Im Interview spricht IHK-Präses Christoph Andreas Leicht über die touristischen Potenziale des Kreises

Hamburger Abendblatt:

Herr Leicht, in Stormarn scheint sich nach Jahren des Zögerns nun ein professionelles Tourismusmanagement zu etablieren. Ist das der richtige Schritt?

Christoph Andreas Leicht:

Wir halten ein Tourismusmanagement in doppelter Hinsicht für wichtig. Zum einen können so Zielgruppen - das sind Naherholungssuchende und Tagungsgäste - klar definiert und angesprochen werden. Tourismus ist in Stormarn sinnvoll als Komplementärwirtschaftsfaktor zu den überragenden sonstigen Clustern. Auf der anderen Seite hat er noch eine weitere Bedeutung, und zwar als weicher Standortvorteil, der den Kreis attraktiv für Fach- und Führungskräfte macht.

Stichwort Naherholung. Welche Potenziale sehen Sie in Stormarn?

Da sind die zahlreichen Seen und Flüsse, die zum Wassersport einladen. Da ist die reizvolle Landschaft rund um den Sachsenwald. Da sind Infrastruktureinrichtungen wie die großen Schwimmbäder oder die Radwege. Das alles können Ziele für einen Familienausflug sein. Sie müssen aber auch vernetzt und bekannt gemacht werden.

Sind attraktive Wälder, Radwanderwege und Seen genug? Oder müssten im Kreis nicht auch zusätzliche Anreize geschaffen werden, zum Beispiel durch einen Magneten wie eine Skihalle?

Das ist eine Diskussion, die in vielen Regionen geführt wird. Die betriebswirtschaftliche Wahrheit sieht so aus, dass solche Einrichtungen riesige Einzugsgebiete brauchen. Und die Erfahrungen zeigen, dass damit nur sehr schwer auskömmliche Renditen zu erzielen sind. Von daher muss man vorsichtig sein mit Millionen-Investitionen in solche touristischen Magnete, die hinterher niemand betreiben kann. Viel machen ließe sich hingegen aus den zahlreichen Schlössern und Herrenhäusern, die Stormarn zu bieten hat. Aber man muss sich natürlich auch ein bisschen darum kümmern. Man bräuchte Betreiber, die Ideen haben und Events auf die Beine stellen.

Sie sprachen die Vernetzung bestehender Angebote an. Dabei soll ja auch nach derzeitigem Stand der Dinge auch die IHK-Geschäftsstelle in Ahrensburg eine Rolle spielen. Welche?

Dort stehen ein Büro und Besprechungsräume zur Verfügung. Deshalb kann der neue Tourismusmanager sofort mit seiner Arbeit beginnen.

Was muss er als Erstes machen?

Er muss alle Hauptakteure kennenlernen und sie für eine Strategie gewinnen. Es geht nicht darum, einen bunten Strauß aus allem Möglichen zu binden, denn das würde nicht funktionieren und auch nicht der Rolle gerecht werden, die Tourismus in Stormarn spielen soll. Es geht ganz klar darum, auf bestimmte Zielgruppen zu fokussieren. Und auf die Frage, was man mit denen machen kann.

Gibt es in Stormarn genug Hotelbetten?

Ich sehe da großes Potenzial in den Schlössern und Herrenhäusern. Stormarn ist einer der zehn wirtschaftsstärksten Kreise Deutschlands. Die Firmen hier sind Champions. Da besteht natürlich Bedarf an entsprechenden Hotels.

Die Schlösser und Herrenhäuser sollen Hotels werden?

Das müssen Unternehmer beurteilen, die dort ihre Geschäftsfelder sehen. Wenn es Rendite bringt, wird sich auch ein Unternehmer finden, der etwas investiert.

Welche Impulse wird die feste Fehmarnbelt-Querung für Stormarn bringen?

Klar ist natürlich, dass das gerade veröffentlichte Vorgutachten für einen Dämpfer gesorgt hat.

Sprechen wir über das sogenannte Geheimgutachten?

Es ist kein Geheimgutachten. Und: Es beschäftigt sich im Wesentlichen mit dem Schienenverkehr und ist somit ein Teil einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung. Klar ist, dass in der Region zwischen Fehmarn und Stormarn kein eigenes großes Güteraufkommen entstehen wird, das für Impulse sorgt.. Aus dem Gutachten geht aber auch hervor, dass - was den Individualverkehr angeht - mit erheblichen Impulsen in den Kreisen zu rechnen ist. Nach Fertigstellung der Querung werden zwei Metropolregionen mit insgesamt fast zehn Millionen Einwohnern zusammenwachsen. Die Erfahrung mit der Storebelt-Brücke zeigt, dass sich weder in Kopenhagen noch in Aarhus die meisten Firmen angesiedelt haben, sondern an den Verkehrswegen zwischen den Metropolen.

Sind unsere Schienen und Straßen ausgelegt für die Fehmarnbelt-Querung?

Noch nicht. Wir müssen dieses gesamte Fehmarnbelt-Projekt auf der norddeutschen Kooperationsebene sehen. Großflächige Verkehrsinfrastruktur muss von Schleswig-Holstein und Hamburg gemeinsam auf den Weg gebracht werden. Es geht hier um die A 21, es geht um die Ostumfahrung Hamburgs, es geht um verbesserte Schienenwege. Kurzum: um all die Projekte aus der bekannten Ahrensburger Liste. Was die A 21 angeht, sind wir dabei, über alternative, kreative Finanzierungsmodelle nachzudenken, um die 60 Kilometer A 21, die noch gebaut werden müssen, um fünf oder sechs Autobahnen miteinander zu verbinden, schneller hinzubekommen, als es der Bundesverkehrswegeplan vorsieht.

Wie kreativ sind sie?

Man muss sehen, wie man vielleicht 15 oder 20 Millionen Euro frei bekommt, um schon vor 2015 in die Vorplanungen einsteigen zu können. Public-Private-Partnership wäre eine Möglichkeit.

Eine komplett private Finanzierung vielleicht eine zweite?

Sicherlich. Es gibt ja schon verschiedene Beispiele dafür. In Bad Bentheim zum Beispiel haben sich Unternehmer zusammengeschlossen und einen Lückenschluss an der A 31 realisiert. Aber auch Maut-Strecken sind denkbar.

Herr Leicht, vielen Dank für das Gespräch