Eltern aus Barsbüttel kritisieren Hamburg. Grund: Ihre Kinder sollen auf weit entfernte Gymnasien verteilt werden statt auf die drei nächstgelegenen.

Barsbüttel. Weil sie ihre Kinder im kommenden Schuljahr nicht auf die drei nächstgelegenen Hamburger Gymnasien schicken dürfen, haben zahlreiche Eltern aus Barsbüttel einen Protestbrief an Ties Rabe, den Schulsenator der Hansestadt geschrieben. "Schulwege werden unzumutbar und Profilwünsche sind nicht mehr realisierbar", heißt es in dem Brief der Elterninitiative, der dem Abendblatt vorliegt.

Laut Gastschulabkommen zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein dürfen Barsbütteler Schüler ein Hamburger Gymnasium besuchen. Die Gemeinde zahlt dafür jährlich 170 000 Euro an das Land, welches das Geld, ergänzt um einen Landesanteil, weiter nach Hamburg leitet. In dem Abkommen ist keine Schule namentlich festgelegt, doch in der Regel besuchen Schüler der Gemeinde eines der drei Gymnasien im Bezirk Wandsbek. 223 Barsbütteler gehen dort derzeit schon zur Schule, sagt Barsbüttels Bürgermeister Thomas Schreitmüller. Weil die drei Gymnasien aber zu viele Anmeldungen für die fünften Klassen erhalten haben, bekommen 30 bis 40 Barsbütteler Kinder dort jetzt keinen Platz. Laut Schulbehörde sind nicht nur die Barsbütteler betroffen - insgesamt müssen 61 Kinder in Wandsbek auf andere Schulen verteilt werden. Wohin, soll erst am 2. April bekannt gegeben werden.

+++ Wohl der Schüler ist entscheidend +++

Dass so viele Barsbütteler die Wandsbeker Gymnasien besuchen, liegt daran, dass die Schulen in einer knappen halben Stunde per Bus zu erreichen sind. Zu den weiter entfernten Gymnasien in den Stormarner Gemeinden Glinde und Reinbek besteht dagegen keine gute Busverbindung. Durch das Gastschulabkommen bekam der von Hamburg jahrelang eher geduldete als erwünschte grenzübergreifende Schulbesuch 2010 einen offiziellen Charakter. Damals einigten sich die Länder auf eine neue finanzielle Ausgleichsregelung. Schleswig-Holstein zahlt jährlich 12,4 Millionen an Hamburg.

"Wir haben uns nach dem Abkommen so sicher gefühlt, doch meine Tochter darf jetzt trotzdem nicht auf ihre Wunschschule. Sie ist total enttäuscht", sagt Berit Herzog, deren Kind derzeit die vierte Klasse der Grundschule in Barsbüttel besucht. Auch die Barsbüttelerin Conny Fretin hat schon von der Ablehnung ihres Schulwunsches erfahren. Ihre Tochter möchte Latein lernen, was nur sieben Schulen in Hamburg ab der fünften Klasse anbieten. Das Matthias-Claudius-Gymnasium (MCG) in Wandsbek wäre der nächstgelegene Standort. Doch das ist wegen seines naturwissenschaftlichen und sprachlichen Profils sehr beliebt. 173 Viertklässler hatten sich dort angemeldet, nur 112 können aufgenommen werden. Auch am benachbarten Charlotte-Paulsen-Gymnasium (CPG) bekommen 29 Schüler keinen Platz.

Grund für die Begrenzung ist der aktuelle Hamburger Schulentwicklungsplan (SEPL), der festlegt, dass ab 2012 an beiden Schulen nur vier fünfte Klassen erlaubt sind. Im letzten Schuljahr waren es noch fünf. Die Schulen haben den Barsbütteler Eltern signalisiert, dass sie mehr Kinder aufnehmen könnten. Doch sie dürfen es nicht, denn ihr neues Limit ist mit den Schülern aus dem engeren Einzugsgebiet schon erreicht. Weil die Barsbütteler am äußersten Rand des Gebietes wohnen, gehen sie leer aus, erklärt Gerd Neumann, zuständig für die regionale Schulaufsicht im Bezirk Wandsbek. Er sagt: "Ausnahmen gibt es nur für Geschwisterkinder und besondere Härtefälle."

Die Barsbütteler Eltern fordern jetzt, dass Hamburg den Schulentwicklungsplan überdenkt und den Gymnasien die Aufnahme von mehr Schülern gestattet, um das Gastschulabkommen "zumutbar" umzusetzen. Sie haben Bürgermeister Thomas Schreitmüller um Unterstützung gebeten. Er will mit Hamburg Kontakt aufnehmen. "Auch das Land müsste eigentlich ein Interesse daran haben, eine entsprechend hohe Gegenleistung für das bezahlte Geld zu bekommen.", sagt er.

+++ Schleswig Holstein: Streit um Schulkosten +++

Gerd Neumann wirbt dagegen um Verständnis: "Wir kennen das Problem, sehen aber auf Grund der rechtlichen Situation keine andere Möglichkeit." Laut Neumann werden die Stormarner Kinder voraussichtlich in Gruppen auf die Gymnasien der Stadtteile Billstedt, Farmsen, Hamm oder Winterhude verteilt. Der Schulsenator muss dem aber noch zustimmen. Der Schulweg werde trotzdem nicht länger als eine Stunde dauern, verspricht er. Das werde auch Hamburger Kindern zugemutet und sei immer noch kürzer als der Weg nach Reinbek oder Glinde.

Die betroffenen Eltern finden das absurd. Sinn des Gastschulabkommens sei es doch, dass ihre Kinder ein schnell erreichbares Gymnasium besuchen können. Jetzt droht ein noch längerer Schulweg. "Die Kinder müssten morgens in Hamburg zweimal umsteigen, um in die Schulen zu kommen", sagt Katrin Krause von der Barsbütteler Elterninitiative. Und Conny Fretin ärgert sich: "Mit unserem Geld und unseren guten Schülern sollen jetzt die leeren Gymnasien in Billstedt oder Hamm gefüllt werden. Das kann es doch nicht sein." Erst im April, wenn die Schulen ihre Anmeldebestätigung verschicken, werden die Barsbütteler genau wissen, an welche Schule ihr Kind kommt. Eine Unsicherheit, die sie zusätzlich quält. Eltern, die im Fall einer Ablehnung der Wunschschule doch ein Gymnasium in Stormarn in Betracht ziehen, rät Gerd Neumann, ihre Kinder auch dort anzumelden und zweigleisig zu fahren.