Die Stormarn-Ausgabe geht mit dem Abendblatt-Smart auf Sommertour. In Stemwarde pflegen die Menschen sogar die Straßenbeete

Stemwarde. "Was macht der denn da?", dachte Barsbüttels Bürgermeister Thomas Schreitmüller, als er nach einer Sitzung spät am Abend durch den Ortsteil Stemwarde fuhr. Im Dunkeln erkannte er, wie ein Mann einen langen Gartenschlauch über die Dorfkreuzung zog. Beim näheren Hinsehen erkannte Schreitmüller, dass es der Ortsbeiratsvorsitzende Klaus-Jürgen Krüger war, der noch bis spät in die Nacht die Beete am Dorfring wässerte. Bei der derzeitigen Hitze macht Krüger das mehrere Male in der Woche. Insgesamt neun Stemwarder haben Patenschaften für eines der Beete entlang der Ortsdurchfahrt übernommen und kümmern sich darum, dass alles wächst und gedeiht.

Die Beete an der Hauptstraße haben das 500-Enwohner-Dorf bekannt gemacht. Mit viel Eigenleistung haben die Bewohner die Beete angelegt. Selbstverständlich kümmern sie sich auch um die Pflege des blühenden Salbeis Caradonna, der Rose Sommerabend und des Storchschnabels. Die Kosten für die Verschönerung der Straße konnten so halbiert werden. Und das gelang, weil sich die Bewohner engagierten. Und genau das machen sie an vielen Stellen im Dorf. Den Bürgermeister wunderte es daher auch nicht weiter, dass Krüger, der so etwas wie ein ehrenamtlicher "Dorfbürgermeister" ist, nicht nur sein Beet begoss, sondern mit dem 150 Meter langen Schlauch auch gleich noch weitere 300 Quadratmeter wässerte - getreu dem Motto der Musketiere: Einer für alle, alle für einen.

Klaus-Jürgen Krüger sagt: "In Stemwarde geht es nicht um die Partei, sondern danach, ob es dem Dorf dient." Gemeinsam organisieren die Menschen Aktionen, die den Zusammenhalt stärken und von denen auch alle etwas haben.

Der eigentliche Treffpunkt liegt allerdings etwas außerhalb. Es ist das Dorfgemeinschaftshaus (DGH). "Wir haben viele Jahre auf den Bau gewartet", sagt Helmut Wolek, der mit sieben weiteren Freiwilligen die Arbeitsgruppe DGH bildet. Wolek: "Anfangs gab es von vielen Bedenken, ob wir das Gebäude überhaupt mit Leben füllen könnten." Die Stemwarder konnten. In dem schicken 450 Quadratmeter großen Neubau schlägt das kulturelle Herz. Seniorenabende, gemeinsames Fußballgucken zur WM, Theaterabende, zu denen nicht selten alle der 150 Stühle besetzt sind, Privatfeiern und dann noch der Jugendclub im Keller des Gebäudes und der Spielplatz am Bach gleich daneben. Das Haus ist für alle da, und fast alle sind auch immer mal wieder da.

Helmut Wolek dreht Würstchen auf dem Grill, organisiert das Programm und weiß, wer gerade den Schüssel in der Tasche hat. Bürgermeister Schreitmüller sagt über ihn: "Er ist die gute Fee des Hauses."

"Vorher war die Feuerwehr hier der Kulturträger", sagt Wolek. Seit dem Bau des Gemeinschaftshauses hätten sich viele Aktivitäten dorthin verlagert. Die Gymnastikgruppe von Karin Adomeit beispielsweise legt ihre Matten in dem 150 Quadratmeter großen Raum des lichtdurchfluteten Gebäudes aus. Vor 35 Jahren begann die Gruppe auf dem öligen Boden der Feuerwehrhalle. Die Feuerwehrautos können jetzt in der Wache stehen bleiben und müssen nur zu Einsätzen raus. "Wir sind auch für Einsätze auf der A 24 und der A 1 zuständig", sagt der stellvertretende Wehrführer Axel Griem.

