Unser Dorf: Die Stormarn-Ausgabe geht mit dem Abendblatt-Smart auf Sommertour. Lasbek wartet gleich mit vier Ortsteilen auf

Lasbek. 18 Uhr, Fraktionssitzung vor dem Getränkemarkt. "Na ja, zumindest sind wir vollzählig", sagt Richard Frey und grinst. Ihm gegenüber steht Gerd Schulz, in Bermudas, mit Strohhut auf dem Kopf und einer Dose in der Hand - der zweite von zwei CDU-Gemeindevertretern. Die Mehrheit in Lasbek stellt die SPD, und auch die Wählervereinigung ist stärker vertreten. Aber das interessiert heute Abend nicht. Zum Politisieren ist es viel zu warm.

Ein Lastwagen donnert vorbei und zerreißt die Stille. "Die fahren wegen der Maut oder bei Stau alle von der Autobahn ab und rumpeln dann hier durch. Dagegen müssen wir echt was unternehmen", sagt Richard Frey. Sich bei 30 Grad so richtig aufzuregen, funktioniert nicht. So nimmt der 41 Jahre alte Maurermeister, der in der ehemaligen Meierei in Lasbek-Dorf wohnt, einen Schluck und schaut in den blauen Himmel. Auf dem Schornstein seines Hauses drängen sich vier Jungstörche im Nest. Dorfidylle pur. "Die kommen jedes Jahr. Das ist toll, aber Miete zahlen sie nicht", sagt der Lasbeker mit ländlichem Humor. Ein friedlicher Sommertag geht zu Ende. Angefangen hatte er so richtig hektisch und heiß.

Feueralarm. Die Sirenen heulen auf. Fleischermeister Jörg Lenhoff schwingt sich in vollem Arbeitsdress ins Auto. "Flächenbrand in Pölitzfeld", ruft er noch, und weg ist er. Jeder kennt ihn hier, den Mann mit den kessen Sprüchen. Jetzt hat er keine Zeit für Späßchen, jetzt ist er als Feuerwehrmann im Einsatz. "Jörg ist 28 Jahre bei uns. Der ist im Betrieb groß geworden", sagt sein Chef Wolfgang Dührkop, dem seine Brüder Martin und Klaus zur Seite stehen. Sie schmeißen den Laden zu dritt - in dritter Generation. Die Fleischerei Dührkop im Ortsteil Barkhorst in eine Institution und ein Geheimtipp auch für Auswärtige. Für die Lasbeker ist der Laden ein Treffpunkt. Hier werden nicht nur Würste gekauft, sondern Neuigkeiten ausgetauscht.

Das Neueste an diesem Tag ist das Feuer. Getreidehändler Hans Stoltenberg hat für heute eigentlich schon genug Überraschungen erlebt. Eine Stunde vorher war der Strom ausgefallen. "Weil die auf der Autobahnbaustelle eine Leitung durchtrennt haben. So ein Mist! Ein Mitarbeiter von mir saß im Fahrstuhl fest", sagt der gelernte Müller - ein Fahrstuhl im Silo! Er konnte den Armen aus der misslichen Lage befreien, aber die 202 Stufen zur Plattform des Silos musste der Händler in der Mittagshitze zu Fuß hoch stiefeln.

Dann das Feuer. Hans Stoltenberg hört nur die Sirenen. Sein Pieper meldet sich nicht, denn der Silo-Betreiber arbeitet nicht nur in Barkhorst, er lebt hier auch und ist deswegen in der "falschen Wehr": Sein Wehrführer ist zurückgetreten, sein Stellvertreter gleich mit. Und ein anderer will es auch nicht machen. So löst sich die Feuerwehr in Barkhorst auf, die rund 20 Aktiven müssen sich eine neue Heimat suchen.

