Der SPD-Bundespolitiker auf Besuch in Ahrensburg. Der mögliche Kanzlerkandidat wird skeptisch und teilweise begeistert empfangen.

Ahrensburg. Was passiert, wenn Ahrensburg und Frank-Walter Steinmeier einander kennenlernen? Frank-Walter Steinmeier, jener Mann, der SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag ist und schon einmal Kanzlerkandidat war. Ahrensburg, jene Stadt draußen vor den Toren Hamburgs, die einiges zu bieten hat, aber kaum Weltruhm. Immerhin: Gemeinsamkeiten scheint es ein paar zu geben. Beide sind nicht wirklich glamourös, aber verlässlich, beide werden bisweilen unterschätzt, für beide könnte die große Zeit - vielleicht - noch kommen. Was aber, wenn für dieses Kennenlernen nur eine Stunde Zeit bleibt?

Zumindest mit einer Sache verschwendet der hohe Gast keine Zeit, als er pünktlich um 13 Uhr über den Wochenmarkt gelaufen kommt, begleitet von einer Assistentin und drei Personenschützern. Frank-Walter Steinmeier bietet Ahrensburg gleich das "Du" an, das heißt, er duzt Ahrensburg einfach - angefangen mit Bürgermeister Michael Sarach, der ihn vor dem Rathaus empfängt. Eine Sache, die unter SPD-Mitgliedern auch üblich ist, aber der Gast wird die unförmliche Anrede eisern beibehalten - in der Fußgängerzone, im Haus der Arbeiterwohlfahrt, im Altentreff Peter-Rantzau-Haus. Immerhin: Ahrensburg scheint dieses "Du" zu gefallen.

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Doch zuerst erzählt Michael Sarach noch etwas über das Rathaus, dass es "sanierungsbedürftig" sei und dass er aus Gründen der Zurückhaltung im Wahlkampf nicht an dem Rundgang teilnehmen werde. Um einen Wahlkampftermin handelt es sich nämlich, und deshalb sind auch Mitglieder der örtlichen SPD und der Jusos dabei. Und selbstverständlich Tobias von Pein, der junge Landtagskandidat, der dem Bundespolitiker an diesem Tag klar den Vortritt lässt.

Als es 13.10 Uhr ist, hat Frank-Walter Steinmeier schon mehrmals gelacht und häufig "Du" gesagt - zum Beispiel zu Siegfried und Gabriele Bicker, die er auf dem Wochenmarkt trifft. Sie haben von Steinmeiers Besuch in der Zeitung gelesen und wollen ihn einfach mal treffen, schon allein deshalb, weil sie einmal im Lemgo gelebt haben, einem Ort in Niedersachsen, der in der Nähe von Steinmeiers Heimatort Brakelsiek liegt. Die Bickers sind keine SPD-Mitglieder, aber "die Partei ist schon o.k.", wie Gabriele Bicker sagt. Schnell stellt sich noch etwas heraus: Beide, Steinmeier und Siegfried Bicker, haben vor langer Zeit einmal bei derselben Firma gearbeitet. Einem Betrieb, der mittlerweile pleite ist. "Ja, seitdem wir beiden nicht mehr da sind!", sagt Steinmeier und lacht laut.

Ein anderer Mann, der gerade neben Steinmeier Currywurst isst, möchte ihm einfach sagen, "dass ich hoffe, dass er Kanzlerkandidat wird". Es scheint gut zu laufen für den Gast, der jetzt mit seinem Tross schnell weiter muss.

Auch die Jugend interessiert sich für Steinmeier - zumindest für ein Bild von ihm, auf dem Rondeel am Muschelläufer. Steinmeier erzählt gerade, dass "Schleswig-Holstein eine stabile Regierung braucht", und die sollte nicht CDU-geführt sein. Gerhard Bartel von der Ahrensburger SPD erzählt Steinmeier etwas über den Muschelläufer. Unterdessen zücken mehrere Jugendliche ihre Smartphones. Ob er wisse, wen er da gerade fotografiert habe, wird ein etwa zwölfjähriger Junge gefragt. "Horst Seehofer, oder nicht?", erwidert der Schüler. Der Mann, der nicht Horst Seehofer ist, bekommt das nicht mit und winkt den Jungen zum gemeinsamen Bild herüber. "Nett" sei der Mann gewesen, wird der Junge später sagen.

Und was ist mit Deutschen ausländischer Herkunft? Kann der Mann, der vielleicht noch einmal Kanzlerkandidat wird, sie für sich begeistern, kennen sie ihn überhaupt? Ja, lautet die Antwort - zumindest in Ahrensburg, zumindest an diesem Tag. Das wird im "Uns Huus" der Arbeiterwohlfahrt deutlich, das Steinmeier gegen 13.20 Uhr besichtigt. Mehmet Aydemir, der im Awo-Haus Migranten berät, berichtet Steinmeier gerade, sichtlich geehrt und etwas aufgeregt, von seiner Arbeit, als ein junger Pizzabote hereingestürmt kommt. Aschuka Kouchi heißt der Mann, der "unbedingt" ein Autogramm von Steinmeier will. Der junge Mann ist nicht in der SPD. Warum er unbedingt das Autogramm will? Steinmeier sei einfach ein "großartiger Mann, der sich für Menschenrechte einsetzt". Dann muss der Pizzalieferant weiter.

Auch Steinmeier setzt seinen Weg fort. Zur Domicil-Seniorenresidenz, wo auch Sigmar Gabriels Vater wohne, wie erzählt wird.

Es ist 13.50 Uhr, und der Besuch ist fast zu Ende, als es zum ersten Mal schlecht läuft für Steinmeier. Der Sozialdemokrat ist gerade im Peter-Rantzau-Haus und erfährt die Eckdaten des Treffpunkts, als ein älterer Mann zu ihm sagt: "Sie haben Pech, denn ich kann Sie nicht leiden." Der Satz kommt von Hans-Jochen Simbig, der gerade mit dem Chor probt. Steinmeier habe keine "Ecken und Kanten", sagt Simbig zur Erklärung. Der Spitzenpolitiker geht auf den Vorwurf nicht weiter ein. Wenige Minuten später ist er schon wieder sehr entspannt - beim abschließenden Kaffeetrinken mit der SPD, für das er sich noch eine Viertelstunde mehr Zeit nimmt.

"Ich fand ihn schon cool. Man kann von ihm lernen, wie man auf Menschen zugeht", wird Tobias von Pein später sagen. Steinmeier ist da schon auf dem Weg - mit dem Dienstmercedes zum nächsten Termin. In Bad Schwartau ist das, wie ihm seine Assistentin im Wagen sagen wird.