frau Freitag prall gefüllte Tüten mit Süßigkeiten über den Tresen reichen lassen.

Auf die Frage, was denn an Pölitz cool und besonders sei, antworten die jungen Fußballer aus der C-Jugend des SSV Pölitz daher auch: "Die Naschi-Oma". Vor oder nach dem Training holen sie sich häufiger mal eine der Tüten aus dem kleinen Laden.

Nicht selten sind die Sportler aber auch mit einem Apfel in der Hand anzutreffen. Arnold Mählmann ist "Apfelsponsor" und stellt regelmäßig ein paar Kisten Boskop, Elstar oder Jona Gold in die Kabinen am Sportplatz. Auch die Kicker in Eichede und in Bad Oldesloe kommen manchmal in den Obstgenuss. Auf zwei Hektar Anbaufläche gibt es beim fußballbegeisterten Mählmann, dessen Vater nach dem Krieg Bürgermeister von Pölitz war, auch noch Birnen und Kirschen. "Dieses Jahr ist der Ertrag aber miserabel", sagt Arnold Mählmann. Ein harter Winter und schlechter Bienenflug seien Schuld daran. Der Obstbauer ist selbst Ehrenmitglied der Fußballabteilung, die 200 Mitglieder zählt..

Der Kindergarten ist einmal in der Woche im Dorf unterwegs

Eine stattliche Zahl. Wohnen direkt in Pölitz doch nur etwa 700 Menschen. Zusammen mit den Ortsteilen Schulenburg, Schmachthagen, Hohenholz und Schwienköben kommt die Gemeinde auf etwa 1200 Menschen.

"Und der SSV hat eine wirklich schmucke Sportanlage", meint Günter Maletzko. Der ehemalige Rundfunkreporter muss es wissen, schließlich hat er hat schon so einige Fußballplätze in der Welt gesehen. Seine Stimme ist markant. Das Gesicht dazu kennen jedoch nur wenige. Jahrzehntelang war er "die Stimme" des NDR-Hörfunks. Der Sportjournalist berichtete von allen Kontinenten für die norddeutschen Radiohörer. Zwischen 1960 und 2004 war Maletzko bei allen Olympischen Spielen dabei.

Pölitz sei für ihn auch immer ein angenehmer Kontrast zur hektischen Arbeit in den Bundesliga-Stadien gewesen. "Zu Hause habe ich Ruhe gesucht und gefunden." Wenn Bundesligatrainer oder Reporterkollegen ihn besuchen, seien sie beeindruckt von der schönen Natur, die gleich hinter dem Grundstück beginnt. Dort senken sich Wald und Wiesen zu einem breiten Tal hinab. Die Barnitz schlängelt sich sanft plätschernd durch die hügelige Landschaft. Die Pölitzer Schweiz gehört zu den schönsten Ecken. Da sind sich die meisten Einwohner einig.

Der Mittelpunkt der Gemeinde ist jedoch die alte Pölitzer Schule direkt an der Feuerwehr. Dort prüft Gerätewart Jörg Paschen gerate das Löschfahrzeug mit der Abkürzung LF 86. Am Abend treffen sich die 37 Aktiven wieder zur Übung. Denn demnächst steht für sie eine Leistungsbewertung zum "Roten Hahn" auf dem Programm. Eine Herausforderung für die freiwilligen Helfer der Feuerwehr.

Auf dem Spielplatz nebenan toben etwa 20 Kinder. Bei Problemen - und die gibt es immer mal wieder - wird "Frau Pophi" gerufen. Birgit Pophal leitet den Kindergarten seit einigen Jahren. Die blonde Erzieherin ist eine Frohnatur, hat immer ein Lächeln auf den Lippen und Lösungen für die Wehwehchen der Kinder parat. Manchmal hilft da auch ein Apfel von Arnold Mählmann, der ab und zu auch dort eine Kiste vorbeibringt und sich freut, wenn die Kinder für ihn singen.

