Urteil des Landgerichts Lübeck: Beratung bei Ahrensburger Geldinstitut war fehlerhaft. Gerhard Noll bekommt jetzt 30.000 Euro zurück.

Sülfeld. "Legen Sie Ihr Vermögen in die Hände erfahrener Anlageexperten und überlassen Sie ihnen die notwendigen Entscheidungen - so können Sie sich auf das Wesentliche in Ihrem Leben konzentrieren." Mit diesem Satz wirbt die Commerzbank auf ihrer Internetseite um Kunden. Gerhard Noll aus Sülfeld hat den Rat angenommen und sich auf das Wesentliche konzentriert. Dabei hätte er beinahe den nicht ganz unwesentlichen Betrag von 30 000 Euro verloren. Nur mit Hilfe des Landgerichts Lübeck gelang es ihm jetzt, die Commerzbank in die Knie zu zwingen und sein Geld zurückzubekommen. Die 12. Zivilkammer kam in ihrem Urteil zu dem Schluss, dass das Geldinstitut seine Aufklärungspflicht verletzt hat.

Noll ist kein reicher Mann. Seit 2005 ist er Frührentner. Ursache war eine Erkrankung. Im Jahr 2008 wollte er bei der Commerzbank in Ahrensburg 30 000 Euro anlegen. "Es sollte eine sichere Anlage sein", sagt Noll. "Mit den Erträgen wollte ich meine Rente aufbessern." Der Kundenberater der Commerzbank empfahl dem Sülfelder eine Beteiligung an einer Schifffahrts GmbH mit Sitz in München. Noll willigte ein - und wurde Miteigentümer des kurz zuvor in Dienst gestellten Containerfrachters "Conti Ariadne". Das gut 200 Meter lange und rund 22 Knoten schnelle Schiff war auf der Aker-Werft in Wismar gebaut worden.

Zunächst war alles in Ordnung. Noll bekam 2008 eine Ausschüttung von fünf Prozent. Doch im Jahr darauf blieb die Zahlung aus. Anfang 2010 blickte Noll deshalb noch einmal in die Prospekte und fand dort den Hinweis, dass sein Investment keine "absolut sichere" Anlage sei. Empört stattete er seinem Berater in der Commerzbankfiliale Ahrensburg einen Besuch ab und forderte ihn auf, ihm das investierte Geld sofort zurückzuzahlen. Das sei leider nicht möglich, wurde ihm beschieden. Man könne aber versuchen, die Nollsche Beteiligung über einen Makler zu verkaufen.

Noll war entsetzt. "Ich hatte bei der ersten Beratung ausdrücklich gesagt, dass es mir ganz wichtig ist, dass ich immer an mein Geld herankommen kann", erzählt er. Als auch 2010 keine Ausschüttung erfolgte, ging der Rentner zum Rechtsanwalt. "Zum Glück habe ich eine Rechtsschutzversicherung", sagt der Sülfelder.

Amadeus Greiff griff ein. Der Oldesloer Jurist zog im Mai 2011 vor Gericht. Gerhard Noll sei fehlerhaft beraten worden, argumentierte er. Unter anderem habe der Commerzbank-Mann seinem Kunden Noll damals nicht mitgeteilt, dass das Geldinstitut für die Vermittlung der Schiffsbeteiligung eine Provision von 7,5 Prozent bekommen sollte. Außerdem habe der Berater behauptet, dass die Anlage ohne Risiko und absolut sicher sei. Außerdem habe er erklärt, es sei ohne Weiteres möglich, den Beteiligungsbetrag innerhalb von zwei Monaten zurückzuerhalten.

+++ 27.000 Kunden kommen nicht mehr an ihr Geld +++

Für das Landgericht Lübeck war ausschlaggebend, dass die Bank die Provisionszahlung verschwiegen hatte. In ihrem Ende Dezember verkündeten und nun vorliegenden Urteil findet die Zivilkammer deutliche Worte. "Ein Bankkunde, der sich durch 'seine Bank' beraten lässt, geht davon aus, dass die Beratung seinen eigenen Interessen dient", heißt es dort. "Angesichts dieses Vertrauens des Kunden, bei dem es sich um eine im Rechtsverkehr schützenswerte Erwartung handelt, liegt die Pflicht der Bank, ungefragt über die von ihr verdienten Rückvergütungen Auskunft zu geben, auf der Hand."

Ob und in welcher Höhe eine Bank eine Provision erhalte, sei "ein maßgebliches Kriterium bei der Entscheidungsfindung des Kunden". Verschweige die Bank die Rückvergütung, sei die Beratung "fehlerhaft und unvollständig". Dem Kunden seien nicht alle relevanten Kriterien an die Hand gegeben worden, die er benötige, um eine sinnvolle Abwägung vorzunehmen und eine interessengerechte Entscheidung zu treffen.

Die Zivilkammer verfügte, das Geschäft rückgängig zu machen. Noll bekommt sein einbezahltes Geld wieder, dazu 1888 Euro Zinsen, die er erhalten hätte, wenn er die 30 000 Euro konservativ angelegt hätte. Und die Commerzbank wird nun Miteigentümer des Containerfrachters "Conti Ariadne". Eine kleine Ungewissheit gibt es allerdings noch: Die Bank kann Berufung einlegen. Ein Commerzbank-Sprecher sagte dem Abendblatt dazu: "Derzeit prüfen wir diese Option."

Anwalt Greiff hält eine Berufung für wenig aussichtsreich. "Mittlerweile gibt es in solchen Fällen doch einige Urteile des Bundesgerichtshofs, die klar zu Gunsten der Kunden ausgegangen sind", sagt er. Er sieht immer dann gute Erfolgsaussichten für eine Klage, wenn die Bank bei der Beratung nicht ein eigenes Anlageprodukt empfohlen hat, sondern - wie im Fall Noll - ein fremdes. Und wenn die Bank zugleich verschwiegen hat, dass sie dafür eine Provision bekommt.

Amadeus Greiff hat schon mehrere Stormarner Anleger vertreten, die von Banken über den Tisch gezogen worden sind. "Aber es kommt in meinen Verfahren selten zu einem Urteil, weil man sich meist auf einen Vergleich einigt", sagt der Anwalt. "Der ist dann zwar auch für die Banken nachteilig, weil die Kunden das investierte Geld komplett zurückbekommen. Aber die Banken finden das trotzdem besser. Sie wollen eine Verurteilung vermeiden." Auch im Fall Noll habe er der Commerzbank einen solchen Vergleich vorgeschlagen. Vorteil für seinen Mandanten: Er wäre schneller zu seinem Geld gekommen. "Aber die Bank hat abgelehnt."