Michael Gartenschläger wurde beim Versuch, Selbstschussanlagen an der DDR-Grenze abzubauen, erschossen. Ausstellung im St.-Adolf-Stift.

Reinbek/Barsbüttel. Seine Geschichte liest sich wie ein Krimi, auf dessen Seite der Leser von einem Spannungspunkt zum nächsten gejagt wird - immer mit der bösen Vorahnung, dass es auf den letzten Seiten kein Happy End geben wird. "Michael Gartenschläger war ein energiegeladener Mensch mit einem großen Hass auf die DDR, der auch immer wieder die Öffentlichkeit suchte", sagt Lothar Obst. Der Direktor des Reinbeker Krankenhauses steht an einem Waldweg an der Bröthener Straße zwischen Bröthen und Fortkrug (Kreis Herzogtum Lauenburg), dort wo noch heute nahe der ehemaligen innerdeutschen Grenze ein Kreuz und ein großer Findling an den Tod des Systemkritikers und Fluchthelfers Michael Gartenschläger erinnert. Er war am 30. April 1976 beim Versuch, einen Selbstschussautomaten abzubauen, von einem Stasi-Sonderkommando erschossen worden.

Fast 36 Jahre nach dem Auftragsmord der Stasi holt Obst die Ausstellung "Michael Gartenschläger - Leben und Sterben zwischen Deutschland und Deutschland" ins St. Adolf-Stift. Ein Jahr lang recherchierte der Direktor des Krankenhauses rund um die Nacht des 30. April, als neun Kugeln den Körper Gartenschlägers an der Grenze trafen. Obst telefonierte mit Gartenschlägers Neffen Thomas Köckeritz, traf sich mit Zeitzeugen - Dieter Schmidt, einem ehemaligen Zollbeamten, und Lothar Vogt, damals tätig beim Bundesgrenzschutz in Schwarzenbek, sowie Wolfgang Wiese, einem Nachbarn Gartenschlägers in Lohbrügge. Und er verfolgt Gartenschlägers Leben im Westen - ganz in seiner Nähe.

Erst spät wurde bekannt, dass der DDR-Kritiker im Juni 1971 nach Reinbek kam, kurz nachdem er als politischer Häftling von der Bundesregierung gegen Devisen freigekauft wurde. Er wird im damaligen Haus Billetal (heute Nephrologisches Zentrum Reinbek) von dem Hilfswerk der Helfenden Hände untergebracht. Ein Jahr lang lebt er dort, lernt dort unter anderem Lothar Lienicke kennen, mit dem er die Selbstschussautomaten abbauen wird. Später zieht er in eine Einzimmerwohnung in einem Hochhaus in Lohbrügge. 1974 pachtet Gartenschläger eine Tankstelle an der heutigen Kurt-A.-Körber-Chaussee in Bergedorf. Im Herbst 1975 zieht er mit seiner Lebensgefährtin in die Straße Bei den Tannen in den Barsbütteler Ortsteil Willinghusen. All diese Stationen zeigt Obst in der Ausstellung. "Ich wollte einfach wissen, warum Gartenschläger immer wieder in die DDR zurückkehrte, insgesamt 31 Menschen zur Flucht verhalf, die Automaten abbaute und sich immer wieder in Gefahr begab, nachdem er nach zehn Jahren Haft endlich in Sicherheit war", sagt Lothar Obst. Warum war da diese angestaute Wut? Der Hass auf das SED-Regime, der ihm bis zu seinem Tod keine Ruhe ließ?

Die Gründe liegen in Gartenschlägers Vergangenheit. Er ist gerade einmal 17 Jahre alt, als er zu lebenslanger Haft in der DDR verurteilt wird. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 protestiert er zusammen mit vier weiteren Jugendlichen gegen die Teilung. Die Volkspolizei verbietet seinen Ted-Herold-Fan-Club und hat bereits ein Auge auf die Gruppe, als sie später in Gartenschlägers Geburtsort Straußberg eine Feldscheune anzünden und Häuserwände mit politischen Parolen beschmieren. Die Haft wird hart, er hat kaum Kontakt nach außen. Selbst als erst sein Vater und dann seine Mutter sterben, darf er nicht zur Beerdigung.

Nach missglückten Fluchtversuchen, sitzt er lange in Isolationshaft. Kurz vor seinem Tod schreibt er, dass er während seiner Haftzeit im Brandenburger Zuchthaus zu der Überzeugung gelangt sei, dass "sinnvoller Widerstand gegen dieses Unrechtssystem nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht sei". Für Obst ist Gartenschläger eine faszinierende Persönlichkeit, ein Held. Denn er hatte den starken Willen, das DDR-Regime, das lange die Existenz der Selbstschussanlagen leugnete, zu überführen. Das gelang ihm.