Gemeinsam mit Tatjana Heil setzt "Frau Pophi" auf einen familiären und naturverbundenen Umgang mit den Kindern. "Einmal in der Woche sind wir im Dorf unterwegs", sagt Birgit Pophal. Dann geht es zu "Bauer Jens", wie die Kinder Jens Westphal rufen. Die Mädchen und Jungen wissen alles über Maishäcksler und Mähdrescher, über Schweine - und natürlich Papageien. Papageien? Nur ein paar Hundert Meter vom Kindergarten entfernt wohnt nämlich Alfred Pallentin. "Andere Leute haben einen Vogel, ich hab' gleich mehrere", sagt er und lacht dabei. 35 bunte Papageien sitzen laut krächzend in den großen Volieren hinten in seinem Garten. "Aber ich bin kein Züchter", sagt Pallentin. Bei ihm landen Vögel, die die Besitzer nicht mehr haben wollen. Oder aber Tiere, die nicht artgerecht gehalten wurden.

Pallentin: "Papageien können mehr als 60 Jahre alt werden." Viele der Vögel wechseln mehrere Male in ihrem Leben den Besitzer. Diese "Wandervögel" kommen in Pölitz zur Ruhe oder werden weitervermittelt. Zu jedem Tier kennt Pallentin die - meist tragische - Lebensgeschichte. Ein Papagei hing 18 Jahre eingezwängt in einem kleinen Käfig vor einem Hamburger Bekleidungsgeschäft. Der Vogelfreund Pallentin hat dem Tier in dessen Voliere jetzt eine schmucke Dame zur Seite gesetzt. Seitdem lerne der Papagei die angenehmeren Seiten des Lebens kennen. Fliegen kann er allerdings bis heute nicht. Die Dame mag ihn trotzdem.

In Schmachthagen ist ein kleines Neubaugebiet in Planung

Vier Kilometer weiter im Ortsteil Schulenburg, auf der anderen Seite der Autobahn, die die Gemeinde teilt, wird Menschen geholfen. Im mächtigen Schulenburger Herrenhaus, das noch bis 1968 bewirtschaftet wurde, leben heute 74 Menschen in vom Jugendstil geprägten Räumen. Darunter sind Senioren, die gepflegt werden, und psychisch Kranke, die bei ihrer Wiedereingliederung von den mehr als 50 Angestellten unterstützt werden.

Große Neubaugebiete wie in einigen anderen Stormarner Dörfern gibt es in Pölitz nicht. Behutsam wurden nur an einzelnen Stellen neue Häuser errichtet. Im Ortsteil Schmachthagen soll in den kommenden Jahren jedoch die ehemalige Schulmeisterkoppel mit zwölf Häusern bebaut werden, sagt Vize-Bürgermeister Peter Ratzlaff. Große Schwierigkeiten dürfte es beim Verkauf nicht geben, denn die Grundstückspreise sind im Vergleich zu anderen Stormarner Gemeinden recht niedrig.

Und die Anbindung an Lübeck, Hamburg und Bad Oldesloe ist nach Einschätzung der meisten Anwohner sehr gut. Durch Pölitz fährt einmal in der Stunde ein Bus über die Landstraße nach Bad Oldesloe. Auf den Radweg entlang der Straße warten die Pölitzer jedoch schon seit Jahrzehnten vergebens. Gerade die Eltern von Schulkindern, die nach Bad Oldesloe müssen, wünschen sich, dass hier endlich etwas passiert.

Zur Förderung der Jugend, der Kultur und der Senioren hat Pölitz die "Mariechen-Pitzer-Stiftung". Als die Weberin Marie Pitzer verstarb, vermachte sie der Gemeinde fast eine Viertelmillionen Euro. Mehrere Tausend Euro an Zinsen können so Jahr für Jahr für gute Zwecke ausgegeben werden.