Lütjenseer Pastorin kritisiert Pröpstin im Fall des wegen kinderpornografischer Bilder verurteilten Kirchenmusikers.

Lütjensee. Wo verläuft die Grenze zwischen Opferschutz und dem Schutz mutmaßlicher Täter? Und welche Rolle spielt für die Nordelbische Kirche der Schutz ihres guten Rufs? Im Fall des entlassenen Kirchenmusikers in Lütjensee, der wegen des Besitzes von kinderpornografischem Material verurteilt worden war, könnte es eng für Pröpstin Margit Baumgarten werden. Sie soll die Lütjenseer Pastorin Britta Sandler angewiesen haben, die Vorwürfe nicht an die große Glocke zu hängen. "Ich sollte dem Kirchenvorstand nicht die Gründe für die Entlassung mitteilen", bestätigte Sandler am Montag gegenüber dieser Zeitung. Margit Baumgarten habe das mit dem Persönlichkeitsschutz begründet. Der Vorstand müsse solches Hintergrundwissen jedoch haben, sagt Sandler. "Denn er trifft die Personalentscheidungen." Außerdem sei es wichtig gewesen, sofort alles zu tun, damit die Kinder in der Gemeinde geschützt würden. Die Anweisung der Pröpstin sei für sie deshalb "völlig unverständlich" gewesen, sagt Britta Sandler. "So ist keine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich."

Im März 2009 hatte ein Pastor der Düsseldorfer Kirchengemeinde, in der der Musiker zuvor beschäftigt war, Britta Sandler angerufen. Er informierte sie darüber, dass der heute 56-Jährige in Düsseldorf wegen Besitzes kinderpornografischer Bilder verurteilt worden war. Am selben Tag habe sich die Ahrensburger Kriminalpolizei bei ihr gemeldet, sagt sie. "Am nächsten Tag hatte ich ein Gespräch mit dem Mitarbeiter, in dem er die Vorwürfe zugab. Ich habe ihm Hausverbot erteilt." Am Tag darauf habe sie mit Pröpstin Margit Baumgarten telefoniert. Als diese ihr Diskretion nahelegte, habe Sandler widersprochen. Sie sagt: "Wir haben uns auseinandergesetzt."

Doch die Pastorin beschloss, sich über die Anweisung hinwegzusetzen. In einer Sondersitzung informierte sie den Kirchenvorstand über die Vorwürfe gegen den Musiker. Die Mitglieder beschlossen daraufhin, dem Mann sofort zu kündigen. Kirchenvorstandsmitglied Jürgen Lünzmann erinnert sich, dass Britta Sandler in der Sitzung von dem Gespräch mit Margit Baumgarten erzählt habe. "Sie hat uns gesagt, dass Frau Baumgarten nicht wollte, dass wir informiert werden."

Nachdem der Opferverein "Missbrauch in Ahrensburg" Baumgarten Vertuschung vorgeworfen hatte, erstattete diese in der vergangenen Woche Selbstanzeige beim Nordelbischen Kirchenamt. Es wurden Ermittlungen hinsichtlich ihres Umgangs mit den Fall in Lütjensee und einem weiteren Kinderpornografie-Fall in der Kirchengemeinde Hamburg-Alt-Rahlstedt eingeleitet. "Durch das von Frau Baumgarten beantragte Disziplinarverfahren gegen sich selbst hat sich eine neue Rechtslage ergeben, sodass wir aus dem laufenden Verfahren keine Auskünfte mehr erteilen können", sagt Norbert Radzanowski, Sprecher der Nordelbischen Kirche. Margit Baumgarten ist zurzeit im Urlaub und nicht zu erreichen.

Britta Sandler bleibt dabei, dass es die Anweisung zur Diskretion gegeben hat. Vor dreieinhalb Wochen habe sie sich zu einem Gespräch mit der Pröpstin getroffen, sagt Sandler. "Dabei ging es noch einmal darum, wie das damals war." Baumgarten habe die Anweisung abgestritten. Sandler: "Jetzt steht Aussage gegen Aussage."

Der Kirchenmusiker, der erst im Juli 2008 eingestellt worden war, musste die Lütjenseer Gemeinde zwar verlassen, öffentlich wurden die Vorwürfe gegen ihn jedoch nicht. "Wir haben auf den Rat der Polizei und der Jugendbehörden vertraut und alles getan, damit die Kinder geschützt sind", sagt Sandler. Hinweise auf Straftaten des Mannes in Lütjensee gebe es nicht. Trotzdem wurde die Leiterin der Kindertagesstätte informiert. "Hätte es dort Hinweise von Eltern gegeben, hätte die Leitung sofort reagieren können."

Der Mitarbeiter war in der Kita tätig, die Zusammenarbeit habe aber nicht gut funktioniert, sagt Leiterin Katja Lindemann. "Wir hatten uns schon von ihm getrennt, bevor wir von den Vorwürfen wussten." Hinweise von Eltern habe es nicht gegeben.

Pastorin Britta Sandler hofft nun auf rückhaltlose Aufklärung. "Ich wünsche mir, dass der Fall geklärt wird - offen und ehrlich."

In Ahrensburg will die Opferinitiative die Aufklärung nun mit juristischer Hilfe vorantreiben. Sie hat den Hamburger Staranwalt Gerhard Strate engagiert. "Er hat bereits zugesagt, und es wird bald ein erstes Gespräch geben", sagt Vereinsmitglied Henning Offen. "Ich unterstütze den Verein", bestätigte Gerhard Strate gegenüber der Stormarn-Ausgabe. Er habe bereits mit Vertretern des Vereins gesprochen, alle weiteren Schritte müssten jedoch noch geregelt werden.

Auch die Nordelbische Kirche hat eine Anwaltskanzlei beauftragt. Die externen Gutachter der Kanzlei Brock Müller Ziegenbein aus Kiel sollen prüfen, welche Konsequenzen in der Kirche gezogen werden müssen, damit sich Vorfälle wie die in Ahrensburg nicht wiederholen. Margit Baumgarten lässt während der Ermittlungen gegen sie ihre Ämter in den kirchlichen Aufklärungsgremien ruhen.