Pleiten, Pech und Pannen auf der R 10 zwischen Bad Oldesloe und Hamburg. Berufspendler hoffen auf Abhilfe durch die neue Linie.

Ahrensburg. "Ich ziehe jetzt nach Hamburg, weil ich das ständige Pendeln mit allen Verspätungen, Zugausfällen und den überfüllten Waggons nicht mehr ertrage", sagt Victoria B. Noch lebt die 24-jährige in Bad Oldesloe und studiert an der Hamburger Uni Jura. Das heißt: jeden Werktag 38 Minuten Fahrt mit der Regionalbahn nach Hamburg und abends wieder zurück. Sie sagt: "Die Züge sind dauernd überfüllt. Sie kommen dauernd zu spät und sie fallen dauernd aus. Außerdem fahren sie nicht häufig genug."

Die Stormarnerin ist nur eine von 20 000 Pendlern, die jede Woche fünfmal mit der Regionalbahn nach Hamburg und zurück fahren. Um zur Universität oder zur Arbeit zu kommen, sind sie auf pünktliche Züge angewiesen. Doch es vergeht kaum ein Tag, an dem sie zur geplanten Zeit ankommen. "Am Anfang habe ich mich noch auf die Bahn verlassen, mittlerweile bin ich schlauer", sagt Buchhändler Christian V. aus Großhansdorf. "Jetzt fahre ich immer einen Zug früher nach Hamburg, damit ich zumindest halbwegs rechtzeitig da bin. Das bedeutet: 20 Minuten eher aufstehen. Abends das Gleiche: mindestens 20 Minuten weniger Freizeit, denn Verspätungen sind die Regel."

Seine Erfahrungen bestätigen sich auch an diesem Morgen. Um 8.11 Uhr dröhnt es aus den Lautsprechern in der RB 21469 nach Hamburg: "Wegen einer Überholung durch einen Fernverkehrszug verzögert sich unsere Abfahrt um weitere fünf Minuten." Auf das Auto möchte der 42-Jährige trotzdem nicht umsteigen: "Das ist schlecht für die Umwelt. Und die Autobahn 1 ist morgens genauso eine Katastrophe - ich muss das Geschäft pünktlich öffnen."

Dass sie oft zu spät kommt, daran hat sich Victoria B. schon gewöhnt: "Meine Professoren sagen schon gar nichts mehr. Manche fahren selbst mit der Bahn - sie kennen das Problem." Frustrierend sei es trotzdem. Besonders, wenn die Studentin morgens auf einen Zug wartet: "Kommt der Zug endlich, ist er rappelvoll. Wenn dann noch die Türen kaputt gehen oder die Gleise besetzt sind, summiert sich die Verspätung schnell auf eine Stunde." Ihr reiche es jetzt. Noch diesen Sommer sucht die 24-Jährige eine Wohnung in der Hamburger Innenstadt.

Gedränge am Hauptbahnhof - manch Stormarner verpasst da seinen Zug

Pendler, die nicht umziehen können oder wollen, setzen auf den Bau der S 4. Die neue Bahnlinie soll den Hamburger Hauptbahnhof entlasten. Der Verkehrsknotenpunkt in der Millionenmetropole hat seine Kapazitätsgrenze erreicht. Weniger Regionalzüge, dafür umso mehr S-Bahnen, lautet ein Vorschlag von Verkehrsexperten.

Für die Pendler aus Stormarn hieße das: 21 Kilometer S-Bahn-Strecke bis Ahrensburg auf zwei eigenen, vom Regional- und Güterverkehr unabhängigen Gleisen. Züge im 20-Minuten-Takt, in der Hauptverkehrszeit sogar alle zehn Minuten plant die S-Bahn Hamburg GmbH. Danach ginge es auf einem Gleis weiter bis nach Bargteheide, einmal pro Stunde sogar bis Bad Oldesloe.

"Vielleicht können die Züge auf separaten S-Bahngleisen pünktlicher abfahren, weil das Gedränge nicht so groß ist", hofft auch Michael R. Der Biologe wohnt mit seiner Familie in Bargteheide, pendelt werktags nach Hamburg. Er erlebt immer wieder, dass die täglich etwa 800 Züge im Fern- und Nahverkehr nicht nur den Hauptbahnhof an seine Grenzen bringen: "Es ist schrecklich. Während der Rushhour kann ich mich im Hauptbahnhof kaum bewegen. Da verpasse ich schon mal den Zug, weil ich nicht vorankomme. Ich hoffe, das ändert sich mit der S 4."

Silvia von Spreckelsen sieht vor allem die Vorteile einer möglichen höheren Taktung der neuen S-Bahn. Die 39-Jährige arbeitet im Zeitungsladen im Ahrensburger S-Bahnhof und bekommt daher die Probleme der Pendler täglich mit. "Wenn der Zug mal wieder nicht kommt, lesen die Fahrgäste hier Zeitung. Sie beschweren sich oft über Verspätungen und lange Wartezeiten." Besonders am Wochenende kämen viele nicht aus Ahrensburg weg, weil die Züge so selten fahren würden. "Eine kürzere Wartezeit für meine Kunden durch die S 4 wäre toll."

Auch Matthias M. wünscht sich Bahnen, die öfter nach Hamburg fahren. Als Berufsschullehrer für Kaufleute im Verkehrsservice bildet er angehende Schaffner aus und weiß, worauf es zufriedenen Bahnfahrern ankommt. Er sieht einige Verbesserungsmöglichkeiten: "Die Bahn hat sich bisher wenig um die Fahrgäste aus Stormarn gekümmert. Die Bahnhöfe lassen zu wünschen übrig. Es gibt oft keine Ansagen, und es verkommt alles. Man wird behandelt wie ein Fahrgast zweiter Klasse." Das hat auch Anna S. erlebt. Die Theologiestudentin stand 30 Minuten mit dem Zug auf freier Strecke. "Nichts ging mehr - eine Ansage kam auch nicht. Besonders auf dem Weg zu einer Klausur wird man da schnell unruhig."

Freude in Ahrensburg: "Die Bahn macht jetzt wirklich Nägel mit Köpfen"

Die Diskussion über die S 4 dauert nun schon viele Jahre an. Gescheitert ist die Umsetzung bisher an Kosten von rund 400 Millionen Euro. Die neu vorgelegten Planungen der Stadt sind konkreter. Jörg Sievers, Sprecher der Initiative S 4 in Ahrensburg: "Die Bahn macht jetzt wirklich Nägel mit Köpfen."

Wird die neue S-Bahn endgültig beschlossen, dauert der Ausbau der Strecke sechs Jahre. Zugbegleiter Jürgen F. (58) zweifelt noch an der Umsetzung der Pläne: "Es steht noch nichts fest. Ich bin mir nicht sicher, ob sie das wirklich durchkriegen."

Victoria B. verlässt sich darauf nicht. Sie will so schnell wie möglich nicht mehr auf die Bahn angewiesen sein. Auch Christian V. sagt: "Mit dem Fahrrad zur Arbeit losfahren, wann ich will, ohne Verspätung und ohne Gedrängel - das wär's."

Für Victoria B. könnte das nach ihrem Umzug möglich sein. Trotzdem sei sie für alle anderen Pendler froh, wenn die Bahn mit einer Verbesserung der Anbindung Stormarns vorankomme: "Schön, dass es endlich mal konkret thematisiert wird. Denn so kann es ja auch nicht weitergehen."