Er hat gleich gegenüber, direkt an der Dorfstraße, einen Hofladen in der Tenne seines Bauernhauses und verkauft frisches Gemüse. Zweimal in der Woche gibt es dort auch frisches Brot. "Wir Bauern kommen uns hier nicht in die Quere", sagt Griem. Die sieben noch aktiven Landwirte in dem Ort haben sich in den vergangenen Jahren unterschiedlich spezialisiert, einige verkaufen ihre Produkte direkt im Hofladen. Der eine bietet Milch und Kartoffeln an, ein anderer Fleisch, und wieder ein anderer hat sich auf Spargel spezialisiert. Und immer wieder fragen Kunden, wer denn die schönen Beete vorne an der Straße angelegt habe.

Das war es dann aber auch schon mit den Einkaufsmöglichkeiten. Stemwarde hat keine Tankstelle, keinen Supermarkt und nicht mal eine Kirche. Helmut Wolek sagt lachend: "Unsere Infrastruktur ist der Briefkasten." Er untertreibt. Es gibt da auch noch zwei Bushaltestellen und zwei Vereine: die Feuerwehr und eine Aktionsgemeinschaft, die sich unter anderem um die Renaturierung eines sieben Hektar großen Areals im Norden des Dorfes kümmert. In Eigenregie wurde das Gebiet mit Unterstützung der Gemeinde gekauft, und in den vergangenen Jahren wurden Teiche und Knicks angelegt. Mittlerweile grasen Galloway-Rinder auf dem Gelände an dem Bach, den alle nur Bek nennen. Und die Bek fließt auch durch die Sohlgleite zum Spielplatz neben dem Dorfgemeinschaftshaus.

Jessica Schön trifft sich dort regelmäßig mit anderen Müttern kleiner Kinder auf dem schattigen Spielplatz. Sie sagt: "Zwei Autos braucht eine Familie hier aber schon, um klarzukommen." Einige Lebensmittel bekomme sie zwar im Dorf, manchmal müsse man aber doch woanders hinfahren, um einzukaufen. Nach Hamburg-Wandsbek und in die Innenstadt seien es über die Autobahn nur ein paar Minuten. Jessica Schön wohnt im Neubaugebiet an der Straße Kleiner Wischhoff. 20 Häuser sind dort in den vergangenen Jahren entstanden oder befinden sich noch im Bau. In fast der Hälfte der Häuser auf den bis zu 900 Quadratmeter großen Grundstücken wohnen junge Familien, die auch schon vorher in der Gemeinde Barsbüttel lebten und dort auch bleiben wollten. Die Bewohner nennen sich selbst die Wischhoffraner. Einige haben schon etwas mit den anderen Dorfbewohnern unternommen, als die Baugrube noch gar nicht ausgehoben war. Sie waren integriert, bevor sie die Kartons in ihrem alten Zuhause einpackten.

Gegenüber dem Neubaugebiet wohnt Ernst-August Soltau, der vor 80 Jahren auf dem Hof seiner Eltern in Stemwarde geboren wurde. Er erinnert sich noch gut an die Zeit, als er vom Bahnhof Willinghusen-Stemwarde mit der dampfenden Lok der Südstormarnschen Kreisbahn zum Viehmarkt nach Trittau fuhr. So richtig im Ruhestand ist er auch heute noch nicht. Fast täglich fährt er mit seinem Fahrrad los und kontrolliert die Elektrozäune an den Feldern.

Soltau erzählt von einer Mutterkuh, die ihr neugeborenes Kalb seit ein paar Tagen nicht annehmen will, und zeigt hinüber auf die Wiese. Bisher habe er so etwas noch nie erlebt. Ob er sich Sorgen mache? Soltau winkt ab, sagt: "Das wird schon." Denn bisher haben die Stemwarder noch jeden erfolgreich in die Dorfgemeinschaft integriert. Und das soll auch so bleiben.