"Viele werden wohl in die Wehr von Lasbek-Dorf wechseln", sagt Bürgermeister Harald Lodders. Seit 1996 ist er im Amt. Er kennt das noch von früher: Vier Ortsteile unter einen Hut zu kriegen, ist kein leichtes Unterfangen. "Es wurde doch genau geguckt, was die anderen bekommen." So erhielt Barkhorst vor Jahren ein eigenes Feuerwehrhaus. "Tja, das wird nun bald leer stehen", sagt Lodders, den das aber nicht erschüttern kann. Durch die beiden großen Neubaugebiete sind 40 junge Familien nach Lasbek gezogen. "Da entsteht Kontakt über die Eltern, in den Kindergärten oder im Sportverein. In ein paar Jahren wird man nicht mehr merken, dass es vier Ortsteile gibt", sagt Lodders und fügt staatsmännisch hinzu: "Ich bin Bürgermeister für alle Lasbeker." Auch für die Bewohner in Lasbek-Gut, wo er selbst lebt. 260 Menschen sind dort zu Hause - und rund 100 edle Pferde. Fast der gesamte Ortsteil ist ein einziges Vorzeigeobjekt: das Gestüt von Günter Herz, dem langjährigen Tchibo-Chef. Hier werden Traber gezüchtet. Auch erstklassige Springpferde, die beim großen Preis von Aachen um den Sieg kämpfen, kommen aus Lasbek. Vier Gestüte gibt es. Lasbek ist das Pferdedorf.

Wer nicht züchtet, hat eine Pferdepension, so wie Dietmar Henk, der Zugleich letzte Milchbauer in Lasbek. Die anderen haben aufgegeben. Seine Frau ist auch gegangen. Mit seiner neuen Lebenspartnerin klappt es. Urlaub? "Papa fährt vielleicht einen Tag im Jahr weg", sagt seine Tochter Daniela. "Man wächst da so rein", sagt der 45-Jährige, der jeden Morgen um 5.30 Uhr aufsteht und trotzdem immer "gut drauf ist", wie ihm die andere Tochter Meike bescheinigt. Die beiden jungen Damen freuen sich, dass nun auch Pferde zum Hof gehören. Wenn's nötig wäre, würden sie auch melken. Aber Pferde striegeln macht mehr Spaß.

In Barkhorst werden keine Pferde, sondern Schweine gezüchtet. Drei Betriebe gibt es hier. "Mit mehr als 2000 Tieren", sagt der Bürgermeister. Da der Ortsteil 230 Einwohner zählt, liegt der Witz auf der Hand. Lodders: "Hier leben mehr Schweine als Menschen."

In Krummbek lebt ein eingeschworenes Grüppchen von 55 Leuten. Ilse Lampe gehört dazu. Sie feiert ihren 89. Geburtstag. "Es hat sich so viel verändert. Das Wasser wurde noch vom Brunnen geholt", erzählt die gebürtige Lübeckerin, die 1944 nach Krummbek einheiratete. "Damals gab es auch noch Pferdegespanne. Und wir hatten alles: Schweine, Kühe, Ackerbau." Ihre Tochter Marie-Luise Leppin kennt sich ebenfalls bestens aus. Sie hat an der Lasbeker Dorfchronik mitgearbeitet: "Das war eine tolle Zeit."

Das Geburtstagskind wirkt frisch. "Ich fahre jeden Tag mit dem Auto. Nicht zum Einkaufen, nur so zum Gucken", sagt die alte Dame, die sich über die Blumen vom Bürgermeister freut. "Ich komme zu jedem, der älter als 80 ist", sagt er. Da hat er gut zu tun. 43 Bewohner Lasbeks haben diese Grenze überschritten. Lodders: "Vielleicht liegt das an der guten Luft."

Wer kann, macht mit beim Tanzclub 77 von Erika Witten oder geht zum Seniorenclub, den Gabriele Peemöller leitet und der jedes Jahr drei, vier Ausflüge unternimmt.

Anke Bräuer ist 72 Jahre und macht mit bei "50 Plus" im Sportverein. Der war so gut wie tot. Sie hat den Verein wieder aufgebaut. 300 Mitglieder und ein großes Kursangebot für Jung und Alt kann der Verein jetzt vorweisen. Jetzt möchte sie den Vorsitz abgeben. Anke Bräuer: "Ich muss wohl durchhalten, bis ein Nachfolger da ist."

Auf den wartet der Barkhorster Wehrführer vergebens. Norbert Kölln, der Chef der Wehr von Lasbek-Dorf und -Gut, hat dafür bald noch mehr zu tun. Auch er schaut heute auf dem Hof in Krummbek vorbei. Nicht weil Geburtstag ist. Norbert Kölln geht durchs Dorf und sorgt dafür, dass überall Wasser bereitgestellt wird. Das Feuer war ein Warnsignal. Während der Wehrführer sich um Brandschutz kümmert, hat Richard Frey den Fraktions-Klönschnack beendet und sich ins Haus zurückgezogen. Auch seine "Untermieter", die Störche auf dem Dach, kuscheln sich für die Nacht in ihr Nest.