Weil ein Mitarbeiter überfordert war, muss Reinbek nun 138 000 Euro an insgesamt 38 Anlieger des Schaumanns Kamps zurückzahlen.

Reinbek. Neue Fahrbahn, neue Gehwege: 1999 wurde der Schaumanns Kamp, eine Straße im ruhigen Reinbeker Ortsteil Hinschendorf, von Grund auf saniert. Jetzt, 13 Jahre später, muss die Stadt Reinbek 138 000 Euro an 38 Anlieger der Straße zurückzahlen. Ursache ist ein schon länger zurückliegender Verwaltungsfehler. Ein Rathausmitarbeiter, der mittlerweile nicht mehr in Reinbek arbeitet, hatte die Widersprüche der Anlieger gegen ihre Beitragsbescheide einfach nicht bearbeitet. "Wir waren ausgesprochen überrascht, als wir davon erfuhren", sagte Wilfried Potzahr, der Vorsitzende der Reinbeker CDU-Fraktion.

Die Baumaßnahme Schaumanns Kamp stand offenbar von Anfang an unter keinem guten Stern. Laut Straßenausbaubeitragssatzung sollten die Anlieger 60 Prozent der Kosten selbst zahlen - 232 000 Euro. 57 Grundstücke gibt es entlang der Straße. Für jeden Grundstückseigentümer musste nun gesondert berechnet werden, welchen Anteil er zu tragen hat.

Im Reinbeker Bauamt sah man sich damals außerstande, diese nicht ganz einfache Berechnung rechtssicher zu erstellen. Grund: Die Abteilung war unterbesetzt. Also blieb die Arbeit erst einmal liegen. Nach einigem Hin und Her beauftragte die Verwaltung mit Zustimmung der Stadtverordneten eine Firma damit, die Grundlagen für die Beitragsbescheide zu liefern. Die Firma sah rechtliche Probleme. Die mussten geprüft werden, was weitere Zeit in Anspruch nahm. Im Juli 2004, fünf Jahre nach Beginn der Bauarbeiten, wurden die Bescheide endlich verschickt.

Damit mussten die Anlieger die ihnen in Rechnung gestellten Beträge nun bezahlen. Sie taten es auch. Aber 38 Grundstücksbesitzer legten Widerspruch ein. Und dann machte der zuständige Rathausmitarbeiter einen Fehler, der Reinbek nun 138 000 Euro kostet: Er ließ die Widersprüche unbearbeitet. Das Kuriose an der Geschichte: Jahrelang fiel das im Rathaus niemandem auf. Und auch die Bürger, die auf eine Antwort warteten, entfalteten nicht sonderlich viel Druck, um das Rathaus zum Handeln zu bewegen. Offenbar hatten einige bei dem zuständigen Mitarbeiter angerufen, aber der hatte sie vertrösten können.

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Erst im vergangenen Juni bekam Bürgermeister Axel Bärendorf, seit 2008 im Amt, einen Hinweis von einem Anlieger des Schaumanns Kamps. Nun würde es doch mal Zeit sein, die Widersprüche zu beantworten, fand der. Fand Bärendorf auch. Und machte sich auf die Suche. Im Keller des Rathauses wurden die Aktenordner schließlich gefunden. Dorthin hatte sie der Rathausmitarbeiter gebracht, als er zu einer anderen Gemeinde wechselte.

Für Reinbek ist das Geld nun verloren. Diejenigen, die Widerspruch eingelegt haben, bekommen zurück, was sie vor fast acht Jahren an die Stadt gezahlt haben. Die rechtliche Lage ist eindeutig. Der Zahlungsanspruch der Stadt ist längst verjährt. Hätte der Rathausmitarbeiter damals die Widersprüche umgehend als unberechtigt zurückgewiesen, hätte Reinbek die 138 000 Euro behalten können.

Was geschieht nun mit dem Mann, der die Akten in den Keller getragen hat? Strafrechtlich hat er nichts zu befürchten. Einen Gesetzesverstoß hat er nicht begangen, er hat nur schlecht gearbeitet. Aber es gibt auch noch das Disziplinarrecht. Hat er ein Dienstvergehen begangen? Dies müsste in einem Disziplinarverfahren geklärt werden. Doch dafür ist nicht Reinbek, sondern der neue Arbeitgeber zuständig.

Wilfried Potzahr, der CDU-Fraktionschef in Reinbek, stuft den Umgang mit den Widersprüchen jedenfalls als "Verwaltungsversagen" ein. In der Rückschau lasse sich jetzt aber "außerordentlich schwer" sagen, ob es damals im Rathaus an Kontrollen gefehlt habe. "Wir haben jetzt natürlich auch darüber gesprochen, ob so etwas heute auch passieren könnte", sagt er. "Bürgermeister Bärendorf hat uns erläutert, dass der Ablauf bei Widersprüchen jetzt ein anderer ist als damals. Ich bin sehr zuversichtlich, dass er das im Griff hat."

Heinrich Dierking vom Forum 21 meint, dass man in Zukunft ganz darauf verzichten sollte, Straßenausbaubeiträge zu erheben. "Der bürokratische Aufwand ist viel zu hoch." Um Straßenausbesserungen zu finanzieren, könnte man zum Beispiel die Grundsteuer erhöhen.

Die Bürger im Schaumanns Kamp können sich nun jedenfalls auf einen kleinen Geldsegen freuen. Noch wissen sie allerdings nichts von ihrem Glück. Die Auszahlung wird sich wohl bis April verzögern. Grund: Die Verwaltung muss nun mit hohem Arbeitsaufwand Neubescheide erstellen.