Unser Dorf: Die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn geht auf Sommertour. Das Herz der 1160-Einwohner-Gemeinde Todendorf ist das Mehrzweckhaus

Todendorf. Das Dach ist schon weg. Demnächst machen die Bagger das weiße Gebäude an der Hauptstraße platt. Dann ist die "Friedenseiche", der letzte Dorfkrug Todendorfs, Vergangenheit. Hier sollen Bauplätze entstehen. "Traurig. Wieder geht ein Stück Kultur verloren", sagt Heino Griem-Krey, Todendorfer von Geburt und einer der zwölf noch aktiven Landwirte im Ort. Auch sein Metier ist von Vergänglichkeit geprägt: "Früher waren wir gut und gerne dreimal so viele Landwirte", sagt der 51-Jährige. Seinen Familienhof am Höltenklink - 100 Hektar Ackerland, 40 Milchkühe in Anbindehaltung - wird das Schicksal allerdings nicht ereilen. Den kriegt Sohn Markus, wenn er mit dem Agrarwirtschaftsstudium fertig ist. "Aber nicht gleich", sagt Heino Griem-Krey und lacht.

Todendorf gehört zum Amt Bargteheide-Land, liegt als einzige der acht Amtsgemeinden aber östlich der A 1 und lässt viele der 1160 Einwohner nach Oldesloe-Land tendieren: Todendorfer Kinder besuchen die Grundschule im Steinburger Ortsteil Mollhagen, die Jugendfußballer des VfR bilden eine Spielergemeinschaft mit Eichede.

Neben dem Sportplatz grasen die Kühe. "Hier lebt jeder Bauer auf seiner eigenen Scholle", sagt August Peemöller und erklärt, warum das so ist: "Todendorf war ein Meiergut. 1766 wurde das Land unter den Erbpächtern aufgeteilt." Der 77-Jährige ist im Dorf aufgewachsen. Jetzt hat er seinen Hof verpachtet, genießt das Rentnerdasein an seinem Seerosenteich. Früher hat Peemöller für das Statistische Landesamt die Zahl des Viehs gezählt, das in der Gemeinde lebte. "700 Kühe sind es heute noch", sagt er. Schweine gibt es keine mehr, mit Ausnahme der zwei Zwergschweine von Musikzugführer Jörn Dollberg.

Im Zentrum des Dorfes liegt das Mehrzweckhaus. Da wo einst die Schule stand, ließen die Dorfväter Mitte der Siebzigerjahre das Gemeinschaftshaus errichten, stormarnweit das erste seiner Art. Hier ist der Mittelpunkt, hier kommen Einwohner aus dem Gölm, der Niekoppel und dem Mannhagen zum Feiern und Klönen zusammen. "Die Bude ist immer voll", sagt Reinhold Mieritz, Dorfchronist, Vorstandsmitglied im Reichsbund und im Sportverein. "Das ist im wahrsten Sinne ein Bürgerhaus", pflichtet ihm VfR-Schatzmeisterin Sylvia Unger bei. Für nichts in der Welt würde sie wieder nach Hamburg ziehen. "Wenn wir Tennis spielen und die Störche kreisen über uns hinweg - das ist einfach schön." Zwei Plätze hat der VfR eingerichtet. Neben Tennis und Fußball bietet der 350 Mitglieder starke "Verein für Rasensport von 1931" Kinderturngruppen, Gymnastik für Damen und Herren, Power-Aerobic, Rückenkurse und eine kleine "Muckibude" an.

An das Mehrzweckhaus grenzt der Kindergarten und an den wiederum das Feuerwehrgerätehaus an. "Hier schlägt das Herz von Todendorf", sagt Kindergartenleiterin Margitta Stapelfeld. 55 Kinder besuchen die Einrichtung, die seit 1980 unter der Trägerschaft des Elternvereins arbeitet. Der organisiert zweimal im Jahr auch den beliebten Kinderkleidermarkt, zu dem sogar Eltern aus Hamburg anreisen.

Neubürgerin Marsha von Deyen haben das pädagogische Konzept und die "erstaunlich fairen Gebühren" des Kindergartens bei der Entscheidung für den Umzug von Hamburg nach Todendorf geholfen. Im Neubaugebiet "Am Hofplatz" hat sie sich mit Ehemann und Sohn Tyler (3) ein neues Zuhause geschaffen. Für die ganz Kleinen hat die Gemeinde jetzt mit zwei Tagesmüttern Krippenplätze geschaffen und Räume im Mehrzweckhaus umgestaltet.

Die Senioren sind nicht minder kommunikativ und unternehmungslustig. Bis zu 100 ältere Todendorfer treffen sich monatlich zum Klönen, zu Kaffee und Kuchen und Vorträgen über aktuellen Themen. Nächste Woche organisieren sie ein Fahrtraining, damit die älteren Herrschaften sicher am Steuer sind. Der Seniorenclub erfordert stets einen logistischen Aufwand, den Renate Dwenger, Frau des Bürgermeisters Hans-Joachim Dwenger, und ihre fleißiges Team mit großem Engagement bewältigen. Vor zwei Jahren hat sie diese Aufgabe von Christel Stahmer übernommen, die aus Altersgründen die Verantwortung in jüngere Hände legen wollte. "Meinen Mann zuliebe habe ich zugesagt", sagt Renate Dwenger. "Ein reges Vereinsleben ist wichtig für eine intakte Dorfgemeinschaft", sagt der Bürgermeister. Er hat die Männergymnastikgruppe initiiert und ist natürlich auch Mitglied. Den Sommer über steigen die Herren aufs Rad und mutieren zur "Sauerfleischtruppe". Dwenger: "Jede Woche geht's in ein anderes Lokal, aber Sauerfleisch essen wir immer." Eine Todendorfer Besonderheit ist das "Tannenbaumwerfen", das Wehrführer Marc Strangmeyer und seine 39 Kameraden seit drei Jahren organisieren. "Das kommt sehr gut an", sagt er. Tradition hat das Weihnachtskonzert des Musikzuges, den nicht nur ganz erhebliche Nachwuchssorgen plagen, sondern der zurzeit auch einen neuen Standort für das Konzert sucht. "Mit dem Abriss der Friedenseiche haben wir unsere Heimat verloren. Vielleicht musizieren wir dieses Jahr vor der Kirche", sagt Musikzugführer Jörn Dollberg.

Tradition wird auch bei Ahnfeldts hochgehalten. Der alteingesessene Familienbetrieb an der Hauptstraße war früher eine Schmiede. Heute betreibt Heiko Ahnfeldt einen Motorgeräte-Service. Von Zeit zu Zeit heizt der Bargteheider Schmied Holger Meltzer die alte Feuerstelle an und zeigt Interessierten das Schmiedehandwerk. "Sonst nutzen wir die eher als Grill", sagt er und schmunzelt.

Im Frisiersalon von Heike und Manfred Lotterer geben sich Kunden aus Hamburg die Klinke in die Hand. Boxweltmeister Vitali Klitschko, ein Stammkunde aus der Zeit, als sie ihren Salon noch in Hamburg hatten, war noch nicht da. "Aber irgendwann kommt er", sagt Manfred Lotterer. Ein Hauch von internationalem Flair weht aber jetzt schon hin und wieder durch die kleine Gemeinde. Genauer gesagt in der kleinen Galerie-Werkstatt der Modistin Meike Jordan-Witte nahe des Mehrzweckhauses.

Nach Potsdam, London und Paris verschickt sie ihre selbst geschneiderten Entwürfe. Maß an ihren Kundinnen nimmt sie immer dann, wenn die Damen aus der großen weiten Welt für einen Tag zurück in ihr Dorf kommen.